Interview: Jonathan Linker

Bernward Janzing

Bernward Janzing ist einer der profiliertesten journalistischen Experten zu erneuerbaren Energien und Energiewende. Er hat mehere Bücher dazu verfasst (Quelle: privat)

Die Energiewende gilt vielen in Deutschland als zu teuer, es wird viel geredet über den Strompreis. Gibt es Möglichkeiten, das EEG volkswirtschaftlich effektiver zu gestalten? Die IEA lobt das EEG in ihrem aktuellen „World Energy Outlook“ als Werkzeug für eine schnelle und kosteneffiziente Energiewende.

Das EEG ist, wie sich am bisherigen Ausbau der erneuerbaren Energien rückblickend zeigt, eine hervorragende Sache; es hat die verschienenen Technologien erheblich vorangebracht. Kein anderes Fördersystem hat sich weltweit als so wirkungsvoll erwiesen, wie Einspeisegesetze. Die massiven Fortschritte in der Photovoltaik haben zwar viel Geld gekostet und werden durch die langfristigen Vergütungszusagen auch weiterhin Kosten verursachen, aber neue Anlagen bekommen inzwischen so wenig Einspeisevergütung, dass ich nicht weiß, was man da noch sinnvoll kürzen will. Große Photovoltaikanlagen bekommen heute schließlich nicht einmal mehr 10 Cent pro Kilowattstunde vergütet. Statt der Photovoltaik wird daher künftig wohl die Offshore-Windkraft der wesentliche Kostentreiber sein. Grundsätzlich ist eine Weiterentwicklung des EEG aber unbestritten nötig, wobei man an den wesentlichen Komponenten des EEG – dem Vorrang der Erneuerbaren, dem Anschlusszwang und einer definierten Einspeisevergütung – festhalten sollte.

Gelänge die Energiewende mit einem Quotenmodell nach schwedischem Vorbild besser und günstiger für die Verbraucher?

Nicht, wenn man am Ausbautempo der Erneuerbaren festhalten will. Und  Energiewende heißt ja nicht nur Bau neuer Erzeugungsanlagen. Die Energiewende ist auch die Dezentralisierung der Energieerzeugung, und das schafft keine Quote. Ein Quotenmodell fördert einseitig große Anlagen und einzelne Energieträger und das ist der falsche Weg. Der Charme der deutschen Energiewende liegt ja gerade in dem Mix der Energien, die auch aus Sicht eines optimierten Gesamtsystems allesamt nötig sind. Übrigens: Durch eine Quote würde gerade die von der traditionellen Energiewirtschaft betriebene Offshore- Windkraft hinten runter fallen, weil sie teurer ist als Solarstrom und Windkraft an Land. Auch Bioenergie hätte es mit einer Quote schwerer.

Das Quotenmodell geht also an der Realität der deutschen Energiewende und den Interessen der Akteure vorbei?

Wer ein  Quotenmodell propagiert, sollte bedenken, dass sich der Preis der Energiewende nicht nur an den Erzeugungskosten fest macht. Der Strom muss schließlich auch bei den Verbrauchern ankommen. Doch die Netzausbaukosten bleiben beim Quotenmodell unbeachtet. Mit Quote nämlich werden nur dort die Anlagen gebaut, wo die Erträge am höchsten sind. Doch auch norddeutsche Dächer sollten  mit Photovoltaik belegt werden, und ein Ausbau der Windkraft in Süddeutschland kann den Bedarf an Leitungen von Nord nach Süd senken.  Quoten regeln die räumliche Verteilung der Erneuerbaren also schlecht.

Es werden ja häufig die Modelle anderer Länder beworben. Machen andere die Energiewende denn besser als wir?

