– Journalistik und Kommunikationswissenschaften sind keine klassischen, für sich unabhängigen Fächer. Sie sind aus den Kultur- und v.a. Sozialwissenschaften hervorgegangen und müssen daher automatisch steten Bezug zu Disziplinen in diesen Feldern aufbauen, sie in sich aufnehmen und harte Abgrenzungen vermeiden. Von Beginn an sollte daher die Journalistik stark interdisziplinär arbeiten und auf eine Verbreiterung ihrer Betrachtungsperspektiven hinwirken. Auch praktisch ist dieser Gedanke fortzuführen. Denn in vielen Ressorts steht ein technisch-ökonomisches Paradigma einer Integration von sozialen, ökologischen sowie kulturellen und alltäglichen Bezügen entgegen. Auch deshalb sehen wir oft Expertendebatten und begegnen Sprachwelten, die kaum mehr eine Allgemeinverständlichkeit zulassen.
– Verstanden als Theoriearena, die der Beschreibung und Analyse des praktischen Journalismus dient, hat die Journalistik einen direkten Wirkungsbezug zur Praxis und damit zur Massenöffentlichkeit und -gesellschaft. Konsequenz dieses Zusammenhangs ist – auch da viele Forschungen direkte Gesellschaftsforschungen sind – ein transdisziplinäre Haltung. Wissen und Erfahrungen außerhalb des Wissenschaftssystems sind wertvoll und unabdingbar für die Forschungskonzeption, Bürgerwissen- und -wissenschaft willkommene Teile des eigenen Handlungsrahmens. Dies schließt auch die Frage nach Teilhabe und Partizipation der Gesellschaft in all ihrer Breite und Vielfalt ein – am Mediensystem, dessen Aussagen, Räumen und Zeitlichkeiten. Durch die digital-mobile Interaktionsgesellschaft, die wir geworden sind, ist diese Frage von besonderer Bedeutung, basiert doch eine der Grundideen der digitalen Kommunikation auf einem Einreißen der Kommunikationshierarchien und dem Aufbrechen der alten Akteursrelationen.
– Daraus resultiert auch ein Verständnis von Wissenschaft als öffentlicher Wissenschaft. Ich meine, dass wir Hochschullehrer die Aufgabe haben, uns aktiv in öffentliche und politische Debatten einzumischen, Position zu beziehen und Fragen zu stellen. Darauf weist etwa die jüngste Serie in der ZEIT hin, die unterm Stricht beklagt, wie gesellschaftsfern, zurückhaltend und strikt fachbezogen Professoren heutzutage agieren.
– Wichtig finde ich – auch wenn er in diesem Kontext selten gebraucht wird – noch den Ausdruck der Ganzheitlichkeit, da sie dem grundlegendsten Auftrag, den Journalisten haben, zutiefst entspricht: umfassendes Denken und Handeln, konkret verstanden als Aufgabe, aus einem breiten Allgemeinwissen heraus mit kritisch-konstruktiver Haltung einen Sachverhalt nach allen Richtungen hin zu recherchieren. Ob allerdings alle Positionen tatsächlich gleichgewichtig gezeigt werden, ist eine Frage ihrer Relevanz innerhalb der Sache. Grundlegend sollten Widersprüche deutlich werden und verschiedene Positionen erkennbar sein, wobei jedoch die öffentlichen Relevanzverteilungen ebenso deutlich werden müssen, was man gut am Beispiel des Klimawandels diskutieren kann: Klimaleugner müssen nicht im Sinne einer falsch verstandenen Ausgewogenheit genauso oft zur Sprache gebracht werden wie Klimaforscher oder andere Akteure. Gleiches gilt für andere Felder: Politikberichterstattung braucht keinen automatischen Anruf bei Demokratiegegnern, nur um „ausgewogen“ zu sein. Ganzheitlichkeit meint auch, dass verschiedene Quellen der Erkenntnisse möglich sind und nicht nur die kognitive Ebene, die vielzitierte „Wissensebene“, in Recherchen und Produkten abgefragt und angesprochen wird. Auch andere Quellen wie Intuition, Emotion, Kontemplation und spirituelle Traditionen liefern Informationen, die oft ausgeblendet werden. Insgesamt zeugt dies von einer grundlegenden Haltung der Achtsamkeit in der Kommunikation, die auch für Journalisten wichtig ist (siehe hierzu Eurich).