Professor Doktor Daniel Hanss ist Experte für die Themen Umweltpsychologie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Darmstadt. (Foto: h-da.de)

Angenommen ich kaufe mir ein energieeffizienteres Auto. Habe ich damit automatisch etwas Gutes für die Umwelt getan?

Nachreiner: Beim Rebound-Effekt kommt es durch eine Effizienzsteigerung zu einer höheren Nachfrage. Das ist der Kern. Und ein klassisches Beispiel für den direkten Rebound-Effekt ist: „Ich kaufe mir ein sparsames Auto, fahre damit aber mehr.“ Es kann unterschieden werden zwischen dem direkten und dem indirekten Rebound. Dieser Effekt kommt in verschiedenen Bereichen vor, unter anderem in der Energieeffizienz, aber wir beschäftigen uns mehr mit Privatpersonen. Beim indirekten Rebound-Effekt spare ich Ressourcen irgendwo ein, zum Beispiel Geld beim energieeffizienten Heizen, fliege dafür aber häufiger in den Urlaub. Hier handelt es sich dann also um die Verlagerung in einen anderen Bereich. Der indirekte Rebound-Effekt ist allerdings schwer zu erforschen, weil sehr viele Faktoren dort eine Rolle spielen.

Woher kommt dieses widersprüchliche Verhalten – dass der Käufer eines energieeffizienteren Neuwagens automatisch mehr mit dem Auto fährt?

Hanss: Das hat verschiedene Gründe. Eine Möglichkeit ist, dass die Leute bei der Anschaffung des Autos gar nicht an den Umweltschutz gedacht haben. Vielleicht hatten sie finanzielle Gründe. Das könnte auch erklären, dass – wenn man Geld erstmal einspart – dieses dann später durch eine andere Fahrweise ausgegeben wird.

Nachreiner: In diesem Feld gibt es immer noch sehr hohen Forschungsbedarf. In den Ministerien gibt es da sehr interessante Projekte, bei denen auch Umweltpsychologen mitarbeiten. Ein bekannter Faktor beim Rebound-Effekt ist, dass die Leute das Geldeinsparen falsch einschätzen. Man denkt, man spart mehr ein und nutzt deshalb beispielsweise das Auto mehr.

Wie weit ist die Forschung beim Rebound-Effekt?

Nachreiner: Die Forscher sind sich einig, dass der Rebound-Effekt ein Phänomen ist, das existiert. Aber es gibt sehr unterschiedliche Studien in Bezug auf die Ausmaße des Effekts. Der Forschungsbedarf ist gerade bei der Frage, wie man dagegen vorgehen kann, noch sehr groß.

Hanss: Ein psychologischer Mechanismus, der hier eine Rolle spielt, ist das „moralische Lizenzieren“. Wenn ich mich in einem Bereich stark für etwas eingesetzt habe, was ich moralisch wichtig finde und mit individuellen Kosten verbunden ist, dann habe ich in anderen Bereichen weniger das Gefühl, nach moralischen Richtlinien zu handeln. Ich denke, dass ich mein Konto quasi schon aufgefüllt habe und zwar in einem anderen Bereich. Wenn wir beim Beispiel Auto bleiben: Habe ich ein neues Auto, das Benzin einspart, so lizensiert es mich dann in einem anderen Bereich „die Sau raus zu lassen“.

Weshalb ist der Rebound-Effekt in der Gesellschaft kein größeres Thema?

Hanss: Das sind alles sehr komplexe Themen für den „Otto Normalverbraucher“. Die Umweltwirkung von Konsumhandlungen sind vielleicht grob bekannt. Die wenigsten Menschen kennen aber genau die Umweltauswirkungen oder die sozialen Auswirkungen von dem, was sie im Alltag tun und vereinfachen deshalb alles stark. Also denken wir oft, dass wir allein durch den Kauf einer energieeffizienten Maßnahme schon unseren Beitrag geleistet haben und machen uns täglich weniger Gedanken. Informieren wir uns beispielsweise über die Werte, die ein bestimmter Supermarkt vertritt, denken wir weniger über die einzelnen Produkte nach, die wir dort kaufen.