Es gibt kein Land, das man eins zu eins mit Deutschland vergleichen kann in dieser Frage. Punktuell findet man natürlich immer Länder, die schon weiter sind als wir, Dänemark zum Beispiel in Bezug auf Solarwärmenetze. Der Vergleich mit Dänemark in Sachen Windkraft hinkt aber schon wieder, weil die Dänen eben mehr Wind haben als wir. Bei der Solarwärme ist auch Österreich weiter als Deutschland – aber in seiner Gesamtheit gibt es kein Land, das bei der Energiewende derzeit so viel bewegt wie Deutschland.  Aber wir haben ja auch was Großes vor, schließlich hat die Atomkraft vor nicht langer Zeit noch 30% des Stroms geliefert. Schweden als Modell für die Quote heranzuziehen, ist auch etwas schräg, denn Schweden nutzt nicht einen solchen Mix an Erneuerbaren wie Deutschland, sondern in großem Stil die Wasserkraft. In Deutschland wollen wir eine Zusammensetzung mit Wind-, Wasser-, Sonnen- und Bioenergien, und da brauchen wir andere Instrumente. Kurz: Was die Energiewende in seiner Gesamtheit betrifft, gibt es kein Land, das etwas Ähnliches vorhat.

Noch-Umweltminister Altmaier spricht bei der Energiewende von einem gesamtpolitischen Projekt mit Industrie und Wirtschaft – die Energiewende ist heute aber in großen Teilen ein Projekt der Bürger und damit der Gesellschaft. Vergisst die Politik die Bürger bei der Energiewende?

In Berlin ist das offenbar noch nicht so richtig angekommen, dass die Energiewende ein Projekt von unten ist, angestoßen von Bürgern, Forschern, Unternehmen und Kommunen. Die Entwicklung der Energiewende war immer regional verankert, entsprechend ist das Bewusstsein bei den Bürgern und in den Kommunen auch für die gesellschaftlichen Aspekte der Energiewende sehr hoch. An der Basis der Akteure finden Quotenmodelle keine Akzeptanz, deshalb halte ich sie auch bis auf weiteres für politisch nicht durchsetzbar. Die Akteure an der Basis, die Betreiber von Kleinanlagen, darf man nicht ausgrenzen, wenn das Projekt gelingen soll. Es ist doch absurd sich vorzustellen, dass die vielen Kleinanlagenbetreiber ihren Strom an die Strombörse vermarkten sollen. Das halte ich für nicht praktikabel.

Aber auch die Gesellschaft empfindet zunehmend eine Planlosigkeit bei der Energiewende.

Ein Masterplan, von Berlin aus im Detail gesteuert, funktioniert nicht. Die Regierung sollte eher hergehen und den Menschen im Land sagen: Wir sind froh, wenn ihr was macht, wir brauchen euren Beitrag und unterstützen euch!

Was sind unterrepräsentierte Themen, was wird hochgespült? Sind soziale Aspekte der Energiewende ausreichend abgedeckt durch die laufende Preisdebatte?

Was regelmäßig untergeht ist das Thema Energieeffizienz, das auch zwingend zur Energiewende gehört. Da sind wir dann auch relativ schnell bei sozialen Themen. Wenn ich höre, wie hoch der Stromverbrauch ist manchen Haushalten ist, dann wird klar: Hier muss man ansetzen! Denn in einem Haushalt, der effizient mit Strom umgeht ist der Preis in der Regel kein kritisches Thema.  Wer Menschen davor schützen will, dass sie durch ihre Stromrechnung arm werden, muss energieverschwendende Technik aus dem Verkehr ziehen: Warmwasser mit Strom zu machen ist zum Beispiel ökonomisch und ökologisch nicht tragbar. Übrigens habe ich kürzlich eine Geschichte darüber geschrieben, dass Stromkunden von Ökostromanbietern durchschnittlich 20-30% weniger Strom verbrauchen als Kunden konventioneller Anbieter. Die Daten, auf die ich bei der Recherche stieß, fand ich sehr interessant.

Sind das aber nicht häufig auch einkommensstärkere Haushalte, die sich moderne effiziente Geräte leisten können?

