Michael Adler (Quelle: privat)

Michael Adler ist seit 16 Jahren Chefredakteur der VCD-Mitgliedszeitschrift „fairkehr“ (Quelle: privat)

Von Lena Kasper

Warum haben Sie sich auf das Thema Mobilität spezialisiert?

Wenn ich zurückblicke, dann ist das eher zufällig passiert. Mein Ziel war es, mich mehr mit Umwelt-Themen zu beschäftigen. Ich hätte auch bei Greenpeace oder beim Öko-Institut landen können, aber damals war eine Stelle bei „fairkehr“ ausgeschrieben. Nicht, dass mich Mobilität nicht schon vorher interessiert hätte. Durch den Job wurde es dann aber natürlich mehr.

Was fasziniert Sie an der Mobilität?

Ich bin jetzt seit 16 Jahren Chefredakteur von „fairkehr“ und das Thema ist kein Tag langweilig geworden. Es fasziniert mich, warum Menschen sich bewegen. Wie schnell sie dabei sind, wie oft sie es tun und wie sie sich dabei fühlen. Ob nun mit dem Zug, mit dem Auto, per Fahrrad, oder zu Fuß.

Gibt es noch andere Themen, mit denen Sie sich verstärkt auseinandersetzen?

Mobilität ist ja nur ein Bestandteil der großen Nachhaltigkeitsdebatte. Insgesamt geht es dabei vor allem um die Frage, wie unsere Kinder und Enkelkinder auch in Zukunft noch gut leben können. Das kann man nicht allein durch nachhaltige Mobilität erreichen. Genauso wichtig sind Themen wie Energie, Reise oder Konsum. Das alles gehört zusammen.

Gerade im Umweltjournalismus wird man schnell mit der Aussage von Hans-Joachim Friedrich konfrontiert, ein guter Journalist dürfe sich mit nichts gemein machen, auch nicht mit einer guten Sache. Wie sehen sie das. Ist es falsch, wenn Journalisten sich für etwas einsetzen?

Nein, das glaube ich nicht. Auf der diesjährigen „Walk 21”, der Weltfußgängerkonferenz, habe ich ein Interview mit dem Gründer Jim Walker geführt. Als ich mich vorstellte, erklärte ich ihm, dass ich halb Journalist und halb PR-Berater sei und dadurch eben auch Vertreter einer Sache. Sein Kommentar war: „A communicator with a mission, I appreciate that!”  Viel problematischer ist für mich diese vorgeschobene Neutralität:  Als Redakteur von „Autor, Motor und Sport“ bin ich unabhängig, aber wenn ich für „fairkehr“ schreibe, dann arbeite ich nicht mehr im „Friedrichschen Sinne“, sondern bin meinungsgesteuert.

Es gibt eine Pflicht zur gründlichen Recherche und man sollte die eigene Position immer überprüfen. Aber ich halte nichts davon, zu sagen, „Ich bin ein neutraler Journalist, deshalb glaube ich nicht an den Klimawandel, da ein kleiner Teil der Wissenschaftler noch daran zweifelt.“  Wir müssen von den Fähigkeiten und den Möglichkeiten der freien Presse Gebrauch machen und Dinge hinterfragen. Wenn man dann eine eigene Position hat und sich engagiert, schürft man im Zweifel tiefer.

Glauben Sie, dass grüne Themen es in der allgemeinen Berichterstattung schwieriger haben als andere Nachrichten?

Auf jeden Fall. Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt eine Mehrheitsschere in den Köpfen vieler Journalisten: Die Grünen sind eine kleine Partei mit acht Prozent. Also will auch nur ein kleiner Teil der Leserinnen und Leser etwas von sogenannten „grünen Themen“ wissen. Die großen Parteien können absolute Nebenschauplätze, wie zuletzt die Pkw-Maut, bespielen, dann füllt das die Gazetten. Besonders dann, wenn auch noch Personaldebatten damit verknüpft sind.

Und immer dann, wenn keine große Industrie hinter einem Thema steht, fällt es schnell unter den Tisch. Carsharing hat mittlerweile Konjunktur, weil Anbieter wie die Deutsche Bahn oder BMW sich daran beteiligen. Auch das Radfahren rückt gelegentlich in den Fokus der Berichterstattung, aber das Thema zu Fuß gehen ist immer noch völlig unterrepräsentiert. Es ist nicht wirklich ein Umweltthema, es ist nicht wirklich Mobilität und für den Wirtschaftsteil ist es einfach nicht groß genug.

