Ein Text von Jan Wilewald
Egal ob herb, trocken oder lieblich – ein gutes Glas Wein gehört für viele Menschen zu einem leckeren Festmahl oder einem feierlichen Tagesausklang einfach dazu. Doch hinter dem edlen Tropfen steckt viel Arbeit – die zunehmend auch durch den Klimawandels beeinflusst wird. Bei seinem Weinanbaugebiet am Luciberg in Zwingenberg erklärt der Winzer Jan Faber, wie er mit modernster Technologie den Herausforderungen der Zukunft begegnet.
Flurbereinigung als Grundstein für Innovation
Bei einer umfassenden Flurbereinigung, die über zehn Jahre in Planung war, wurde am Luciberg ein hochmodernes Bewässerungssystem installiert, das für stabile Erträge und hohe Qualität sorgen soll. „Flurbereinigung bedeutet, dass alte, oft verwinkelte und uneinheitliche Grundstücke, sogenannte ‚Flure‘, zu größeren Flächen zusammengefasst werden“, erklärt Jan Faber. Dadurch wird die Bewirtschaftung der Flächen effizienter und kostengünstiger.
Die treibende Kraft hinter dem Projekt war die Erkenntnis, dass sich die Zeiten im Frühjahr und Sommer, in denen die Pflanzen wachsen, verändern und längere Trockenphasen vor allem junge Weinreben mit ihren noch flachen Wurzeln vor große Probleme stellen. Diese finden bei zweiwöchiger Trockenheit kein Wasser mehr und können somit nicht wachsen. „Um dagegen vorzugehenentgegenzuwirken, ist eine zuverlässige Wasserversorgung in bestimmten Phasen des Jahres unerlässlich“, sagt Faber.
Vom Quellwasser zum Hightech-System: So funktioniert die neue Bewässerungstechnik
Das Herzstück der Bewässerungsanlage ist eine Quelle am Fuße des Berges. Deren Wasser kann wegen erhöhter Nitratwerte zwar nicht als Trinkwasser, aber ideal für die Bewässerung der Weinberge genutzt werden. Zunächst wird dieses in einen kleinen Zwischenspeicher mit 1300 Litern Fassungsvermögen gesammelt und anschließen in einen 8000 Liter fassenden Hochbehälter auf den Berg gepumpt, erklärt Faber. Die Pumpe ist mit einem Sensor ausgestattet, welche Wasser wieder in den Behälter pumpt, wenn dieser leer ist. Von dort läuft es über eine digitale Steuerung in die verschiedenen Weinberge hinein.
Im Technikraum (links) mit dem Zwischenspeicher drin (rechts) wird das Quellwasser zwischengelagert
Vom Hochbehälter aus gelangt das Wasser über ein unterirdisch verlegtes Rohrleitungssystem zu Verteilerboxen mit Magnetventilen, die die Wasserzufuhr zu den einzelnen Rebreihen regeln. „Das Rohr verläuft durch die Verteilerboxen hindurch, sodass das Wasser sowohl in die Box hinein als auch hinausfließen kann“, berichtet Jan Faber.
Diese Ventile werden über Funk von einem Server gesteuert, der sich in Sichtweite vom Luciberg befindet. Dort läuft ein Programm, das die Bewässerung der einzelnen Parzellen, also der jeweiligen Anbaufelder eines Winzers, zeitgenau steuert. „Dieses Programm kann die Ventile zu einer bestimmten Uhrzeit öffnen, beispielsweise für eine vierstündige Bewässerungsphase, und sie anschließend wieder schließen“, so der Winzer.
Die Installation der Bewässerungsanlage war teuer; laut Angaben der hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation rund 340.000 Euro, darin enthalten Fördergelder von EU, Bund und Land. Die Anlage war in etwa sechs Monaten fertig.
Weltweite Steuerung per App: Jeder Winzer hat die Kontrolle
Jeder Winzer kann die Bewässerung seiner Parzellen individuell über eine App auf seinem Handy steuern – und das von überall auf der Welt. Die App liefert zudem weitere wichtige Informationen, wie z.B. den Wasserverbrauch und die Niederschlagsmenge, die bei der Entscheidung, ob bewässert werden soll oder nicht, wichtig sind. „In der App werden die verschiedenen Winzer farblich dargestellt. Der Nutzer kann sich Diagramme anzeigen lassen, die beispielsweise den Wasserstand in den Behältern oder den Wasserverbrauch der einzelnen Weinsorten visualisieren. Zusätzlich zu den Diagrammen gibt es auch Schaltflächen, mit denen die Bewässerung gestartet oder gestoppt werden kann“, sagt Jan Faber. Er gibt jedoch zu, dass „die Benutzeroberfläche der App nicht besonders benutzerfreundlich und übersichtlich gestaltet ist“.
In der App kann man sich unter anderem den Wasserstand (links) des Hochbehälters anzeigen lassen. Rechts sieht man die Übersicht aller Benutzer, die ihre Reben mit der Bewässerungsanlage bewässern.