Ein großer Teil der Einsparungen lässt sich durch überlegtes Verhalten  erzielen. Deswegen schließe ich daraus, dass der Wert von 20 bis 30 % tatsächlich einen Eindruck vom realistischen Einsparpotenzial in Haushalten gibt. Wenn ich mit Kunden von Ökostromern spreche, merke ich immer wieder, dass die sich oft viele Gedanken übers Energiesparen machen. Und sie sparen oft ohne jegliche Investitionen, schlicht auch indem sie Geräte halt ausschalten, wenn sie die nicht brauchen. Interessant ist übrigens auch, dass die Kunden des Ökostrom-Pioniers EWS Schönau auch in der Gruppe aller Ökostromkunden die sparsamsten sind – und die beste Stromsparbroschüre, die ich kenne, kommt exakt von den EWS zusammen mit dem Bund der Energieverbraucher.  Das, finde ich, sagt doch viel.

Je mehr Ökostrom, desto geringer wird also die Durchschnittsrechnung? Das klingt erst mal paradox. Auf der anderen Seite gibt es auch Anbieter, die sagen: Energie ist kostbar und wer von einem Jahr aufs nächste Strom einspart, der bekommt eine Prämie von uns.

Auch das ist eine schöne Idee, die zeigt: Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, da ist jeder gefordert, da muss jeder mitmachen. Und deswegen bin ich der Meinung, dass man erst einmal alle Potenziale der Energieeffizienz ausschöpft, bevor man anfängt, steigenden Energiekosten aus den Sozialetats hinterherzufinanzieren.  Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, die Energiewende sei eine Sache alleine der Regierung, um die wir uns als Bürger nicht kümmern müssen.

Volkswirtschaftlich wäre es also sinnvoller, die Politik würde die Energiewende als Chance kommunizieren?

In jedem Fall. Aber man muss auch bedenken: Es gibt noch genug Leute, die die neuen Energien nicht wollen. Ich habe den Eindruck, dass manche davon auf eine selbsterfüllende Prophezeiung hoffen, wenn sie schlechte Stimmung verbreiten. Natürlich müssen in einem solchen großen Projekt , wie der Energiewende immer wieder Details nachgebessert werden – aber insgesamt sind wir mit der Energiewende auf keinem schlechten Weg.

Haben es Umweltthemen im Journalismus allgemein im Vergleich zu anderen Themen schwerer?

Umweltthemen sind sehr vielschichtig, das macht sie schwierig. Umweltkatastrophen, die als Aufreger taugen, sind natürlich immer leichter darzustellen als wenn man analytische Themen  aufgreift. Aber das ist eine grundsätzliche Sache, die auch andere Themen betrifft. Die Medien sind nach meiner Erfahrung immer sehr aufgeschlossen gegenüber technischen Lösungen von Umweltproblemen. Wenn es aber um Lösungen geht, die auch gesellschaftliche Fragen tangieren, wird es schwerer, sie zu platzieren.  Nehmen wir mal das Thema Elektrofahrzeuge, wo alle Aspekte, die über die reine Beschreibung der Technik hinaus gehen schwerer vermittelbar sind.  Doch um E-Fahrzeuge wirklich in großem Stil zu etablieren, muss man die Strukturen des Mobilitätssystems anpassen: Elektromobilität ist vor allem Sinn in Carsharing-Angeboten, sinnvoll, weil man sich dann situationsbezogen für den einen oder den anderen Antrieb entschieden kann. Aber solche Debatten fallen leider viel zu oft hinten runter.

Inwieweit darf ein Journalist sich denn für ein Thema engagieren? Der ehemalige Tagesthemen-Moderator Hans Joachim Friedrichs wird häufig damit zitiert, ein guter Journalist mache sich nicht gemein mit einer Sache, sei es auch eine gute Sache.

Journalisten dürfen sich engagieren und müssen es auch. Wenn Medien zum Beispiel über ein Erdbeben berichten und zu Spenden aufrufen, dann machen sie sich streng genommen ja auch mit der Not der Menschen gemein, deshalb unterstelle ich mal, dass das Friedrichs-Zitat nicht so grundsätzlich gemeint war. Und ähnlich, wie man sich für Opfer einer Naturkatastrophe engagiert, kann man sich auch für eine lebenswerte Umwelt einsetzen, wenn man zu der Einsicht gelangt ist, dass die Erde ein Ort ist, den man schützen muss. Die Grenze befindet sich immer dort, wo es um Partialinteressen geht.  Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass Solarenergie eine gute Sache ist, darf man das auch schreiben, denn saubere Luft kommt allen zugute. Das aber darf natürlich nicht mit Lobbyarbeit für Brancheninteressen verwechselt werden.

