Ort für nachhaltigen Journalismus? Das taz-Gebäude in Berlin (Quelle: Marc Wathieu/ CC BY-NC 2.0)

Ort für nachhaltigen Journalismus? Das taz-Gebäude in Berlin (Quelle: Marc Wathieu/ CC BY-NC 2.0)

Von Beatrice Dernbach

Dem Thema Umwelt ergeht es im Journalismus wie vielen anderen (vgl. Dernbach 2000a): Es wird kreiert, es wird publiziert, es gewinnt eine hohe Aufmerksamkeit, über Tage, vielleicht Wochen, selten Monate; das Thema stirbt schließlich – bis es möglicherweise unter einem neuen Aspekt wiedergeboren wird. Heute ist Umweltjournalismus ausdifferenziert in Berichterstattung über Klimawandel und CO2-Ausstoß, über Atomenergie und erneuerbare Energiequellen, über ökologische Landwirtschaft und Gentechnik, Ökosprit und Elektromobilität usw. Letztlich gibt es kein Thema, das nicht auch umweltrelevant und nachhaltig ist. Aber gerade das ist wohl die hohe Hürde für den Umweltjournalismus, die ihn bis heute daran hinderte, sich als eigenständiges Ressort zu etablieren.In ihm steckt zu viel Querschnitt – darin liegen aber auch seine Chancen.

Ökologie und Nachhaltigkeit sind als Prämisse und Dimension der Berichterstattung aus allen Ressorts nicht mehr wegzudenken. Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre entwickelte sich in Deutschland abseits des Mainstreams im Journalismus das, was als Umwelt-, heute noch abstrakter als Nachhaltigkeitsjournalismus (vgl. Dernbach 2005; Bonfadelli 2007) bezeichnet wird. Befördert worden war er durch unterschiedliche Berichte aus der Forschung Ereignisse, die einen gesellschaftlichen Wandel weltweit ausgelöst und vorangetrieben haben: Durch die fast oder tatsächlichen Größten Anzunehmenden Unfälle in Atomreaktoren (im amerikanischen Harrisburg 1979, im russischen Tschernobyl 1986 und im März 2011 im japanischen Fukushima), durch Tankerunglücke, Bersten von Ölpipelines und darauf folgende Ölpesten, durch Robben- und Waldsterben, durch die Verseuchung von Gewässern und viele Katastrophen mehr sind die Menschen vom reinen Fortschrittsglauben in Technologien und wirtschaftliches Wachstum abgefallen.

„Eine Phase der Apathie“

Mit der ökologisch-alternativen (Anti-AKW-)Bewegung, der Gründung und Etablierung der Partei „Die Grünen“ einerseits, der Einrichtung von Bundes- und Landesumweltministerien andererseits nahm sich in den 1980er Jahren auch die Politik des Themas Umwelt an. Die traditionellen Massenmedien wussten damals allerdings nicht so recht, wie sie mit den neuen Akteuren und Themen umgehen sollten (siehe Manz in Dernbach 2000b: 20). Aus der alternativen Szene heraus wurden alternative Zeitungen und Zeitschriften gegründet (am prominentesten und langlebigsten ist die seit 1978 bis heute erscheinende tageszeitung – taz). In den 90er Jahren richteten auch die größeren Regionalzeitungen und manche Fernseh- und Hörfunkanstalt Umweltredaktionen ein (siehe z. B. Hillmer 2000 über das Hamburger Abendblatt; Brandhoff 2010). Nur wenige davon haben überlebt (siehe aktuell green.wikia.com und Brandhoff 2010).

Dem Auf folgte das Ab im Lebenszyklus. Seit Beginn der 2000er Jahre durchlebt der mehr oder weniger eigenständige Umweltjournalismus nur noch kleine Aufs und Abs: Die Umweltthemen wurden als Querschnittsthemen auf die anderen Ressorts verteilt und lösten sich damit in politischen, ökonomischen, sozial-kulturellen Perspektiven auf; die Medienkrise tat das Ihre dazu, so dass Umweltthemen nicht mehr als verkaufswürdig betrachtet und somit weitgehend missachtet wurden (vgl. Dernbach 2005). Der Umweltjournalismus rutschte in eine „Phase der Apathie“, wie es Gabor Steingart 2006 (zu dieser Zeit noch als Spiegel-Redaktionsleiter in Berlin) zum 20-jährigen Bestehen des Bundesumweltministeriums provokativ formuliert hatte (vgl. Stracke-Neumann 2006).

