Im Winter war es, als ich einen Imker bei seiner Arbeit begleitete. Er nahm den Deckel einer Kiste ab, woraufhin sich manche Bienen aus der wohligen Wintertraube lösten, zu der sich das Volk gegen die eisigen Temperaturen zusammengedrängt hatte. Einige von ihnen sahen vorsichtshalber nach dem Rechten, flogen hinaus, direkt am Imker vorbei. Es war wieder einmal Zeit für die nächste Milbenbehandlung. Da sah ich eine einsame Arbeiterbiene tot im Schnee liegen. Einige andere waren auf dem Boden der Bienenkiste zu sehen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, gehört das Sterben doch zum Leben eines Bienenvolkes dazu. Und trotzdem war das Bild der Bienenleichen bedrückend. Denn die Todesfälle nehmen drastisch zu – hier und auf der ganzen Welt. Die Ursachen für das Verschwinden sind vielfältig; eindeutig ist ihr maßgeblicher Verursacher: der Mensch. (Foto: Freya Helmstätter)

Landwirte benutzen Insektizide, um die Ernten vor gefräßigen Insekten wie Käfer oder Raupen zu schützen. Dabei vergiftet sie auch Bienen. Ob als Spritzmittel oder in Form von behandeltem Saatgut, die wasserlöslichen Nervengifte verteilen sich in Pollen und Nektar. Spätestens dann, wenn die Saat zu wachsen beginnt, verbreitet sich Insektizide in der gesamten Pflanze, von der Wurzel bis zum Blütenstempel. In den meisten Fällen töten die Mittel Bienen nicht sofort. Blüte für Blüte nehmen sie immer wieder kleine Mengen auf, bis die Wirkung eintritt. Manche Bienen werden fluglahm, andere orientierungslos. Dann verirren sie sich, müssen lange nach Nahrung suchen, verhungern. Oder finden nicht mehr in ihren Bienenstock zurück. In solch einem geschwächten Zustand sind sie leichte Beute für Fressfeinde und Parasiten. Sie tragen auch Spuren der Insektizide in den Bienenstock hinein und verunreinigen damit den Honig, der ihnen selbst ja wieder als Nahrung dient. (Foto unter https://pixabay.com/de/landwirtschaft-unkrautvernichtung-2361978/)

Mit den Monokulturen und Chemikalien der industriellen Landwirtschaft verlieren Wiesen und Äcker auch ihre Pflanzenvielfalt. Agrarlandschaften entstehen – eintönig und monoton. Doch auch Rasenflächen sind gemäht, in Parks oder Gärten. Die Landschaft ist insgesamt aufgeräumt. Bienen finden hier aber nicht mehr so viele Blüten wie früher. Erstaunlicherweise finden sie in und um Städte sogar oft mehr Nahrung, weil es zwischen all den Betonbauten und Straßen noch immer saftige Grünstreifen, blühende Gärten, intakte Parkanlagen oder engagierte Bienenhalter gibt, die für die Blütenvielfalt sorgen. Die Honigerträge sind in Städten teils sogar doppelt so hoch wie auf dem Land. Ein Grund dafür ist auch die kurze Blütezeit mancher Monokulturen, die keine dauerhafte Bienenweide mehr sind; schnell sind ganze Felder abgeerntet und sämtliche Pflanzen gemäht – zu kurz für Bienen, um hier ausreichend Pollen und Nektar zu finden. Auch landwirtschaftliche Maschinen sind für den Bienentod mit verantwortlich: manche Tiere sterben, wenn sie im betört im Löwenzahn sitzen und dann in die Maschinen geraten, weil sie nicht schnell genug wegfliegen konnten. (Foto: Freya Helmstätter)

An der zunehmend aufgeräumten und artenarmen Landschaft leiden nicht nur Honigbienen. Auch andere Bienenarten verschwinden durch kleiner werdende Lebensräume. Blaue Holzbienen haben beispielsweise die Angewohnheit, in Totholz zu nisten. Weil die Behörden aber aus Ordnungswut immer wieder abgestorbenes Holz aus Wäldern oder Parks entfernen, finden die drei Zentimeter großen Brummer nur bedingt Unterschlupf. Doch genau wie Honigbienen brauchen Holzbienen geschützte Nistplätze, die auch zum Überwintern dienen. Die blaue Holzbiene ist nur eine von vielen Wildbienen. Mehr als 550 unterschiedliche Arten gibt es in Deutschland, wobei etwa zwölf Prozent von ihnen bedroht sind. Ihr Nahrungsangebot ist meist noch eingeschränkter als das der Honigbienen, da sie sich oft auf bestimmte Pflanzen spezialisieren. Dabei sind Wildbienen wahre Bestäubungskünstler. Sie fliegen selbst bei Regen und starkem Wind hinaus – dann, wenn Honigbienen in ihrem Staat bleiben. Wilde Bienen hätten die öffentliche Aufmerksamkeit nicht nur deshalb auch verdient. Vermutlich deshalb, weil sie als einzige Bienenart Honig produzieren, der Menschen unmittelbar zu Nutze kommt. (Foto: Annika Pflug, Bienenzüchterverein Darmstadt und Umgebung e.V.)

