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Ansichten einer Agrarjournalistin – im Gespräch mit Tanja Busse

„In Deutschland gibt es keine Massentierhaltung“, so eine Aussage des Bauernverbands-Präsidenten, stimmt das?

Die Situation mag zwar in den USA um einiges schlimmer sein, doch besser macht es die Zustände in Deutschland noch lange nicht. Es findet inzwischen aber ein Dialog zwischen Bauern und Konsumenten statt. So installierten manche Bauern Kameras in ihren Ställen.

Warum überhaupt Massentierhaltung, woher kommt das?

Hier muss man die kulturellen und historischen Hintergründe in Betracht ziehen. Deutschland hat erfahren, was es heißt, Hunger zu leiden. In zwei Weltkriegen litt die Bevölkerung an Hunger, was sich natürlich nicht wiederholen durfte. Bauern haben einiges getan, um Erträge zu erwirtschaften und die Politik des Wachstums wird seither fortgeführt. Die Ertragssteigerung ist jetzt wie Hochleistungssport. Immer mehr, mehr, mehr. Das führt zu bloßer Massenernährung und billigem Essen. Es gibt allerdings Gegenbewegungen: Tierrechtsbewegung, Menschen, die keine Billignahrung mehr essen wollen…

Welches öffentliche Image hat ein Landwirt heute?

Sie hat viel Verständnis für die Situation der Bauern, da diese wirtschaftlich arbeiten müssen. Es stellt sich die Frage, ob der Bauernverband überhaupt die Interessen der Kleinbauern vertritt. Glücklicherweise nimmt die Öffentlichkeit diesen Konflikt war, z.B. durch den Milchpreisstreik. Die Bauern sind also nicht wirklich an Massentierhaltung schuld, da die Großkonzerne einen ökonomischen Druck auf die Kleinbauern ausüben.

Wir lesen, dass Biobauern wieder öfter konventionell wirtschaften. Wieso?

Es gibt tatsächlich Probleme für Bauern Absatzmärkte für ihre Bioprodukte zu finden. Großkonzerne importieren immer mehr Bioprodukte aus dem Ausland, wodurch die örtlichen Bauern im Regen stehen. Zwar ist die Nachfrage da, die Supermärkte allerdings nicht gewohnt kleine Mengen beim örtlichen Bauern zu bestellen. Die Vermarktungskette ist nicht gut gelöst. Marktversagen!

Ist Regio vielleicht das neue Bio?

Das darf sich nicht ersetzen, viel eher muss es sich bedingen. Importe sind nämlich nicht wirklich bio, sondern bio müssten eigentlich immer so regional wie möglich sein. Eigentlich müsste es Hand in Hand gehen. Das Idealbild wäre ein ökologischer Kreislauf, der regional verwurzelt ist.

Wie kommt denn der hohe Preis der Bio-Produkte zustande?

Der normale Bauer wird durch Subventionen geschützt, muss für Schäden an der Umwelt nicht zahlen, er verursacht externe Kosten, die auf die Allgemeinheit (Trinkwasseraufbereitung) und auf zukünftige Generationen (Verlust der Biodiversität) abgewälzt werden. Bio-Bauern nehmen auf die Natur Rücksicht und bekommen kaum zusätzliche Unterstützung. Der Preisdruck der großen Supermarktketten tut sein Übriges dazu.

Inwieweit beuten Supermärkte den Trend zum Bio-Produkt aus?

Das ist schwierig zu beantworten. Es gibt schon Leute in den Supermarktketten, die gerne etwas ändern würden. Allerdings befindet sich der Markt unter großem Preisdruck, weshalb echte Veränderungen schwierig werden. REWE hat zum Beispiel ein Nachhaltigkeitsprogramm. Viele möchten beispielsweise eine gesetzliche Vorlage zu Thema Bio-Standards und Tierschutz, an die sich alle halten müssen.

Wie schützt sich der Kunde am besten vor Label-Betrug?

Man muss sich zwingend selbst informieren. Selbst bei den Unternehmen nachfragen, sorgt für Aufmerksamkeit, die sie zum Umdenken bewegen könnten.

Warum trägt eines Ihrer Bücher den Titel „Ernährungsdiktatur“? Wir können doch frei wählen, was wir essen und was nicht…

Was ich zeigen wollte: Wir haben eine riesige Auswahl an Lebensmitteln. Beispielsweise gibt es im Regal 50 verschiedene Müslisorten. Wirft man jedoch einen genauen Blick darauf, merkt man: Es ist immer dasselbe nur in anderer Form und anderen Farbstoffen. Eine Vielzahl an Produkten wird lediglich suggeriert, ist allerdings nicht tatsächlich vorhanden. Diese Auswahl wird dann auch nur von zwei großen Herstellern dominiert, weshalb ich Ernährungsdiktatur ganz passend fand.

Man darf sich als Journalist nicht mit einer Sache gemein machen, heißt es – auch wenn es eine gute Sache ist. Stimmen sie dem zu?

Ein wichtiger Punkt, der mich auch sehr beschäftigt. Mit der Moderation der Demo „Wir haben es satt“ gegen die Agrarindustrie anlässlich der grünen Woche habe ich mich mit einer Sache gemein gemacht. Ich denke auch an Ergebnisse von Recherchen, die mich zu dem Schluss kommen lassen haben, dass wir dringend eine andere Agrarpolitik brauchen. Als Buchautorin kann ich das machen. Schwierig wird es, wenn man einerseits als Autorin eine dezidierte Position vertritt, andererseits als Moderatorin einer Sendung objektiv sein muss. Da muss man gut aufpassen. Der journalistische Ansatz sollte allerdings immer sein, objektiv an eine Sache heranzugehen (wobei objektiv ein erkenntnistheoretisch fragwürdiger Begriff ist), immer beide Seiten zu sprechen und immer nachzuhaken.

Gesprächsprotokoll: Niklas Nissen und Anna Heiß

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