Alles frisch am Fischbach?

Ein Text von Jean Marc Meisel.

Das Fischbachtal steht vor einer entscheidenden ökologischen Herausforderung:  Während der Biber nach 200 Jahren zurückkehrt und die Gewässerstruktur aufwertet, kämpfen die lokalen Bäche weiterhin mit menschlichen Eingriffen. Welche Fortschritte werden bis 2027 erzielt, um die Gewässer in Hessen in einen guten Zustand zu versetzen? Ein Blick auf die aktuellen Maßnahmen und die Herausforderungen im Kampf um den Erhalt eines gesunden Ökosystems.

Erhaben thront das Schloss Lichtenberg über dem malerischen Fischbachtal. Der namensgebende Bach schlängelt sich von seiner Quelle bei Modautal-Lützelbach auf einer Länge von knapp zehn Kilometern entlang kleiner Siedlungen und Nutzflächen, bevor er bei Groß-Bieberau in die Gersprenz mündet. Das Wappentier Groß-Bieberaus, – der Biber – hat sich nach rund 200 Jahren Abwesenheit seit kurzem wieder im Fischbachtal angesiedelt.

Zwischen Niedernhausen und Billings baut der Wassernager seine Burgen unweit des Naturschutzgebiets Herrensee. Am Rande von Feuchtwiesen mit Erlen und Eschen, findet man junge Apfel- und Birnbäume, die mit dicken Biberschutzmanschetten vor dem Zähnen der Tiere geschützt sind. Wenn man über die Wiesen des Feuchtgebiets am Fischbach läuft, das wegen des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings und des Bachneunauges ein Schutzgebiet nach der FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat) der EU ist, dann drängt sich der Eindruck eines gesunden Ökosystems auf.

Doch ein Blick auf die ökologischen Bewertungen des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt (HLNUG) ernüchtert. Denn trotz Fortschritten in den letzten Jahren ist der Fischbach wie viele Gewässer in der Umgebung als Herz des Habitats beinahe über seine gesamte Länge von Veränderungen durch den Menschen beeinflusst. An vielen Stellen ist durch Flussbegradigungen, landwirtschaftliche Nutzung und Wanderhindernissen für Fische wichtiger Lebensraum verloren gegangen. Es fehlt vor allem an naturnahen Gewässer- und Uferstrukturen, Randflächen und Laichwanderwegen.

Der Fischbach ist allerdings nicht allein betroffen. Laut Umweltbundesamt sind gerade einmal 9,2 Prozent der deutschen Oberflächengewässer in einem „guten“ oder „sehr guten“ Zustand. Dabei ist die Zielsetzung der seit dem Jahre 2000 gültigen Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) eigentlich, bis 2027 einen mindestens guten Zustand für alle deutschen Gewässer zu erreichen. Ein Vorsatz, der krachend zu scheitern droht. Zwar sind Fristverlängerungen möglich, dennoch drohen Strafzahlungen, sollten die Vorgaben verfehlt werden. Um dem entgegenzuwirken, sieht die WRRL vor, dass in vier Bewirtschaftungszeiträumen von jeweils sechs Jahren für jedes Gewässer Schritte für mehr Ökologie festgelegt und umgesetzt werden.

Aktuell läuft der vierte und letzte Bewirtschaftungszeitraum; er begann 2021 und endet 2027. In dieser finalen Phase sind elf Maßnahmen an und um den Fischbach vorgesehen.

Dass deren Umsetzung nicht immer einfach ist, weiß Karl Schwebel vom Verband Hessischer Fischer. Als Gewässerreferent betreut er den Schutz von Bächen, Flüssen und Seen in Hessen. Maßnahmen verzögerten sich oft durch träge Planungs- und Zulassungsverfahren. Nicht selten müssten Flächen von privaten Eigentümern erworben werden, berichtet Schwebel. Auch würden Bäche und Flüsse durch Schmutz und Unrat auf Grundstücken am Ufer, Abwasser, Straßenverkehr und Streugut immer wieder belastet.