Bienen sind von unschätzbaren Wert: Jeder dritte Happen, den ein Mensch an Lebensmittel zu sich nimmt, ist durch ihre mühselige Bestäubungsarbeit überhaupt erst möglich geworden. Ihr Fleiß macht sie für die Menschen zu wichtigen Nutztieren – den drittwichtigsten nach Rindern und Schweinen. Ob sie in Zukunft aber weiterhin noch so viel bestäuben können, bleibt fraglich. (Foto unter https://pixabay.com/de/biene-insekt-fr%C3%BChling-1321555/)

Rinder- und Schweine fressen Unmengen an Futter: 46 Millionen Tonnen, das sind fast zwei Drittel des welweit angebauten Getreides, landen in ihren Mägen. Davon Weizen, Gerste, Hafer und Roggen – jene Pflanzen, die für ihre Bestäubung Bienen nicht brauchen. Und auch oft nicht mehr, wie früher meist, von einem blühende Grünstreifen oder Hecken eingerahmt werden, die für Bienen gut wären. Dieser Streifen, die Ackerrandzone, ist von vielen Feldern verschwunden. Und mit ihr auch andere Arten wie Feldlärche, Rebhuhn oder Feldhase. Stattdessen schließen die Felder auf, lückenlos bis zur Straße. Gülle und Kunstdünger verschärfen die Lage. Uns so ist es nicht mehr der Duft von Blüten, der von den Feldern her weht, sondern oft der Gestank von Dung. Das Nitrat verseucht zugleich den Boden, die Pflanzenvielfalt leidet auch darunter. Die erneuten Folgen: trostlose Landschaften, blütenlose Einöden. Eine bienenleere Welt. (Foto unter: https://pixabay.com/de/k%C3%BChe-futter-fressen-bauernhof-552946/)

Ein großes Problem bleibt der hohe Fleischkonsum. So zeigt der aktuelle Ernährungsreport, dass 30 Prozent der Deutschen tagtäglich Fleisch und Wurstwaren essen. Wäre die Nachfrage nicht so groß, müssten nicht mehr so viele Nutzpflanzen für die Mast von Rindern und Schweinen verschwendet werden. Die Menge an verfüttertem Getreide bekommt der Mensch durch die Fleischproduktion keinesfalls zurück. Im Gegenteil: auf 100 Kalorien Nutzpflanzen kommen zwischen 17 bis 30 Kalorien Fleisch. (Foto: Freya Helmstätter)

Die Probleme liegen aber nicht allein am kleiner werdenden Lebensraum. Denn auch Parasiten machen den Bienen zu schaffen. Es sind winzige, braunrote Varroamilben, die nach Europa mit asiatischen Bienen kamen, die Wissenschaftler zu Forschungszwecken einführten. Seither gibt es diese Parasiten überall, wo es Honigbienen gibt, die Ausnahme bleibt Australien. Seit vier Jahrzehnten beklagen Imker den Befall der Bienenvölker mit der Milbe; ein Entrinnen gibt es kaum. Die asiatischen Artgenossen können sich allerdings gegen die Milben zur Wehr setzen, westliche Honigbienen nicht. (Foto: Freya Helmstätter)

Alleine schaffen Bienen es nicht, die Milbe wieder loszuwerden. Sie brauchen Hilfe. Im Winter, wenn das Bienenvolk brutfrei ist, beträufeln daher Imker die Wabengassen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, verdünnter Oxalsäure.. Je mehr Bienen durch die Spritze vorsichtig benetzt werden, desto besser: Ihr Putztrieb sorgt dafür, dass sich die Oxalsäure im Volk verteilt. Die Lösung übersäuert den Stoffwechsel der Bienen, was Varroamilben nicht leiden können. Sie verlassen ihren Wirt oder fallen durch den starken Putztrieb ab. Das ist allerdings nur eine von vielen Methoden, um gegen die hartnäckigen Varroamilben vorzugehen. Wenn sie nicht bekämpft werden, löschen die zerstörerischen Parasiten ganze Bienenvölker aus. Zum einen, indem sich die Milben an ihnen festbeißen und ihr Blut saugen. Über die Bisswunden gelangen die Erreger dann in den Bienenkörper. Das Tier wird krank; spezielle Viren können mit der Zeit sogar die Flügel verstümmeln. Zum anderen schwächen die Varroamilben die Brut, indem sich die Schädlinge in unverpuppte Zellen einnisten. Sie befallen dann die Larven und lassen auch die nächsten Generationen darunter leiden: Neu geschlüpfte Bienen sind dann wesentlich kleiner und schwächer. Sie überleben häufig nicht. (Foto: Freya Helmstätter)