Sie engagieren sich für erneuerbare Energien, wie sind Sie dazu gekommen?

Ich bin Naturwissenschaftler und habe mich schon immer für Wissenschaft und Technik interessiert. Wenn man nun mit diesem Hintergrund in die  Redaktion einer Tageszeitung kommt, dann bekommt man eben die Umweltthemen auf den Tisch – und genau die wollte ich ja auch machen. Am Anfang habe ich alle Themen bearbeitet, die irgendwie mit Umwelt und Wissenschaft zu tun hatten, vom Ozonloch bis zur Müllentsorgung, von Pestiziden bis zur Verkehrstechnik. Während meines Volontariats bei der Badischen Zeitung und in den Jahren danach, als ich als freier Journalist gestartet war, kamen die Erneuerbaren immer stärker auf und das Interesse der Medien an Beiträgen über dieses Thema war groß – das hat meine Spezialisierung dann vorangetrieben. Andere Themen, die auch interessant gewesen wären, sind dann zunehmend hinten runter gefallen. Das ist manchmal etwas schade, aber andererseits ist das Energie-Thema nach wie vor ein unglaublich spannendes.

Aus meinem naturwissenschaftlichen Hintergrund heraus resultiert, dass ich versuche, mich stets auf nüchterne Analysen zu stützen. Nehmen wir zum Beispiel die Atomkraft, die aus meiner Sicht keine ideologische Frage ist. Für mich zählen handfeste Gründe:  das Unfallrisiko, die ungelösten Fragen der Entsorgung des Atommülls, die katastrophalen Verhältnisse  beim Uranabbau. Wenn diese Probleme allesamt gelöst wären, gäbe es keinen Grund, gegen Atomenergie sein. Das aber ist nicht absehbar, und deswegen lehne ich die Atomkraft ab. Was ich damit sagen will: Journalisten dürfen und müssen nach sachlicher Analyse auch Positionen einnehmen, aber sie dürfen keinen Gesinnungsjournalismus betreiben. Sie sollten grundsätzlich offen sein, ihre Positionen immer wieder zu hinterfragen, wenn sich neue Fakten ergeben. Wenn jemand eine Ideologie hat, dann hinterfragt er sie jedoch nicht mehr.

Was ist Ihr Ziel, wofür arbeiten Sie?

Ich möchte, dass sich Menschen Gedanken machen über ihre Zukunft, die natürlich eng mit der Zukunft der Erde zusammenhängt. Das Thema finde ich fundamental wichtig. Mein Ziel ist es, dass die künftigen Lebensbedingungen auf der Welt besser werden und ich möchte dies über den Weg der Information erreichen. Grundsätzlich möchte ich Diskussionen anstoßen und sachlich voran bringen. Wir sind heute in der Situation, dass Menschen  zwar sehr unterschiedliche Meinungen haben, aber immer weniger eine vernünftige Debatte darüber führen können oder wollen. Doch die Demokratie braucht intensive aber sachliche Debatten, keine dieser Pseudo-Debatten, die man heute Shitstorm nennt. Journalismus kann und muss daher gesellschaftliche Debatten anzetteln aber auch zwischen Positionen vermitteln. Ich möchte, dass die Menschen sich mit den relevanten Themen beschäftigen, und präzise argumentieren.  Ich möchte mithelfen zu verhindern, dass die Gesellschaft sich nur noch mit oberflächlichen Twitter-Meldungen beschäftigt – ich will politische Debatten nicht in die Trivialität abrutschen lassen. (Erstveröffentlichung 14.10.2014)

Bernward Janzing führt seit 1995 ein eigenes Pressebüro und schreibt für verschiedene deutsche Tages- und Wochenzeitungen wie die Frankfurter Rundschau, Zeit und Spiegel.

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