Einmal abgesehen von der möglicherweise unzutreffenden und rein provokanten Wortwahl stützen weitere „kleine“ Merkmale diese Beschreibung: Zwar stehen Umweltthemen auf der Agenda der europäischen Bevölkerung nach wie vor ganz oben (vgl. Eurobarometer 2011). So sind sich viele des Klimawandels und seines Verursachers – des CO2 – bewusst; aber weit darüber hinaus reicht das Wissen offensichtlich nicht, wie die Ergebnisse auf die Frage nach der Kohlenstoffabscheidung und -sequestrierung (CCS) zeigen (vgl. ebd.). Möglicherweise sind in der Wahrnehmung der Menschen viele Umweltprobleme nach gut zwei Jahrzehnten der Diskussion und des politischen Agierens – auf nationaler wie auf europäischer Ebene – gelöst (vgl. Schäfer 2011); die Notwendigkeit, dass die Medien kontinuierlich den Finger in die Wunden legen, scheint nicht mehr gegeben. Der Naturschutzbund NABU in Nordrhein-Westfalen konnte zwischen 2001 und 2005 seinen Medienpreis nicht vergeben – „aus Mangel an geeigneten Vorschlägen“ (Königs 2010).

Wo der Umweltjournalismus heute steht

Aus heutiger Sicht könnte man sagen, dass die ursprünglichen und grundsätzlichen Definitions-, Abgrenzungs- und Umsetzungsprobleme des Umweltjournalismus dazu geführt haben, dass er sich nie wirklich profilieren und als eigenständiges Ressort durchsetzen konnte. Will heißen: Umweltjournalismus ist heute als solcher nicht fass- und sichtbar. Er wird aktuell in fünf Konzepten realisiert:

  • in der Form eines ökologisch orientierten Wirtschaftsjournalismus, der die Ökonomie insgesamt und insbesondere die Unternehmen beobachtet (vgl.Stössel 2011a);
  • als Nachhaltigkeitsjournalismus, der gegenüber der Wirtschaft und deren Nachhaltigkeitskommunikation eine generell skeptische und misstrauische Haltung einnimmt; allerdings scheint auch der Nachhaltigkeitsjournalismus dasselbe Problem zu haben wie der Umweltjournalismus: zu komplex, zu abstrakt, zu wenig lösungsorientiert etc. (vgl. Dernbach 2011 und 2005);
  • als Skandaljournalismus, der nach wie vor auf die negativen Ereignisse fokussiert, dunkle Szenarien malt und bisweilen den Weltuntergang prophezeit;
  • als Wissenschaftsjournalismus, der Umwelt und Nachhaltigkeit wissenschaftlich-interdisziplinär und mithilfe wissenschaftlicher Instrumente und Methoden unter die Lupe nimmt (siehe Heißmann 2010);
  • als Energie-, Klima-, Abfalljournalismus, der jeweils nur einen speziellen Aspekt aus dem Reigen vieler möglicher und zusammenhängender Gesichtspunkte herausgreift (Ehrensperger 2009; Avram 2008; Keller 2009; Dernbach 1998).

Die Forschung über den Umweltjournalismus

Der Lebenszyklus der Forschung über Umweltjournalismus kann – zeitlich versetzt, das heißt verzögert – ähnlich beschrieben werden: In den 1980er Jahren begann eine Phase, in der sich einige Medien- und Kommunikationswissenschaftler dieses Themas annahmen, zu einem wesentlichen Teil unterdem Begriff Wissenschaftsjournalismus (v. a. Hömberg 1983 und 1986; Gottschlich 1985). Ende der 90er, Anfang bis Mitte der 2000er Jahre war das Thema auf seinem Höhepunkt (siehe Brand u. a. 1997, Dernbach 2002 und 2005, Braun 2003). Seitdem gab es einzelne Publikationen, die jedoch keine neuen (theoretischen) Erkenntnisse erbracht haben (siehe Bonfadelli 2007; Schäfer 2010 und 2011).