Die Honigsammler haben auch auf anderen Kontinenten zu leiden. Teile Chinas etwa sind bienenfrei. Ganze Landstriche müssen dort nun mühselig von Menschenhand bestäubt werden. Chinesen klettern dafür auf Obstbäume und tragen mit Pinsel zuvor gesammelte Pollen auf jede Blüte einzeln auf. Schuld daran ist Mao Tse-tung. Er regierte vor 60 Jahren das ostasiatische Land. Um keine Ernteausfälle mehr hinnehmen zu müssen, ließ er zwei Milliarden Vögel töten. Spatzen, um genau zu sein. Sie fraßen ihm zu viel des kostbaren Korns, weshalb er der Bevölkerung befahl, die Tiere am Himmel zusammenzutreiben. Auf Töpfen und auf Trommeln schlagend, veranstalteten die Menschen tagelang einen höllischen Lärm. Solange, bis die Spatzen am Ende völlig erschöpft zusammenbrachen. Innerhalb weniger Tage sollen einmal mehr als 400 000 Tiere so gestorben sein. Mit der Ausrottung der Spatzen brach eine gewaltige Insektenplage aus. Die Gliederfüßer fraßen sich durch Felder und vernichteten ganze Ernten. Menschen hungerten deswegen. Und starben auch. Um die Insekten wieder loszuwerden, setzte China dann massiv Pestizide ein – ein fataler Fehler. Bis heute wagen sich Bienen nicht mehr in die betroffenen Gegenden.

In Nord- und Südamerika werden massenweise Honigbienen gehalten. Wanderimker fahren quer durch ganze Staaten – und dabei durch verschiedene Klimazonen – um mit Bienenvölkern ganze Landschaften zu bestäuben. Durchschnittlich 500 Staaten kann ein Imker auf einen Tieflader verfrachten. Eine Menge Bienen sterben durch den Transport. Denn sie müssen Tausende von Kilometern in Kisten ausharren und stehen dabei unter Stress. Denn sie haben keinerlei Möglichkeit auszufliegen. Können sie es später doch, sind sie verloren. Sie finden nicht mehr in ihren Bienenstock zurück, der quer durchs ganze Land gekarrt wurde. Alles geschieht, um eine monotone Obst- und Gemüseplantage nach der anderen zu bestäuben. Das hat noch weitere Auswirkungen: Neben den Pestiziden machen den Bienen auch Krankheiten zu schaffen, die sie sich durch den Kontakt mit fremden Bienenvölkern holen. Um die Massenbestäubung nicht zu gefährden und keine finanziellen Schäden zu erleiden, behandeln die Imker ihre Bienen mit Antibiotika. Zu allem Überfluss wird den Bienen auch der Honig weggenommen und die Insekten mit künstlicher Ersatznahrung abgespeist: Zuckerwasser. (Foto: Oregon Department of Transportation)

Manche Bienenvölker verschwinden aber auch einfach. Dann finden Imker nur noch zurückgelassenen Pollen, Honig und die Nachkommen. Einige tote Arbeiterinnen sind oft noch dort. Alle anderen haben den Bienenstock verlassen. Nur die Königin nicht. Von ihrem Volk im Stich gelassen, mit ihrer Brut und den Jungbienen sich selbst überlassen, thront sie noch einige Zeit. Das Phänomen trat erstmals Ende 2006 in den USA und in Kanada auf und wird seither „Colony Collapse Disorder“ genannt. Bislang kennen Forscher noch nicht den Grund für das massenhafte Verschwinden, es könnte mehrere Ursachen geben: Parasiten, Krankheiten und auch die massenindustrielle Bienenhaltung stehen in Verdacht. (Foto: Freya Helmstätter)

Das Bienensterben ist erschreckend. Doch es muss nicht weiter so voranschreiten, denn viele Gründe sind bekannt. Und sind eine Frage des menschlichen Verhaltens – vor allem politisch und wirtschaftlich. Aber auch individuell. Und da kann jeder ansetzen und versuchen, das Verschwinden dieser alten Gefährtin mit aufzuhalten. Man könnte graue Betonlandschaften erblühen lassen, indem Städte sich mit bienenfreundlichen Pflanzen schmücken – egal ob im Hausgarten oder nur auf dem eigenen Balkon. Wichtig dabei wäre nur, auf Pestizide zu verzichten. Gartenbesitzer können auch Bienenhäuser aufstellen, um Wildbienen Nistplätze zu geben. Die Welt wird für Bienen auch lebenswerter, wenn man auf industriell hergestellten Honig verzichtet – und noch häufiger auf Fleisch aus der Massentierhaltung. Den Honig aus der Region und unser ungespritztes Gemüse beim Biobauern kaufen – auch das sind kleine mögliche Schritte. Es ist letztlich eine Frage des Willens, ob sie gegangen werden oder das Summen tatsächlich immer leiser wird. (Foto: Freya Helmstätter)

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