Präzise Bewässerung mit Tropfschläuchen und Tropfern
An den Rebreihen selbst kommen spezielle Tropfschläuche mit Tropfern in regelmäßigen Abständen von 60 cm zum Einsatz. In den Schläuchen befinden sich kleine Löcher, die sich allerdings auf der Oberseite des Schlauches, und nicht wie gewöhnlich auf der Unterseite befinden. Damit das Wasser durch die Oberseite an die Reben gelangt, sitzen in den Schläuchen kleine Pumpmotoren, die das Wasser nach oben und durch das Loch an die Reben befördern. „Diese Tropfer gewährleisten eine gleichmäßige Wasserabgabe an die Reben, unabhängig von der Hanglage und dem Wasserdruck“. Faber betont, dass „einfache Löcher im Schlauch nicht ausreichen würden, da aufgrund des unterschiedlichen Wasserdrucks unten am Berg mehr Wasser austreten würde als oben“.
Links sieht eine kleine Lochöffnung im Schlauch, durch die das Wasser an die Reben gelangt. Rechts kann man sehen, wie die Konstruktion mit dem Schlauch aufgebaut ist.
Vorteile der neuen Bewässerungstechnik: Stabile Erträge und hohe Qualität
Die Vorteile dieser Tröpfchenbewässerung liegen auf der Hand: Durch die präzise Steuerung der Bewässerung und der gezielten Wasserabgabe an die Rebenwurzeln wird im Vergleich zur früheren Bewässerungsmethoden Wasser gespart. Diese gleichmäßige Wasserversorgung fördert das gesunde Wachstum der Reben und wird in Zukunft höchstwahrscheinlich auch zu einer verbesserten Traubenqualität beisteuern. Da die Anlage sehr neu ist und dementsprechend noch keine Ernte eingefahren werden konnte, kann man die Qualitätssteigerung im Moment nur vermuten. Faber ist aber zuversichtlich: „Es ist auf jeden Fall so, dass die Qualität besser und vor allem auch der Ertrag deutlich stabiler sein wird, da wir eben nicht mehr auf einen regelmäßigen Niederschlag angewiesen sind“.
Wassermanagement am Weinberg: Terrassen, Pflaster und Begrünung
Ergänzt wird die Tröpfchenbewässerung durch weitere Maßnahmen zur Optimierung des Wasserhaushalts am Weinberg. So wurden Terrassen angelegt, die das Regenwasser am Hang zurückhalten und die Erosion, also den Bodenabtrag durch das Wasser, verhindern. Früher führten starke Regenfälle zu großen Wassermassen, die den Berg hinunterschossen, was zu Erosion und einem Verlust von wertvollem Boden führte. „Die Terrassen sind leicht zum Hang geneigt, damit das Wasser langsamer über die Terrasse fließen und am Ende versickern kann“, erklärt Faber.
Darüber hinaus wurden die Wege mit durchlässigem Pflaster versehen, die im Gegensatz zum früher verwendeten Beton das Versickern des Wassers in den Boden verlangsamen. „Zusätzlich wurden die Böschungen der Terrassen und die Begrünung der Weinbergwege mit regionalem Saatgut angelegt, um Lebensraum für Insekten, Pflanzen und Tiere zu schaffen“, bilanziert der Winzer. Er betont die Bedeutung dieser Maßnahmen für die Artenvielfalt und die Schaffung eines Lebensraums am Weinberg, der über eine reine Monokultur hinausgeht.
Links im Bild sieht man die neuen gepflasterten Wege, durch die das Wasser langsamer versickern kann.
Finanzierung der Anlage: Langfristige Investition in die Zukunft
Die Installation der Bewässerungsanlage war mit erheblichen Kosten verbunden. Laut Angaben der hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation belaufen sich diese auf rund 340.000 Euro. Dank Fördergeldern von der EU, dem Bund und dem Land konnte die Finanzierung gestemmt werden. Die Anlage wurde in etwa sechs Monaten fertiggestellt.
Tropfen für die Zukunft?
Die Zukunft des Weinanbaus wird maßgeblich von der Verfügbarkeit des Wassers abhängen. Die Anlage in Zwingenberg zeigt Möglichkeiten auf, auch in Zeiten des Klimawandels gute Weine zu produzieren. Und gleichzeitig verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen. Mit ihrer effizienten Wasserversorgung, ihrem nachhaltigen Wassermanagement und der digitalen Steuerung ist sie ein vielversprechendes und vorreitendes Beispiel dafür, wie Winzer mit innovativen Lösungen auf die Herausforderungen des Klimawandels reagieren können. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Technologie weiterentwickelt und ob sie sich in anderen Weinanbaugebieten durchsetzen wird. Das Interesse daran wächst: Regelmäßig kommen Jan Faber in Zwingenberg mehrere Winzerkollegen zu Besuch, um sich die technisch am fortgeschrittenste Anlage anzugucken. Fest steht, dass die Bewässerung von Weinbergen in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und den Weingenuss auch für kommende Generationen zu sichern.