Jedes zweite Produkt im Supermarkt enthält Palmöl

In der Hälfte unserer Supermarktprodukte ist es enthalten, und es ist das weltweit am meisten verwendete Pflanzenöl: Palmöl. Das allgegenwertige Produkt ist der Grund dafür, dass Kleinbauern in Indonesien und Malaysia ihr Land geraubt wird. Und Großkonzerne in den Industrieländern saftige Gewinne machen. Riesige Regenwaldflächen werden für die Palmölplantagen gerodet, wobei klimaschädliche Gase in die Atmosphäre gelangen. Neben der Erderwärmung verschwinden mit den Bäumen auch gleichzeitig seltene Tierarten. Laut WWF ist vor allem der Orang-Utan, der Borneo-Zwergelefant und der Sumatra-Tiger gefährdet. Neben den Tieren sind Kleinbauern und Ureinwohner, die unter der Palmölproduktion leiden. Sie werden oft von ihrem Land vertrieben, bedroht, geschlagen oder verhaftet, sobald sie sich gegen den Landraub wehren.

Dabei sind es wir Konsumenten, die mit ihrem Einkauf die Abholzungen in Südasien vorantreiben.  Würden wir stärker darauf achten, was in unseren Einkaufswagen kommt, ginge die Nachfrage nach Palmöl zurück. Denn einzig und allein wegen der hohen Nachfrage wird Palmöl im Sekundentakt hergestellt. Doch es könnte auch anders gehen. Wie, das möchte ich zwei Wochen lang testen – in einem palmölfreien Selbstversuch, bei dem ich von meinen Niederlagen und Erfolgen berichte. Und auf die Alternativen zu Palmöl eingehe,  die es bereits gibt.

Tag 1

Es ist Mitte Dezember und meine 14 palmölfreien Tage können beginnen. Doch bevor es losgeht, muss ich mich zunächst genauer darüber informieren, in welchen Produkten denn nun das „Teufelszeug“ enthalten ist. Es ist nämlich gar nicht so einfach herauszufinden, ob Kosmetika, Nahrungsmittel oder auch Reinigungsmittel Palmöl beinhalten. Palmöl wird nämlich vorwiegend zur Herstellung von Emulgatoren verwendet. Zum Verständnis: Emulgatoren sind Hilfsstoffe, die zwei nicht miteinander mischbare Flüssigkeiten, wie zum Beispiel Öl und Wasser, zu einem fein verteilten Gemisch vermengen. Palmöl ist somit in fast allen Kosmetikprodukten enthalten. Die Hersteller machen es ganz geschickt und verwenden kryptische Bezeichnungen wie „Sodium Lauryl Sulfoacetate“, „Cetyl Palmitate“ oder „Glyceryl Stearate“. Als Käufer gibt man sich selten die Mühe, derartige Inhaltsstoffe zu hinterfragen. Um den Überblick in diesen zwei Wochen zu behalten, erstelle ich mir eine Liste mit allen potenziell palmölhaltigen Inhaltsstoffen. Nach kurzer Recherche im Internet erhalte ich mehrere Bezeichnungen für Palmöl. So erkenne ich auf den ersten Blick, ob ich es nun verwenden darf oder nicht. Bisher sind es 14 Inhaltsstoffe auf meiner Liste.

Nicht ohne mein Nutella

Nach dem Aufstehen schaue ich zuerst, ob meine Tagescreme Palmöl enthält. Denn nach dem Zähneputzen ist sie das erste Kosmetikprodukt, das ich täglich benutze. Und siehe da, die beliebte Creme aus der blauen Dose enthält Palmöl. Als ich mich im Internet über Alternativen schlau mache, springt mir schnell die palmölfreie Tagescreme von Dr. Hauschka ins Auge. 18 Euro für 30 ml sind zwar nicht gerade sehr günstig, jedoch wirbt sie nur mit natürlichen Inhaltsstoffen. Also ab damit in den Online-Einkaufswagen, noch vor dem Frühstück.

Beim Frühstücken komme ich schon früh an meine Grenzen. Auf einen der beliebtesten Brotaufstriche und meinen täglichen Begleiter muss ich nun verzichten: Nutella. Ob beim Frühstück, mit einer Schüssel Obst oder einfach nur mit dem Löffel – ich gebe gerne zu, „nutellasüchtig“ zu sein und den Belag überall draufzuschmieren. Ich erinnere mich jetzt aber an eine Fernsehreportage, die alle Zutaten der beliebten Schokocreme unter die Lupe genommen hat: Nutella besteht zu rund 20 Prozent aus Palmöl. Ein Fünftel pures Fett. Das bringt mich nun zum Nachdenken. Umso motivierter bin ich jetzt, vorerst auf Nutella zu verzichten.

