„Mei, was muss der Vater Wurst fressen, bis die Kinder von der Pelle satt werden“, so lautete ein beliebter Witz meiner Großmutter. Ähnlich zynisch wie das Verhalten des Wurst-schmatzenden Familienoberhauptes gegenüber seines Nachwuchses ist heute oft das Gebaren der reichen Industrienationen im globalisierten Agrobusiness gegenüber der hungernden dritten Welt. Das wissen wir zwar schon, nun fasst es Valentin Thurn, der schon für den Dokumentarfilm „Taste the waste“ verantwortlich zeichnete, in seinem neuen Film „Zehn Milliarden“ – unter dem Vorwand die Lösungen künftiger Hungerprobleme zu beleuchten – nocheinmal anschaulich für uns zusammen.

Er macht komplexe Zusammenhänge klar und zeigt facettenreich auf, wie der Profit immer neue Ausreden und Plausibilitätserklärungen für das Privatisieren der Lebensmittelversorgung aus dem Hut zaubert: Der Mitarbeiter von Bayer erklärt uns, warum der Verkauf von salzresistenten Hybridpflanzen für Bayer und Kleinbauer eine win-win-Situation ist, schließlich erhöhe sich die Ernte um 20 Prozent. Es sei der Weg aus der Hungerkrise. Die ewige Abhängigkeit der Bauern vom deutschen Konzern bei Saatgut, Dünger und Pestiziden, die daraus folgt, verschweigt er. Ein kanadischer Züchter von genmanipuliertem Lachs schwärmt von seinen Fischen, die vielfach so schnell wachsen, wie ihre – im Prinzip – identischen natürlich Brüder. Es sei der Weg aus der Hungerkrise. Dass auch diese Lachse Fleischfresser sind und aus vielen „minderwertigen“ Fischkalorien nur wenige Lachskalorien machen, kein Ton davon. Ein japanischer Mitarbeiter einer „Food-factory“ erklärt „Erde“ für ein Unding, schließlich seien all die Bakterien nicht kontrollierbar. Seine klinisch reine Gurkenfabriken dagegen; der Weg aus der Hungerkrise. Doch auch sein Gemüse ist nicht makellos, denn die Produktion ist energieintensiv und das macht das Gemüse teuer. Somit ist es nur auf dem Lebensmittelmarkt des reichen Japans konkurrenzfähig und als Lösung für Arme ungeeignet.

Viele Versprechen auf Lösungen, die nötig würden, wenn die Erde im Jahre 2050 einmal 10 Milliarden Bürger zählen wird, die es zu ernähren gilt. Dabei gibt es diese Versprechen seit Jahrzehnten, die Ernährungskrise ist schon heute ganz real und die eigentlichen Lösungen dafür gibt es seit Jahrtausenden. Diese beiden Welten stellt Valentin Thurn geschickt gegenüber: Er zeigt die Herren in ihren weißen Kitteln, die mal unsicher, mal vor Überschwang strotzend die Beseitigung des Hungers aus dem Labor herbeizüchten und -pipettieren. Er zeigt die Opfer dieser Akteure, die in der Vergangenheit auf die Versprechen hereingefallen sind. Das emotionalisiert, aber ohne unsachlich zu sein.

Und vor allem gibt er die positiven Impulse und zeigt, dass neoliberales Agrobusiness nicht alternativlos ist. Transition towns in England, Solidarische Landwirtschaft in Deutschland, Bauerngemeinden in Malawi oder Saatgutbanken in Indien: All das sind Lösungen, die nicht neu sind, die aber funktionieren. An die man sich lediglich wieder erinnern und auf die man sich besinnen muss. Die sich auf den einfachen Dreiklang Regional – Saisonal – Biologisch zusammenfassen lassen. So würde man nicht nur die 10 Milliarden Menschen in 35 Jahren satt bekommen – sondern schon die 7 Milliarden, die heute auf der Erde leben.

Der Film „Zehn Milliarden“ läuft aktuell in den Kinos und gibt viele Ideen und Ansätze für journalistische Themen her. Mehr Infos gibt es hier.

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