Ein Text von Marie Krull
Kein Wasserbau in der Forschung bedeutet kein Kaffee am Morgen, heißt keine Dusche im Alltag und letztlich keine funktionierende Gesellschaft. Wie man diese Zusammenhänge am besten verstehen kann? Bei einem Besuch in der Wasserbauhalle der Hochschule Darmstadt.

Mitten auf dem Zentralcampus der Hochschule Darmstadt wird das monotone Summen des Alltags von einem Rauschen durchbrochen. Je näher man sich dem Gebäude B13 nähert, desto lauter wird dieses konstante, beruhigende Geräusch. Sobald sich die automatischen Türen öffnen, umhüllt ein Strömen die Besucherin, vermischt mit der Wärme im Inneren.
Der Blick wandert über riesige blaue Rohre, die unter der Decke schweben, und endet an einem hohen Zaun, der die Versuchsfläche des Labors abgrenzt. Hinter diesem Gitter erstrecken sich die Anlagen der Wasserbauhalle – drei nebeneinanderliegende Becken, die jeweils eine Aufgabe erfüllen. Im mittleren Becken fließt Wasser, das linke ist mit Sand gefüllt, und im rechten steht ein Rad, das an ein traditionelles Mühlenrad erinnert: das Zuppinger-Wasserrad.
Das Modell im Becken ist eine kleinere, moderne Variante: Ein Wasserrad, das nicht nur effizient Energie erzeugen, sondern auch ökologische Anforderungen erfüllen soll.

Wasserbau und Nachhaltigkeit
In der Wasserbauhalle der Hochschule Darmstadt zeigt sich, wie alte Technologien wie das Zuppinger-Wasserrad mit moderner Ingenieurskunst kombiniert werden können, um Gewässer besser zu schützen.
Ohne durchdachtes Wassermanagement gäbe es weder sauberes Trinkwasser noch funktionierende Abwassersysteme – und damit auch keinen Kaffee am Morgen oder die erfrischende Dusche danach. Gleichzeitig rettet nachhaltiger Wasserbau auch die Natur: Er schützt Flüsse und Seen sowie die Lebensräume vieler Tierarten.
Die 1000 Quadratmeter große Wasserbauhalle, ein kubisches Bauwerk der 1970er-Jahre, ist ein Alleinstellungsmerkmal für die Hochschule Darmstadt. Normalerweise lassen sich Wasserbauhallen dieser Größenordnung nur an Universitäten finden.
Eine schmale Treppe führt ins Obergeschoss der Halle. Von dort aus ähnelt die Szenerie einer Fabrik: Metalltonnen, Gummistiefel, Schaufeln und Rechen sind entlang der Becken ordentlich aufgereiht. Nicole Saenger, Professorin für Wasserbau und Vizepräsidentin für Forschung und Nachhaltige Entwicklung, bewegt sich in einer Gruppe von zwei weiteren Frauen langsam zwischen den Gerätschaften. Ihre Stimme hallt leise über die Laborfläche.
„In Deutschland gab es früher 60.000 Mühlen. Wenn man an diesen Standorten wieder Wasserräder installieren könnte, wäre viel gewonnen“, erklärt Frau Saenger.

Wie funktioniert ein Zuppinger-Wasserrad und was ist das überhaupt?
Das Zuppinger-Wasserrad ist eine technische Innovation aus vergangener Zeit, die heute wiederentdeckt wird. Es nutzt das Fließen von Wasser, um durch rotierende Schaufeln Energie zu erzeugen. Anders als viele moderne Wasserkraftanlagen benötigt es keinen großen Höhenunterschied im Gewässer, wodurch es sich besonders für kleine Flüsse eignet.
Die Besonderheit liegt in der gebogenen Form der Schaufeln, die das Wasser effizient einfangen und selbst bei schwankendem Durchfluss hohe Wirkungsgrade erzielen. Im Labor der Hochschule wird das Design kontinuierlich weiterentwickelt, um auch ökologische Standards zu erfüllen: Fische sollen das Rad problemlos passieren können, und der Eingriff in das Gewässer soll so gering wie möglich bleiben.
Julius Maier, einer der am Projekt arbeitenden Doktoranden, erläutert, was das Zuppinger-Wasserrad so besonders macht: „Oben kommt das Wasser an, unten haben wir einen eingestauten Wasserstand und die Energie des Wassers wird so gewandelt, dass es nicht nur die Höhenenergie nutzt, sondern es nutzt auch die Geschwindigkeit der angekommenen Energie.“


Variante A: Wasserrad mit zwei Becken als Fischpass.
Variante B: Wasserrad mit vier Becken als Fischpass.
Projekt mit Zukunft
Seit Juli 2021 arbeiten Professorin Saenger, Julius Maier und Phillip Werner daran, das Potenzial dieser Technik für die Energiewende nutzbar zu machen. Der Versuchsstand ist in den letzten zwölf Jahren gewachsen.
Das Wasserrad selbst wurde von der Mühlenbaufirma Schuhmann aus Bad Kissingen als Modell eines realen Rads gestellt. Diverse Umbaumaßnahmen und die zugehörige Messtechnik wurden in folgenden Jahren ergänzt und von der Hochschule finanziert.
Seit Ende 2021 wird das halbierte Wasserrad in der Wasserbauhalle untersucht, wobei von 2022 bis 2024 verschiedene Varianten des Fischaufstiegs sowie Leistungsmessungen und Geschwindigkeitsmessungen im Fokus stehen. Im Laufe des Jahres 2025 soll das Projekt abgeschlossen werden.
Da bei diesem Projekt neben der klassischen Leistungsermittlung auch die Fischdurchgängigkeit im Vordergrund steht, nimmt die Ökologie eine wichtige Rolle ein – auch im Zusammenhang mit der Europäischen Wasserrahmen-Richtlinien, die besagt, dass alle Fließgewässer bis 2027 in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden sollen, ist das wichtig.
„Das Wasserrad soll natürlich auch Strom produzieren, weshalb die Ökonomie und der Energiemarkt betrachtet werden,“ erklärt Julius Maier. Es sei ein schmaler Grat, beiden Disziplinen, der Ökologie (Fischdurchgängigkeit) und der Ökonomie (Leistung, Strom), gerecht zu werden. „Die Ökologie steht dabei stets im Vordergrund“, ergänzt er.
Das Projekt wird 2025 abgeschlossen. Pilotanlagen in der Natur sind kein Teil des Projekts. „Deshalb ist die Beantwortung schwierig, ob solche Anlagen überhaupt in die Realität umgesetzt werden,“ so Maier weiter.
Wasserbau als Chance für Umwelt und Gesellschaft
In der Wasserbauhalle der Hochschule Darmstadt wird insgesamt deutlich, wie Technik und Umweltschutz ineinandergreifen können. Optimierte Wasserräder könnten an alten Mühlenstandorten neues Leben finden, wo das Wasser unermüdlich durch sie strömt. So eröffnet sich die Möglichkeit, historische Technik für eine nachhaltigere Zukunft zu nutzen.