Die Alternative heute: ein einfaches Omelett mit Olivenöl. Ich mache mich dann auf den Weg zu einer Verabredung. Kurz überlege ich, das Auto zu nehmen. Ich müsste jedoch noch tanken. Schnell verwerfe ich den Gedanken wieder. Ich nehme die Bahn. Denn was sehr wenige wissen: Sogar im Tank steckt Palmöl. Genau genommen sind es zehn Millionen Liter. So viel Palmöl mischen Europas Tankstellenkonzerne laut der welt.de dem Diesel täglich bei. Grund dafür ist eine per Gesetz verordnete EU-Biokraftstoffquote. Diese fordert die Mineralkonzerne dazu auf, dem Diesel sieben Prozent Bioanteile beizumischen. Die Beimischung soll ursprünglich dazu beitragen, dass der Straßenverkehr weniger Schadstoffe ausstößt. Experten zufolge ist die Klimabilanz jedoch durch die erhöhte Beimischung von Palmöl viel verheerender. Palmöl ist die reinste Umweltkatastrophe, auch als gut gemeinter Benzinzusatz.

Kaffee und Kuchen ohne Kaffee und Kuchen

Angekommen im Café unterhalte ich mich mit meiner Freundin über mein Projekt. Sie runzelt die Stirn. Und weiß nicht viel mit dem Begriff Palmöl anzufangen. Ich kläre sie auf. Die Kellnerin kommt und nimmt die Bestellung auf. Diesmal gibt es statt Kaffee und Kuchen für mich nur einen Tee. Sicher ist sicher. Denn auch der Käsekuchen enthält Palmöl. Nach dem Treffen gehe ich zum Alnatura und möchte mich für die kommenden 13 Tage wappnen. Da ich gerne nasche und nicht gänzlich darauf verzichten möchte, mache ich mich auf die Suche nach Süßem. In „schokoladigen“ Süßigkeiten kommt Palmöl nämlich besonders häufig vor. Die Schokobutterkekse im Bioladen könnten eine gute Alternative zur sonstigen Prinzenrolle sein. Auch das palmölfreie Knusper-Bär-Müsli, das Sonnenblumenöl enthält, kommt in meinen Einkaufswagen.

Nach dem für Nahrungsmittel gesorgt ist, mache ich noch einen Abstecher zu Rossmann: Es müssen auch neue Kosmetikartikel her. Denn sogar in Shampoos, Körperlotionen, Abdeckcremes oder Seife ist Palmöl drin. Da ich vorher recherchiert habe, weiß ich, welche Marke kein Palmöl enthält. Ich laufe zu der kleinen Kosmetikabteilung von Alterra und klappere mit meiner Verbotsliste in der Hand die Regale ab. Apropos Liste. Diese ist inzwischen viel länger geworden, da ich beim Recherchieren immer mehr Bezeichnungen für Palmöl gefunden habe. Erstaunlich, wie ein Wort so viele „Gestalten“ annehmen kann.

Doch zurück zu meinem Einkauf: Bei einem Shampoo hat sich der Übeltäter als Lauryl versteckt. Ansonsten scheint der Rest des Einkaufs „sauber“ zu sein. Was mir langsam auffällt: der Selbstversuch kostet sehr viel Zeit. Und ebenso Geld. Denn die Produkte ohne Palmöl sind fast immer teurer als die klassische Alternative.

Tag 2-5: Der Adventskalender bleibt geschlossen

Nachdem der erste Tag heil überstanden ist, setze ich mir Regeln, um das Palmöl auf meinem Teller zu verhindern: So gut es geht, das Essen von draußen vermeiden, bei Süßigkeiten und Naschereien nicht schwach werden und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Meine Kosmetikprodukte ohne Palmöl habe ich; beim Essen suche ich aber noch nach dem richtigen Weg. Um auf Nummer sicher zu gehen, will ich jetzt nur noch frisch kochen und Fertigprodukte vermeiden. Denn oft steckt in fertiger Tomatensauce, Nudeln oder Fertigpizza das Palmöl. Ich erstelle mir einen Speiseplan und schreibe all die Gerichte auf, die ich in den nächsten Tagen selbst kochen möchte. Sei es das Kartoffelgratin, der afghanische Reis oder die selbstgemachte Pizza.

