Mit Slow Media soll in diesem Schwerpunkt von Grüner Journalismus erörtert werden, wie Angebote und Nutzungsmuster von Medien unseren Alltag prägen und die Wahrnehmung von Qualität und Wertigkeit journalistischer Angebote verändern können. Als Antwort auf Trends wie Beschleunigung, Oberflächlichkeit und Multitasking in der Mediennutzung werden Kriterien eines bewussteren und nachhaltigeren Umgangs mit Medien vorgestellt. Aus Sicht von Journalismus und Medienanbietern lassen sich erste konkrete Handlungsempfehlungen geben. Für einige Aspekte des Themas gibt es aber noch Forschungsbedarf.

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Diese Diskussion ist Teil eines umfassenderen wissenschaftlichen Diskurses über eine gesellschaftliche Zeitpolitik. Eine zeitachtsame Gesellschaft ist nicht nur politisch und ökonomisch vorteilhaft, sondern kann auch die individuelle Lebensqualität verbessern. Einen guten Einstieg in das Thema Zeitpolitik bietet der Vortrag der Ökonomin Prof. Dr. Lucia A. Reisch (Copenhagen Business School): „Auf dem Weg in eine zeitachtsame Gesellschaft? Zeitpolitik als Nachhaltigkeitspolitik“ (2014). Sie zeigt, dass Zeitpolitik wegen des wachsenden Handlungsdrucks auch außerhalb der Wissenschaft immer wichtiger wird. Innovative Unternehmen haben erkannt, dass gerade für qualifizierte junge Menschen Zeitsouveränität und die Verträglichkeit von Arbeitszeit, gesellschaftlicher Zeit und Eigenzeit einen hohen Stellenwert hat. Und auch politische Parteien haben Zeitpolitik als wählerwirksames Thema entdeckt.

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Nachhaltigkeit als gesellschaftliches und journalistisches Thema steht im Zentrum von Grüner Journalismus. Die Dimension Zeit ist ein Schlüssel nicht nur für das Verständnis von modernen kapitalistischen Gesellschaften und den individuellen Lebensbedingungen der Menschen, sondern auch für die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung. Während immer noch die Vorstellung dominiert, materielles Wachstum sei Voraussetzung für mehr Lebensqualität, gehen Nachhaltigkeitsansätze davon aus, dass gerade in ökonomisch hoch entwickelten Gesellschaften herkömmliches Wachstum die gesellschaftliche Innovationsfähigkeit und die persönliche Lebensqualität weniger positiv beeinflusst als Faktoren einer ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. Die Dimension Zeit ist eng verknüpft mit Selbstverwirklichung, die Grüner Journalismus an der Spitze einer Pyramide für eine nachhaltige Entwicklung und Lebensqualität sieht. Oder – in Anlehnung an Hans M. Enzensberger: „Zeit ist der neue Luxus.“

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