Doktor Malte Nachreiner ist für die wissenschaftlich-technische Koordination des wirtschaftspsychologischen Experimentalstudios in Darmstadt zuständig. (Foto: h-da.de)

Ist es möglich, gegen den Rebound-Effekt vorzugehen?

Nachreiner: Definitiv! Genau das ist der Punkt, an dem Verhaltensmaßnahmen anknüpfen. Feedback ist hier eine weit verbreitete Strategie. Es gibt zwar keine Lösung für alle Probleme, aber Informationsstrategien sind immer noch eine Maßnahme, die eine große Rolle auf den Gesamtkontext spielen. Das bedeutet, man klärt Verbraucher auf, wie viel sie tatsächlich einsparen. Wichtig ist, dass die Leute beim Kauf nicht nur die Effizienzklasse sehen. Es sollte auch eine etwas aussagekräftigere Zahl, wie beispielsweise der Jahresverbrauch, deutlicher hervorgehoben werden. Kauft man sich zum Beispiel einen größeren Kühlschrank mit einer guten Effizienzklasse, kann dieser immer noch mehr Energie verbrauchen als der kleinere Kühlschrank zuhause.

Hanss: Andere Ansätze sind eher am Lebensstil orientiert. Diese stellen dann stark konsumgesteuerte Lebensstile in Frage. Das ist ein suffizienz-orientierter Ansatz, der also auf Genügsamkeit setzt, bei dem man die Leute darauf aufmerksam macht, was einen Menschen im Leben wirklich glücklich macht. Diese Themen kommen aus der positiv-orientierten Psychologie. Den Leuten sollen Ressourcen mitgegeben werden, damit sie ihr Leben weniger konsumorientiert gestalten.

In wieweit wird politisch nicht nur über Energieeffizienz, sondern auch über den Rebound-Effekt gesprochen?

Nachreiner: Die Frage ist hier auch: „Wie kann so etwas in der Politik umgesetzt werden?“. Natürlich ist zum Beispiel die CO2 -Steuer ein Thema, welches schon lange debattiert wird. Das bedeutet, man könnte zusätzlich entstehende Ressourcen, wie bei Flugreisen, direkt im Keim ersticken, indem man sagt, dass einfach alles teurer wird. Einkommensschwächere Haushalte würden hierbei allerdings natürlich benachteiligt werden, und deshalb müssen komplexere Lösungen gefunden werden. Es wäre schön, wenn die Akteure in der Politik den Rebound-Effekt stärker miteinbeziehen würden.

Hanss: Uns Umweltpsychologen freut es allerdings, dass es schon mehr Aufmerksamkeit für das Thema gibt. Jetzt wird nämlich klar, dass Energieeffizienz allein uns nicht zum Ziel führt.

Gibt es einen abschließenden Tipp, wie man im Alltag etwas stärker gegen den Rebound-Effekt vorgehen kann?

Nachreiner: Ich würde sagen, dass man sich bewusst macht, dass der Rebound-Effekt real ist. Gerade vor einer Kaufentscheidung sollte man sich überlegen, welche Folgen diese Kaufentscheidung mit sich zieht. Das geht wieder in die Richtung Suffizienz: „Brauche ich das wirklich?“. Wichtig ist auch, sich nicht zu denken, dass man sowieso nichts dagegen machen kann. Oft wird hier nur gesagt, dass der Rebound alles wegfresse. Aber es gibt mehr als nur einzelne Aspekte und man sollte sich immer vor Augen halten, dass man durch sein Verhalten immer etwas dagegen tun kann.

Hanss: Gerade im Alltag ist es wichtig, sich mehr Gedanken zu machen und diese als feste Routinen einzubinden. Der Idealfall ist, dass eingespartes Geld in andere nachhaltige Maßnahmen investiert wird. Merkt man, dass man Geld durch ein effizientes Auto einspart, kann man dieses Geld beispielsweise auch in eine bessere Wärmedämmung im Haus investieren.

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