Anke Sparmann und ihr Pferd Sally (Quelle: privat)

Anke Sparmann und ihr Pferd Sally (Quelle: privat)

Von Anne Schüßler

Frau Sparmann, was waren Ihre letzten Geschichten zu Biodiversität, Natur und Arten?

Ich erzähle mal von zwei  sehr unterschiedlichen Geschichten. Für die erste bin ich für GEO Anfang 2014 in den Kongo gefahren. Es ging dabei um Bonobos, eine Menschenaffenart, nah verwandt mit Schimpansen – und mit uns.  Eine Evolutionsgeschichte. Die zentrale Frage ist, wie es sein kann, dass zwei Menschenaffenarten, die auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgehen, ein sehr unterschiedliches Sozialverhalten entwickelt haben. Das ist natürlich ein dankbares Thema, verbunden mit einer aufregenden Recherche. An dem zweiten Artikel schreibe ich gerade, nämlich über den diesjährigen GEO-Tag der Artenvielfalt. Der findet bereits zum 16. Mal statt – und das ist schon eine Herausforderung, jedes Jahr wieder einen neuen Fokus zu finden.

Bleiben wir doch bei dem letzten Beispiel. Wie gehen Sie an eine solche Aufgabe ran?

Für die aktuelle  Geschichte werde ich das Geschehen am Tag der Artenvielfalt mit dem Jena-Experiment gegenschneiden. Das ist einer der ältesten Biodiversitätsversuche Europas. Dabei geht es darum, wie sich die Biodiversität auf Ökosystemfunktionen auswirkt. Das klingt sperrig, aber im Grunde verbirgt sich dahinter eine einfache Frage: Macht es einen Unterschied, ob es eine Art mehr oder weniger gibt? Eine Frage, die man häufig hört. Nicht, wenn es um das Aussterben von Tigern oder Pandabären geht, sondern um das Verschwinden eines Insekts oder einer unscheinbaren Pflanze. Der Arbeitstitel ist momentan „Jede Art zählt!“. Dieses Experiment habe ich schon seit längerem im Kopf. Da könnte ich jetzt nicht rekonstruieren, wie genau ich drauf gekommen bin.

Ist Biodiversität aus Ihrer Sicht ein schwieriges Medienthema?

Es gibt mit Sicherheit Themen, die dankbarer sind, aber es gibt auch ganz viele Themen, die ähnlich schwierig sind in dem Sinne, dass der Leser dort nicht gleich andocken kann. Ich selber habe Germanistik studiert, bin also nicht einschlägig vorgeprägt, was das Thema Artenvielfalt angeht. Das hat den Vorteil, dass ich mit Fragen an die Sache rangehe, die sich womöglich auch der Leser stellt.  Allgemein lässt sich meiner Meinung nach die Frage, wie ich über Biodiversität schreibe, nicht von der Frage trennen, wie guter Journalismus überhaupt funktioniert. Ich versuche also, viel zu lesen und mir auch bei tollen Kollegen was abzugucken. Eine gute Seite dafür ist zum Beispiel das Reporter-Forum.

Anke Sparmann: "Ich sehe einen leichten Trend zu grünen Themen im Allgemeinen" (Quelle: privat)

Anke Sparmann: „Ich sehe einen leichten Trend zu grünen Themen im Allgemeinen“ (Quelle: privat)

Über das Andocken hinaus – ist Biodiversität, sind Arten und Natur, Trendthemen?

Ich sehe einen leichten Trend zu grünen Themen im Allgemeinen. Das hängt sicher einerseits mit dem Klimawandel zusammen. Das ist ein Thema, das sich durch sämtliche Ökosysteme durchdeklinieren lässt. Korallenriff, Wald,  Moor – alles in Zeiten des Klimawandels. Da bewegt sich etwas – und über Veränderungen zu schreiben ist natürlich spannend. Das andere sind Öko-Themen, die mit der eigenen Lebensqualität zu tun haben und mit ethisch korrektem Konsum. „Wo kommt mein Essen her“? „Woraus besteht eigentlich meine Kleidung?“ Das hat vor einiger Zeit eingesetzt – und ich sehe da auch noch kein Ende.

In welchen Medien laufen diese gut?

Das geht quer Beet. Was aber meiner Meinung nach wirklich fehlt ist ein Magazin wie Landlust, übersetzt in richtig guten ökologischen Journalismus. Ein Naturmagazin, das auf Themen vor der Haustür setzt, frisch und modern daher kommt – und sich möglichst auch noch blendend verkauft.

Themen vor der Haustür – wo kann ich dafür Anstöße finden? Gibt es Seiten, die Sie zur Themenfindung empfehlen können?

Es gibt die Seite Biodiversity des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung in Leipzig. Da gucke ich hin und wieder drauf  oder rufe bei deren Pressestelle an, wenn ich einen Experten suche. Mongabay.com besuche ich häufiger und auch environment360.yale.edu kann ich empfehlen.

Und wie gelingt es darüber hinaus, Themen rund um Biodiversität spannend zu gestalten, also aus den Fakten Geschichten zu entwickeln?

Ich versuche wirklich bei jedem Thema, mir ganz neu Gedanken zu machen, wie ich das eindrehe. Natürlich auch gemeinsam mit den Kollegen aus der Redaktion. Ein paar Möglichkeiten, Naturgeschichten anzugehen, finden sich toll beim Nieman Storyboard in Havard zusammengefasst. Ich suche mir gerne einen guten Protagonisten, also oft einen Forscher, der lebendig erzählen und den ich bei einer Aktivität begleiten kann, hin zu einem bestimmten Ziel. Das hat allerdings den Nachteil, dass wieder ein Mensch im Mittelpunkt steht und nicht das Tier oder die Pflanze oder das Ökosystem, um das es gerade geht.

Aber ich finde, mit einem Helden kann man sich gut identifizieren – und dann wird das, was er da interessant findet, plötzlich für einen selbst spannend. Manchmal bietet es sich auch an, ein Thema formal ungewöhnlich umzusetzen. Bei einer Geschichte haben wir das so aufgelöst, dass ein Experte und ich uns E-Mails geschrieben haben, und diesen Austausch haben wir dann abgedruckt. Was auch gut funktionieren kann, aber gerade ein wenig ausgelutscht ist, sind die Sachen, bei denen man bei sich selbst anfängt. Also sich über etwas wundert und dann mit der Recherche loslegt.

In welchen journalistischen Formen bereiten Sie diese Themen auf?

Ich habe das Glück, dass ich bei GEO lange Strecken schreiben kann, und entsprechend schreibe ich oft Reportagen.

Haben Sie so ein Paradebeispiel im Kopf? Oder eine Geschichte, auf die Sie selbst stolz sind?

Vor zwei Jahren war ich das erste Mal im Kongo, um über den Virunga-Nationalpark und seine Berggorillas zu schreiben. Ein unglaublich artenreicher, überwältigend schöner Park, in dem nach Erdöl gesucht werden soll. Eine sehr bewegende Geschichte. GEO hat dann ein Spendenprojekt ins Leben gerufen, und die Leser haben einen sechsstelligen Betrag gespendet, um den Park und seine Ranger zu unterstützen. Ich schreibe nicht, um die Welt zu verändern, aber in diesem Fall bin ich doch froh und stolz, dass wir helfen konnten.

Erstveröffentlichung: 24.9.2014

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