Abwasser – Unsichtbarer Aufwand für eine saubere Umwelt

Ein Text von Tyra Baum

Wasser – das kostbare Medium, ohne das Leben nicht existieren könnte. Doch was geschieht, nachdem es aus unseren Haushalten abfließt? Wir drehen den Hahn auf, spülen die Toilette oder lassen das Badewasser ab, ohne uns Gedanken zu machen, was danach passiert. Dabei verbirgt sich hinter der Abwasserentsorgung eine komplexe Welt.

Die Welt hinter dem Wasser, das ist in gewisser Hinsicht der Arbeitsplatz von Menschen wie Barbara Retamal Pucheu. Sie leitet  kommissarisch das Hauptklärwerk Wiesbaden. „Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Abwasser so zu reinigen, dass es sauber in den Rhein eingeleitet werden kann“, erklärt sie. Doch bevor das passiert, durchläuft das Wasser einen mehrstufigen Prozess aus mechanischer, biologischer und chemischer Reinigung.

Die erste Station ist die mechanische Reinigung, bei der grobe Verunreinigungen entfernt werden. „Das beginnt bei uns mit einem Grobrechen, der größere Gegenstände wie Steine oder Plastikteile herausfiltert. „Danach folgt ein Feinrechen, der kleinere Stoffe wie feuchtes Toilettenpapier einfängt“, erklärt Retamal Pucheu. Dieser Schritt ist entscheidend, um zu verhindern, dass die Anlagen verstopfen. 

Stationen des Hauptklärwerks Wiesbaden im Überblick.
Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden (ELW). 2010. Sauber in den Rhein

Es folgt der Sandfang, der Sand und kleine Feststoffe abscheidet. „Wenn Sand in unsere Pumpen gelangt, wirkt er wie Schleifpapier und beschädigt die Technik“, erklärt sie. Nach der mechanischen Reinigung übernimmt die biologische Stufe. In den sogenannten Belebungsbecken bauen Mikroorganismen organische Stoffe ab und entfernen Stickstoffverbindungen. Abschließend kommt die chemische Reinigung, bei der chemische Zusätze Phosphor aus dem Wasser binden. Dieser mehrstufige Prozess sorgt dafür, dass das Wasser nach etwa zwei Tagen im Klärwerk wieder sauber in den Rhein zurückgeführt werden kann.

Herausforderungen im Alltag der Abwasserreinigung

Der Reinigungsprozess ist technisch ausgeklügelt, aber nicht frei von Herausforderungen. „Ein Problem sind Stoffe, die nicht über die Kanalisation entsorgt werden sollten, aber trotzdem ihren Weg ins Abwasser finden“, erklärt Retamal Pucheu. Dazu gehören feuchtes Toilettenpapier, Lebensmittelreste, Fette, Öle und sogar Katzenstreu. Diese Stoffe können Verstopfungen und Störungen verursachen, die aufwendig beseitigt werden müssen.

Eine weitere Schwierigkeit sind Chemikalien oder Medikamente, die über Toiletten oder Abflüsse entsorgt werden. „Viele wissen nicht, dass Lacke, Arzneimittel oder Farbreste nicht ins Abwasser gehören. Sie enthalten Stoffe, die schwer zu entfernen sind und in die Umwelt gelangen können“, mahnt Retamal Pucheu. Ein besondere Herausforderung stellt auch die steigende Belastung durch Mikroplastik und Medikamentenrückstände dar. Diese Stoffe sind mit herkömmlichen Reinigungsmethoden nur schwer zu entfernen. „Die Forschung arbeitet intensiv an neuen Verfahren, um diese Stoffe zu eliminieren“, berichtet sie.

Die Umwelt im Fokus

Der Einsatz von Klärwerken hat die Wasserqualität in Deutschland entscheidend verbessert. „Unsere Flüsse und Bäche sind heute viel sauberer als vor 50 Jahren“, betont Retamal Pucheu. Doch dieser Fortschritt kommt nicht ohne Aufwand: Klärwerke benötigen erhebliche Mengen an Energie, um die Reinigungsprozesse aufrechtzuerhalten.

Das Hauptklärwerk Wiesbaden hat jedoch Wege gefunden, den Energieverbrauch zu reduzieren und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. „Wir stabilisieren unseren Klärschlamm in Faultürmen und erzeugen dabei Biogas, das in Blockheizkraftwerken (BHKWs) verstromt wird. So erzeugen wir unsere eigene Energie und Wärme“, erklärt sie. Diese Schritte sind Teil eines umfassenderen Engagements, die Abwasseraufbereitung nachhaltig zu gestalten. „Wir achten darauf, dass wir nicht unnötig Energie verbrauchen und unsere Prozesse kontinuierlich verbessern“, so Retamal Pucheu.

Biologische Reinigung des Wassers
Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden (EWL). 2010. Sauber in den Rhein

Klimawandel und Abwasser: Was kommt auf uns zu?

Der Klimawandel bringt neue Herausforderungen für die Abwasserentsorgung mit sich. Stärkere Regenfälle und häufigere Wolkenbrüche setzen die Kanalisation unter Druck. „Die Kanalisation kann nicht alles ableiten, was zu Rückstau oder Überflutungen führen kann“, erklärt Retamal Pucheu.

Für das Klärwerk selbst ist die Herausforderung moderat, da bei starke Regen nicht das gesamte Wasser behandelt wird. Überschüssiges Regenwasser wird in Rückhaltebecken zwischengespeichert oder direkt in den Rhein gelassen. Dennoch steigt die Menge an Abwasser, die behandelt werden muss, was langfristig Anpassungen erfordert.

Missverständnisse und Mythen rund um Abwasser

„Viele Menschen haben Missverständnisse darüber, was in die Toilette gehört und was nicht“, bemerkt Retamal Pucheu. Hygieneartikel, Lebensmittelreste, Öle, Fette und sogar Zigarettenstummel gehören nicht ins Abwasser. „Diese Stoffe erschweren nicht nur die Reinigung, sondern können auch Schäden in der Kanalisation verursachen“, erklärt sie.

Ein weiteres Problem  bleiben Medikamente. „Arzneimittel sollten niemals über die Toilette entsorgt werden. Die Rückstände gelangen in die Umwelt und können dort Schaden anrichten“, warnt sie. Besonders problematisch sind Stoffe wie Mikroplastik und Chemikalien, die unsichtbar ins Abwasser gelangen. „Hier braucht es nicht nur technische Lösungen, sondern auch ein Umdenken in der Gesellschaft“, betont sie.

Ein Appell für mehr Bewusstsein

Barbara Retamal Pucheu und ihr Team leisten täglich unsichtbare Arbeit, um das Wasser sauber zu halten. Doch auch Verbraucher:innen tragen Verantwortung. „Wasser ist in Deutschland ein extrem gut kontrolliertes Lebensmittel, das wir als selbstverständlich ansehen. Aber es steckt ein enormer Aufwand dahinter, es sauber zu halten“, erinnert sie. 

Ein bewusster Umgang mit Abwasser beginnt im Kleinen: Indem wir nur das in die Toilette geben, was hinein gehört, und Chemikalien oder Medikamente fachgerecht entsorgen, können wir einen wichtigen Beitrag leisten. „Wenn wir verstehen, wie viel Arbeit hinter der Abwasserreinigung steckt, schätzen wir unser Wasser mehr“, fasst Retamal Pucheu zusammen. 

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