Auf dem Weg zur Arbeit – ich bin nur noch mit der Bahn unterwegs –  würde ich mir normalerweise ein Stückchen vom Bäcker holen. Da auch die meistens Palmöl enthalten, muss ich aber darauf verzichten. Meine Schicht im Burgerladen hat begonnen, wo ich mich mit einem Kollegen über den Selbstversuch unterhalte. Auch er weiß nicht sehr viel über die verheerenden Folgen des Palmfetts. Und hört mir vielleicht auch deshalb neugierig zu. Zur Mittagspause mache ich mir einen Veggieburger, der nur aus Kichererbsen, Koriander, Petersilie und einigen Gewürzen besteht. Das Türchen am Adventskalender auf der Arbeit darf ich nicht öffnen. Denn die kleinen Tafelschokoladen darin enthalten Palmöl. Kurz zögere ich. Und denke, dass mein Experiment an dem einen Schokoladenstückchen doch nicht scheitern würde. Doch Nein! Ich beherrsche mich.

Die nächsten drei Tage verlaufen alle ähnlich. An allen drei Tagen muss ich jeweils acht Stunden arbeiten und ich kann diese gut planen. Auch daher laufe ich nicht Gefahr, Palmöl zu verzehren. Mein Chicken-Curry mit Reis, das ich zuhause gekocht habe, nehme ich mit und esse es, umgeben von Bratfett und Burgern. Die kleinen Snacks, wie mein Riegel zwischendurch oder der Löffel Nutella, fehlen mir dennoch ungemein. Ich halte aber durch.

Tag 6-10: Die Chicken-Nugget-Schlange

So langsam gewöhne ich mich an die Umstellung, habe jedoch nach wie vor einen großen Drang nach Süßem. Die Schokokekse und die Müsliriegel von Alnatura befriedigen meinen Gaumen bei weitem nicht so wie die Daim-Milkaschokolade oder das Nutella. Ist wohl Gewohnheitssache. Woran ich mich aber gewöhnen könnte, ist das frische Zubereiten meines Essens. Ich fühle mich besser ernährt. Und esse so auch mehr Obst und Gemüse.

Den sechsten Tag überstehe ich gut. Als ich dusche, fällt mir das geruchsneutrale Shampoo ohne Palmöl auf. Die Konsistenz ist etwas flüssiger, und es schäumt auch nicht wie die herkömmlichen Shampoos. Die bestellte Tagescreme ist auch schon angekommen und fühlt sich ziemlich geschmeidig auf der Haut an. Ihre Vorgängerin war eher fettig und schwer zu verteilen.

Einer großen Hürde begegne ich am zehnten Tag, nach der Vorlesung in der Mensa. Ich stehe mit meinen Kommilitonen an der Essenstheke und beobachte, wie sich alle hektisch in die Schlange stellen. Es gibt heute Chicken-Nuggets. Ich habe mir aus Faulheit nichts selbst mitgenommen; leider passt die Auswahl in der Mensa aber überhaupt nicht zu meinem palmölfreien Leben. Weder die Nudeln noch die Vier-Käsepizza kann ich mir kaufen, denn auf Fertigprodukte wollte ich ja verzichten. Da ich mir bei keinem der Gerichte sicher bin, lasse ich das Mittagessen ausfallen. Trotz Hunger. Während alle am Esstisch ihre Mahlzeiten zu sich nehmen, lasse ich meinen Blick durch den Raum und die Studentengruppen an den Tischen schweifen.

Ich frage mich, wem hier bewusst ist, was Palmöl anrichtet. Und dass es so oft in unseren Mahlzeiten vorkommt. Ich hatte es vorher zwar immer im Hinterkopf, verdrängte die Tatsache jedoch, da ich alleine ja schlecht die „Welt verändern“ kann. Dachte ich. Mittlerweile denke ich anders. Denn es reicht, wenn eine Person den Anfang macht. Der Rest wird sich anschließen, vielleicht. Aber darauf kommt es nicht so sehr an. Wenn es einige sind, habe ich schon etwas erreicht: In zehn Tagen habe ich mein Umfeld über Palmöl aufklären können, auf der Arbeit, an der Hochschule, in der Familie – als aktives Beispiel. Und nicht nur mit Informationen aus zweiter Hand.  Was sie alle mit meinen Botschaften und Erfahrungen letzten Endes jedoch anfangen, ist ihnen überlassen.

