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Wie entwickelt sich der Markt nachhaltiger Geldanlagen?

Nachhaltiger Anlagen war lange bloß eine Nische. Seit der Finanzkrise von 2008 zeigt der Markt jedoch ein Wachstum, das die Entwicklung des konventionellen Kapitalmarktes bei Weitem übertrifft (siehe Abbildung).

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Anzahl nachhaltiger Publikumsfonds in Europa 1999–2012 in (Quelle: Vigeo)

Für kleinere Institutionelle und insbesondere für Privatanleger hat sich das Angebot an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den zurückliegenden Jahren breit aufgefächert. Von Mitte 2009 bis Ende März 2015 stieg die Zahl der Publikumsfonds von 300 auf rund 400 Fonds, berichtet das Sustainable Business Institute, das die kostenfreie Marktplattform www.nachhaltiges-investment.org betreibt.

Währenddessen hat sich der Markt konsolidiert: Viele Fonds wurden geschlossen oder zusammengelegt. Aber immer mehr konventionelle Fonds werden in nachhaltige umgewandelt und beachten nun soziale, ökologische und/oder ethische Kriterien. Das addierte Fondsvolumen ist über die Jahre – auch während der Finanzkrisen – mit Raten weit über dem Marktdurchschnitt gewachsen. Ende des ersten Quartals 2015 waren 47 Milliarden Euro (2009: 26 Milliarden Euro) investiert. Zudem hat sich dieser Markt gewandelt: Früher gab es fast nur Aktienprodukte, heute zunehmend auch Anleihenkonzepte.

Im deutschsprachigen Raum summierte sich das gesamte „Socially Responsible Investment“ (SRI) 2014 auf 135 Milliarden Euro, ermittelte das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) www.forum-ng.org. Vor fünf Jahren betrug es erst 38 Milliarden Euro. Gleichwohl bewegen sich nachhaltige Anlagen im deutschsprachigen Raum noch immer auf niedrigem Niveau mit deutlich unter fünf Prozent des gesamten Kapitalmarktes. Sind sie deshalb zu vernachlässigen? Mitnichten. Denn es zeigt sich ein Trend, der europaweit zu beobachten ist. Im deutschsprachigen Raum liefern – wie in Europa insgesamt – Mandate von Großanlegern einen wachsenden Anteil an den Gesamtsummen.

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Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlage

In Europa ist das gesamte „Socially Responsible Investment“ (SRI) – also alle Investmentstrategien, die irgendetwas mit Nachhaltigkeit zu tun haben – seit 2009 mit teils hohen zweistelligen Raten schneller als der gesamte europäische Investmentmarkt, ergaben Studien der europäischen Branchenorganisation Eurosif in Brüssel. Das SRI-Volumen stieg zwischen 2009 und 2013 von fünf auf 19,4 Billionen Euro, so die „European SRI Study 2014“ vom Oktober 2014. Ein großer Teil entfällt allerdings auf „einfache“ Ausschlüsse, die sich auf fast sieben Billionen verdoppelt haben: Der Ausschluss von international geächteten Streumunitionsherstellern ist jedoch keine echte Leistung. Trotzdem hat sich hinsichtlich der tatsächlichen Übernahme von Verantwortung im Mainstream in den vergangenen Jahren einiges getan (siehe unten).

Wie beeinflussen nachhaltige Aspekte das Rendite-Risiko-Profil?

Seit Anfang 2014 geistert die Prokon-Insolvenz durch die Medien, eine weitere Pleite einer Firma, die sich als nachhaltig präsentierte – aber es de facto nicht ist. Diese schlechten Nachrichten belasteten das ganze Segment nachhaltiger Geldanlagen.

Darum sei nochmals betont: Nachhaltige Anlagen messen sich an Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien … und die ökonomischen Eckdaten müssen auch stimmen. Die nachfolgenden Ausführen beziehen sich auf breit aufgestellte nachhaltige Geldanlagen, die anhand vieler ESG-Kriterien in eine Bandbreite von Unternehmen verschiedener Branchen und / oder Anleiheemittenten investieren – über welche Methode auch immer.

Zur Rendite wird seit mehr als 30 Jahren geforscht. Dazu Prof. Henry Schäfer von der Universität Stuttgart: „Nach mehr 30 Jahren Forschung wissen wir, dass nachhaltige Anlagen dasselbe Renditepotenzial wie konventionelle Anlagen haben und in Einzelfällen outperformen.“

Dies hat 2013 eine Meta-Studie der Steinbeis-Hochschule in Berlin bestätigt und für das Rendite-Risiko-Verhältnis ergänzt. Sie hat 195 wissenschaftliche Untersuchungen seit 1978 ausgewertet: Die Mehrheit stellte bei nachhaltigen Geldanlagen kein schlechteres Rendite-Risiko-Profil fest als bei konventionellen, Zitat: „Tendenziell wirkten sich Nachhaltigkeitsaspekte bei einer Gesamtbetrachtung sogar (leicht) positiv aus.“

Eine Metastudie der Universität Kassel kam 2014 zum selben Ergebnis. Die Forscher haben 35 empirische Studien analisiert, welche die risikogewichtete Performance von nachhaltigen mit der von konventionellen Geldanlagen vergleichen. „Wir haben festgestellt, das 15 keinen Performanceunterschied ausmachen, nur 6 eine schlechtere Performance, aber 14 eine bessere Performance nachhaltiger Geldanlagen“, resümiert Professor Christian Klein. Zudem ergibt sich bei zusätzlichen 18 Studien tendenziell häufiger ein positiver Zusammenhang zwischen ethischem Verhalten und Performance von Unternehmen.

Konventionelle Investments jedoch ignorieren das meist, beachten also nicht Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien – international kurz ESG genannt – bei ihren Titelanalysen und Investmententscheidungen. Selbst nach der Lehmann-Pleite und den Finanzmarktkrisen der letzten Jahre und trotz des Klimawandels hat sich daran kaum etwas geändert.

Damit aber vernachlässigen sie auch fundamentale Risiken: Haftungs-, Regulierungs-, Marktrisiken- sowie Reputationsrisiken – ja, auch Existenzrisiken. Denen sind nicht nur die Titel ausgesetzt sind, in die sie investieren, sondern auch sie selbst als Kapitaleigner und Vermögensverwalter. Exemplarisch sei an den Ölkonzern BP erinnert: Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko brach der Aktienkurs um die Hälfte ein. Er hat sich seither nicht mehr wirklich erholt.
Eine internationale Studie einer UN-Finanzinitiative ergab Ende 2013: „ESG-Faktoren sind für die Bewertung von Kreditrisiken sehr relevant und werden gegenwärtig nicht genügend betrachtet.“ Das spielt auch für Anleihen eine große Rolle. Die Investoren haben darum die Kreditratingagenturen aufgefordert, ESG-Analysen systematischer zu nutzen. Inzwischen mehren sich überdies juristische Studien zu dem Thema, die auch die Vermögensverwalter und Altersvorsorgeeinrichtungen betreffen. Sie belegen, dass eine treuhänderische Verantwortung existiert, ESG-Aspekte zu beachten.

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