Konstatiert wurde in der Regel das Dilemma, dass Umweltthemen zwar als gesellschaftlich wichtig wahrgenommen wurden und werden, aber der Journalismus in den klassischen Massenmedien keine Routinen und Standards entwickelt hat, um dieses komplexe Themenfeld zu bearbeiten. Aufgrund der nach wie vor gültigen Ressortstrukturen konnten sich zwar Gebiete wie Auto, Reise und Mode in vielen Medien verselbstständigen – dem Themenfeld Umwelt ist dies nicht gelungen (vgl. Meier 2002). Und was es auch nicht gibt: Weder aus der Forschung noch aus der Praxis heraus hat sich ein Aus- und Weiterbildungsangebot für (Umwelt-) Journalisten entwickelt (siehe Braun 2010). Allerdings steht dieses Themengebiet damit nicht allein, denn auch für Auto-, Reise- und Modejournalismus gibt es keine oder nur einzelne Lehrgänge.

Wo wird es hingehen mit dem Umweltjournalismus?

Das mag auch daran liegen, dass das Thema und vor allem die Umweltjournalisten selbst innerhalb der publizistischen Branche polarisieren: Während Umweltjournalisten wie Toralf Staud (vgl. Mrazek 2011), Hartmut Stumpf (vgl. Brandhoff 2010) und Kathrin Hartmann nach wie vor mit Leib und Seele dem Ökojournalismus Gehör verschaffen wollen, sehen eher konservative Vertreter des Berufsstandes wie Roland Tichy,
Wirtschaftswoche-Chefredakteur, hinter allem ein „Illusionstheater“ (Stössel 2011a: 13): Die Diskussion um Fukushima habe wieder einmal gezeigt, dass die Berichterstattung „weniger von Fakten als von Emotionen getrieben“ war. Behauptungen würden zu Fakten, „wenn sie ökologisch korrekt klingen“ (ebd.).

Diese Polarisierung wird weiterhin stattfinden – allerdings wird der gesellschaftliche Konsens darüber, dass ökologische und nachhaltige Themen für den sozialen Wandel existenziell sind, noch größer werden. Und damit hat dieses Themenfeld einen sicheren Platz in der journalistischen Aufarbeitung, in welcher Form auch immer. Dies belegt die große Bandbreite der Publikationen (siehe u. a. green.wikia.com): Im Markt finden sich das greenpeace magazin ebenso wie die Beilagen etablierter (konservativer) Wirtschaftsmagazine, zum Beispiel Wirtschaftswoche Green Economy (erscheint seit 2010 vierteljährlich).

Ein Blick über Deutschlands Grenzen zeigt sehr unterschiedliche Entwicklungen: Während in Österreich der Zyklus für das Thema Umwelt seit zwei bis drei Jahren offensichtlich einem Peak entgegenstrebt (siehe Die Umweltberatung 2008), leben Umweltjournalisten in vielen Regionen der Welt sehr gefährlich. Nicht zuletzt in Ländern wie Russland, Brasilien und in afrikanischen Staaten werden Journalisten, die im umweltsensiblen Bereich recherchieren, „behindert, eingeschüchtert, verfolgt und in den schlimmsten Fällen verletzt, zum Verschwinden gebracht oder getötet“ (Suter 2009). Das zeigt, dass Umwelt weltweit ein politisches, ökonomisches und sozial-kulturelles Thema ist und weitere öffentliche Darstellung braucht.

Dieser Beitrag erschien bereits im Band „Umwelt Europa“ der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Quellen

Avram, Robin (2008): Der Klimawandel im Spiegel der Zeit – Eine vergleichende Diskursanalyse der Klimawandel-Berichterstattung der beiden
politischen Wochenzeitschriften. E-book unter: http://www.grin.com/de/e-book/89747/der-klimawandel-im-spiegel-der-zeit-
eine-vergleichende-diskursanalyse.

Bonfadelli, Heinz (2007): Nachhaltigkeit als Herausforderung für Medien und Journalismus. In: Kaufmann, Ruth/Burger, Paul/Stoffel, Martine (Hrsg.): Nachhaltigkeitsforschung – Perspektiven der Sozial- und Geisteswissenschaften. Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Bern. Unter: http://www.sagw.ch/…/nachhaltige…nachhaltigkeit/publ_nachhaltigkeit.pdf (17.12.2013).

Brand, Karl-Werner/Eder, Klaus/Poferl, Angelika (Hrsg.) (1997): Ökologische Kommunikation in Deutschland. Opladen.

Brandhoff, Ekkehard (2010): Fesselndes von Kröten bis Solarstrom. In: Umweltjournalist H. 1, S.4-6.