Biberburg am Fischbach. Bild: Jean Marc Meisel

Die Rückkehr des Bibers sieht Schwebel nicht nur positiv. Anwohner und Grundstücksbesitzer seien bei Überschwemmungen durch die geschützten Dammbaumeister in der Regel zum Nichtstun verdammt. „Die Leute werden da ein Stück weit enteignet“, gibt Schwebel zu bedenken. „Man kann Naturschutz nicht ohne die Akzeptanz der Öffentlichkeit betreiben.” Biberburgen könnten ebenfalls ein Wanderhindernis für Bachforellen sein. Zudem könne es bei einzelnen WRRL-Maßnahmen durch die Präsenz von Bibern zum Verzug kommen.

Doch es gibt nicht nur Konflikte mit dem Biber: Grundsätzlich hat der Nager einen positiven Effekt auf kleine Bäche, ihren Lauf und die Ufer.  Denn ihre Bauten schaffen Lebensräume für Amphibien und Insekten in Ufernähe und werten das Gewässer auf – etwa durch neue Untiefen, Unterstände oder andere Strömungsgeschwindigkeiten. Während Renaturierungen der Ufer oft lange geplant werden müssen und kostspielig sind, erledigt der Biber sie in seinem Habitat kostenlos – abgesehen von eventuellen Kosten für Landkreise, große Biber-Flächen selbst zu kaufen um den Baumeister dort ganz frei gewähren zu lassen.

Unweit der Einmündung des Rodauer Bachs, dem längsten Zufluss des Fischbachs, zwischen Niedernhausen und Groß-Bieberau zeigt sich, wie der Mensch den Bach verändert hat – und wanderden Tieren wie der Bachforelle den Weg versperrt:  Über eine Mauer donnert der Bach hier über einen Meter in die Tiefe. An diesem Punkt würden die Lebensräume der Bachforelle unterhalb und oberhalb der Stufe praktisch voneinander abgeschnitten, erklärt Karl Schwebel. „Fische, die aus der Gersprenz den Fischbach hoch wandern, kommen hier nicht weiter. Das ist schade, denn so können der Fischbach und der Rodauer Bach keine neuen Impulse bekommen.“

Wanderhindernis für Fische zwischen Groß-Bieberau und Niedernhausen. Bild: Jean Marc Meisel

Vor vielen Jahren sei das Wasser hier noch durch einen heute trocken liegenden Mühlgraben geleitet worden. Eine Rückkehr dahin sei wünschenswert, so Schwebel. Denn eigentlich sei der Fischbach, abgesehen von manchen Wanderhindernissen, in einem akzeptablen Zustand, erklärt der Experte, der selbst im Fischbachtal wohnt.

Die ökologischen Bedingungen für Fische werden schon jetzt als „gut“ bewertet und die chemische Belastung hält sich im Rahmen. Dass die chemische Qualität nach WRRL nicht gut bewertet wird, liegt vor allem an sogenannten „ubiquitären Stoffen“ – allgegenwärtigen Substanzen, die sich nicht oder nur sehr langsam natürlich abbauen, wie etwa Quecksilber oder Arzneistoffe. Laut Bundesumweltamt kann zurzeit kein Gewässer die Anforderungen für diese Stoffgruppe erfüllen.

Es bleibt also noch einiges zu tun, damit der Fischbach bis 2027 die WRRL-Kriterien erfüllen kann. Immerhin: Es tut sich etwas. So wurde 2024 das Mündungsgebiet des Rodauer Baches 2024 wieder in ihren alten Zustand gebracht und ökologisch verbessert. Außerdem, so merkt Schwebel lobend an, würde der Fischbach vom Regierungspräsidium Darmstadt mehr beachtet als früher. Das läge vor allem an der Teilnahme der Gemeinde Fischbachtal an dem Programm „100 Wilde Bäche für Hessen“, eine Initiative des Landes Hessen, die Kommunen bei der Umsetzung von WRRL-Maßnahmen mit Fördergeldern und bei der Planung unterstützt.

Share on:

Related Posts

Skip to content