Tag 10-14: Viel Fett aber kein Palmöl

Die letzten fünf Tage sind angebrochen und ich muss zugeben, dass diese nicht einfach sind. Denn es stehen viele Familientreffen mit Einladungen und großen Essen an. Nicht nur der Weg wird ein kleiner Verstoß sein, obwohl genau genommen nicht ich selbst mit dem Auto fahren muss. Und auch nicht ich das Benzin tanke. Dennoch fühle ich mich etwas schuldig, da ich in diesen zwei Wochen komplett auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen wollte. Nun ein erster Verstoß. Meine Familie habe ich auch in den  Selbstversuch eingeweiht. Erst nach längeren Erklärungen haben sie den Sinn dahinter verstanden. Und zweifelten anfangs, dass ich es tatsächlich zwei Wochen lang durchhalte. Auch ihnen war die Omnipräsenz des Palmöls nicht bewusst.

Mittlerweile bin ich aber fast am Ende. Und habe es geschafft, gänzlich auf Palmöl verzichten. Bei den Gastgebern muss ich jetzt aber nachfragen, wie alles zubereitet wurde. Da bei Afghanen immer frisch gekocht und alles selbst zubereitet wird, läuft mein Selbstversuch keine Gefahr, vorzeitig abgebrochen zu werden. Das ganze Rindfleisch, das Hähnchen und der Reis baden zwar regelrecht im Öl, jedoch nicht im Palmöl. Erst bei dem Anblick der Desserts muss ich mich beherrschen, nicht einfach zuzugreifen.

Über zehn Tage habe ich nichts „richtig Süßes“ gegessen, also Sachen mit dem fettigen Palmölgeschmack. Die Alternativ-Schokokekse haben mir nämlich nicht wirklich geschmeckt. Ich behalte jetzt aber dennoch die Kontrolle über meinen Heißhunger und muss verwirrte Blicke ertragen. Wer sagt denn schon Nein zu einem „Schokobrownie mit Sahne“. Ich erzähle den Verwandten von meinem Selbstversuch. Die Neugier ist groß; Fragen prasseln auf mich ein.: „Im Tank ist das auch drin? Und bei Nutella auch?“. Jetzt macht es Spaß, meine Erfahrungen aus zwei Wochen weiterzugeben.

Es geht auch ohne

Es wird auch Zeit für eine Bilanz. Erste Erkenntnis: Das Ausmaß meines immensen Palmölkonsums war mir vorher nicht bewusst. So wie viele Andere dachte auch ich, dass Palmöl eine einfache Alternative zu den teureren Ölen ist. Unbedacht kaufte ich Fertigprodukte, löffelte Unmengen an Nutella, ohne zu wissen, dass da ein Stückchen Regenwald auf meinem Teller liegt.

Apropos Nutella, und damit zweite Erkentnis!: Um ehrlich zu sein, werde ich in Zukunft nicht ganz auf die braune Creme verzichten können, auf die Menge werde ich aber achten. Genauso wie auf meine täglichen Mahlzeiten. Denn frisch Kochen reduziert nicht nur den Palmölverbrauch, es ist insgesamt gesund und ließ mich obendrein immer kreativer als Köchin werden. So habe ich zum Beispiel zu meinen Spaghetti nicht die herkömmlichen passierten Tomaten verwendet, sondern aus frischen Tomaten meine eigene Sauce zubereitet.

Dritte Erfahrung: Es gibt Alternativen in den Regalen, auf die ich auch nach meinem Selbstversuch zurückgreifen werde. Das ist die langfristige Wirkung, von der ich zumindest jetzt ausgehe. Und viertens: An den Punkt, den Selbstversuch abzubrechen zu wollen, bin ich nicht wirklich gekommen. Was nur beweist, dass es nicht ganz so schwer ist, auf Palmöl zu verzichten oder den Verbrauch zu reduzieren. Meine anfangs recht kurze Verbotsliste ist in den 14 Tagen jedoch stark gewachsen. Und Palmöl taucht dort nun in mehr als zwei Dutzend Bezeichnungen auf. Ein genaueres Hinsehen bei den Zutaten ist also geboten. Es ist zwar aufwendig. Und man muss auch tiefer in die Tasche für Alternativen greifen. Dennnoch sollte man die brennenden Wälder und das Artensterben denken; so abgedroschen es vielleicht klingt. Denn darum geht es im Kern.

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