Braun, Marie-Luise (2003): Umweltkommunikation im Lokalteil von Tageszeitungen: eine Untersuchung zur Kritik am Umweltjournalismus. Frankfurt/Main u.a.

Braun, Marie-Luise (2010): Umweltjournalismus. In: Quandt, Siegfried/Deutscher Fachjournalistenverband (Hrsg.): Fachjournalismus. Konstanz. S. 133-147.

Dernbach, Beatrice (1998): Public Relations für Abfall. Ökologie als Thema öffentlicher Kommunikation. Opladen/Wiesbaden.

Dernbach, Beatrice (2000a): Themen der Publizistik – Wie entsteht die Agenda öffentlicher Kommunikation? In: Publizistik H. 1, S. 38-50.

Dernbach, Beatrice (2000b): Das Thema Umwelt in der lokalen Publizistik. In: Dernbach/Heuer (Hrsg.), S. 20-40.

Dernbach, Beatrice (2005): Journalismus und Nachhaltigkeit. Oder: Ist Sustainability Development ein attraktives Thema? In: Michelsen, Gerd/Godemann, Jasmin (Hrsg.): Handbuch Nachhaltigkeitskommunikation. München 2005, S. 182-191.

Dernbach, Beatrice (2011): Die unterschiedlichen Rhythmen des (Umwelt-) Journalismus und der Nachhaltigkeitskommunikation. In: UmweltWirtschaftsForum H. 4. Unter: http://www.iuwa.de/uwf/.

Dernbach, Beatrice/Heuer, Harald (Hrsg.) (2000): Umweltberichterstattung im Lokalen. Wiesbaden.

Die Umweltberatung (2008): Umweltjournalismus zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Unter: http://images.umweltberatung.at/htm/tagungsbanduwjournalismus.pdf (17.12.2013).

Ehrensperger, Anna (2009): Klimawandel medial. Hamburg.

Eurobarometer (2011): http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_364_en.pdf.

Gottschlich, Maximilian (1985): Ökologie und Medien. In: Publizistik H. 2 – 3, S. 314-329.

Hartmann, Kathrin (2010): Ende der Märchenstunde. München.

Heißmann, Nicole (2010): Vernetzt denken zwischen allen Stühlen. In: WPK Quarterly II, S. 4-5.

Hillmer, Angelika (2000): Die Redaktion als Ratgeber – Aktionen und Projekte des Hamburger Abendblatts. In: Dernbach, Beatrice/Heuer, Harald (Hrsg.): Umweltberichterstattung im Lokalen. Wiesbaden, S. 113 -122.

Hömberg, Walter (1983): Umweltinformation – Umweltpolitik – Ökologie. In Journalistik H. 4, S. 7-20.

Hömberg, Walter (1986): Zum Stellenwert des Wissenschaftsjournalismus in den Redaktionen der aktuellen Massenmedien. Bamberg.

Keller, Reiner (2009): Müll – Die gesellschaftliche Konstruktion des Wertvollen. Wiesbaden, 2. Aufl.

Königs, Birgit (2010): Medienpreis des NABU NRW. Unter: http://nrw.nabu.de/presse/medienpreis/ (17.12.2013).

Meier, Klaus (2002): Ressort, Sparte, Team. Konstanz.

Mrazek, Thomas (2011): „Fukushima findet in den Medien nicht mehr statt.“ In: Umweltjournalist H. 1, S. 6-7.

Schäfer, Torsten (2010): Umweltmacht Europa? In: Dernbach, Beatrice/Quandt, Thorsten (Hrsg.): Spezialisierung im Journalismus.Wiesbaden. S. 207- 217.

Schäfer, Torsten (2011): Brüssel – vermeintlich fern. Konstanz.

Staud, Toralf (2009): Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen – Lügen, bis das Image stimmt. Köln.

Stössel, Bernd (2011a): Stellenwert Umwelt? In: Umweltjournalist H. 1, S. 8-10.

Stössel, Bernd (2011b): Vorhang auf fürs „Illusionstheater“. In: Umweltjournalist H. 1, S. 13-15.

Stracke-Neumann, Susanne (2006): Apathie im Umweltjournalismus? Unter: http://www.sonnenseite.com/Umwelt,Apathie+im+Umweltjournalismus,16,a5426.html (17.12.2013).

Suter, Ruedi (2009): Der Triumph der Umweltverachter über den Umweltjournalismus. Unter: http://www.onlinereports.ch/News.109+M5b2464c990a.0.html (17.12.2013).

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