Welche Themen aus dem Bereich Mobilität dominieren denn statt dessen die Berichterstattung?

Natürlich vor allem das Auto. Es ist einfach immer noch DAS zentrale Thema, wenn es um Mobilität geht. Ich lese gerne die Süddeutsche Zeitung, ich finde ihre Berichterstattung ausgewogen und klar positioniert. Aber beim Ressort „Mobiles Leben“ wird’s mir trotzdem übel, wenn ich Fahrtberichte über neue SUVs oder Sportlimousinen lese.

Vor allem dann, wenn dafür so ein biologisches Vokabular benutzt wird. Wenn das Auto beispielsweise mit einem Geparden verglichen wird, der eine Gazelle durch die Savanne jagt.  Aber über Dinge wie eine menschliche Stadt wird nicht geschrieben.

Was ist denn eine menschliche Stadt?

Jim Walker hat es so ausgedrückt: „Wenn du als Familie nicht von dort wegziehen möchtest und dich auch als älterer Mensch wohlfühlst, dann ist in dieser Stadt irgendwas grundlegend richtig.“ Barrierefreiheit und die Sicherheit der Kinder auf der Straße sind in einer menschlichen Stadt gewährleistet. Es geht um neue Raum- und Weggestaltung für Fußgänger und Radfahrer und einen modernen Öffentlichen Verkehr.

Wenn man nur mit dem Auto durch die Straßen fährt, redet man nicht mehr mit seinen Nachbarn und für andere Verkehrsteilnehmer wird es gefährlicher. In einer menschlichen Stadt begegnet man sich und lernt sich kennen. Dadurch entsteht auch ein sozialer Zusammenhalt.

Gibt es Länder, die bei nachhaltiger Mobilität schon weiter sind?

Verkehrspolitisch sind das auf jeden Fall die Niederlande, die Schweiz und Dänemark. Eine konkrete Utopie für Deutschland wäre ein so stark ausgeprägter Radverkehr wie in den Niederlanden, geringer Autoverkehr wie in Dänemark und eine so zuverlässige und vielgenutzte Bahn wie in der Schweiz. Dass diese Länder schon so viel weiter sind, ist natürlich nicht genetisch bedingt. Da wurden vor Jahren politische Entscheidungen getroffen und konsequent durchgesetzt. Denn Mobilitätskulturen fallen nicht einfach so vom Himmel.

Erfreulich ist, dass sich auch Städte wie New York, London oder Paris für mehr Rad- und Fußwege einsetzen. Sie haben seit Jahren massive Verkehrsprobleme und setzen nun bewusst auf eine andere Mobilität. Im Gegensatz zu vielen deutschen Städten haben sie zwar immer noch einen schlechteren Modal Split, aber ihre Ambitionen sind deutlich höher als unsere.

Warum sind unsere Ambitionen so gering?

Ich würde es eine „lethargische Mittelmäßigkeit“ nennen. Unsere Rad- und Fußwege sind nicht so schlecht, die Bahn auch nicht, also müssen wir nichts ändern. Aber wenn wir in Zukunft wirklich nur noch zwei bis drei Tonnen CO2-Emissionenpro Einwohner und Jahr anstreben, was Klimaforscher für ein nachhaltiges Maß halten, müssen wir uns gewaltig anstrengen. Die deutschen Autohersteller haben hier auch einen großen Einfluss. Das hat man an der Debatte um die CO2-Grenzwerte gesehen.

Die Industrie hat einen direkten Draht zu Frau Merkel und diese unterstützt die Interessen der Hersteller dann auch auf europäischer Ebene. Dazu kommt, dass wir Deutschen einen Hang zum Staat haben, lieber abwarten und schauen, was er tut. Wir gründen Verbände, um den Staat zu lobbyieren. Das ist wichtig und oft erfolgreich. Was ich allerdings häufig vermisse sind direkte menschliche Aktivitäten. Dass man auf die Straße geht und sich für etwas einsetzt.

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