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Begriffswahl im Klimajournalismus: Blühende Vielfalt statt Sprachdiktatur

Kai Schöneberg und Torsten Schäfer im taz-Talk zu klimagerechter Sprache (Quelle: taz/Youtube)

Der Ölkonzern Shell wusste bereits in den 1980er Jahren vom menschlichen Einfluss auf das Klima. Trotzdem stritt er ihn öffentlich ab. Statt präzisere und schon damals übliche Begriffe wie Klimaerwärmung zu benutzen, sprach Shell vom Klimawandel und bezweifelte, dass er menschengemacht sei. Heute verwendet die ganze Welt diesen Begriff, der dem Guardian zufolge eher „passiv und nett“ klingt statt nach einer globalen Katastrophe. Sollten Journalisten ihn also weiterhin benutzen – oder lieber darauf verzichten? „Man könnte natürlich sagen, man geht Shell damit auf den Leim“, so Torsten Schäfer, Gründer von grüner-journalismus.de. „Aber ich finde es wichtig, diesen Begriff beizubehalten, um nicht den Anschluss an die breite Masse zu verlieren.“ Schließlich sei Klimawandel das bekannte und seit langem etablierte Schlüsselwort in diesem Themenkomplex.

Über diesen und weitere Begriffe diskutierte Schäfer am Montagabend (7.9.2020) mit taz-Journalist Kai Schöneberg, der zum virtuellen Youtube-Gespräch über klimagerechte Sprache geladen hatte. Die taz ist die erste deutsche Zeitung, die sich einen Leitfaden für ihre Klimaberichterstattung setzt. Die Empfehlungen darin stammen von Schäfer. Er hat sich dabei unter anderem am „Guardian“ orientiert, der seinen Journalisten seit 2019 klare Leitlinien an die Hand gibt. Statt Klimaskeptiker sollen sie beispielsweise Klimaleugner oder Klimawandelleugner schreiben, um zu betonen, dass solche Personen sich außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses bewegen. Und um die drastischen klimatischen Veränderungen akkurater zu beschreiben, ist statt von globaler Erwärmung meist von globaler Erhitzung die Rede. 

Vokabeln erweitern statt Worte verordnen

Diese und ähnliche Empfehlungen stehen auch in Schäfers Leitfaden. Schöneberg zufolge dienen sie jedoch nur als Orientierung. Die taz wolle keine „Sprachdiktatur“ errichten, Journalisten seien weiterhin frei in ihrer Wortwahl. Außerdem geht es laut Schäfer in der klimagerechten Sprache nicht nur um spezifische Begriffe, sondern auch darum, das Klimavokabular zu erweitern. So plädiert er beispielsweise dafür, nicht immer nur Klimawandel zu schreiben, sondern auch Klimakatastrophe, Klimachaos oder schlicht Klimaproblem.

Welche Zeitlichkeit hat ein Wort?

„Weil die Klimadimension immer ausdifferenzierter und komplexer wird, brauchen wir eine breitere Sprache“, sagt Schäfer. „Dadurch wird sie vielfältiger, lebendiger, blühender und damit auch stärker und wirksamer.“ Auch der von Greta Thunberg häufig verwendete Begriff Klimakrise sei möglich – sollte laut Schäfer jedoch mit Vorsicht verwendet werden, da es bei Krisen einen Anfang, eine Lösung und auch ein absehbares Ende gäbe. Dies sei bei der Erderhitzung – im Gegensatz zur Coronakrise, beispielsweise – nicht der Fall.

Außer über den Leitfaden diskutierten Schäfer und Schöneberg auch über die generelle Ausrichtung von Klimaberichterstattung, die häufig von Katastrophenberichten und Horror-Szenarien geprägt ist. Um diesem Dauer-Alarmismus entgegenzuwirken, empfiehlt Schäfer, mehr konstruktive Botschaften zu senden. So sollten Journalisten häufiger nach dem Wohin? fragen und vermehrt über Ideen, Lösungen und Erfolge berichten.

Zwar könne eine solche Berichterstattung nur bedingt die Handlungen der Rezipienten beeinflussen. Sie hilft jedoch laut Schäfer dabei, klimabezogene Ängste zu bekämpfen und stattdessen mehr Hoffnungen oder Interesse für das Klimathema zu wecken.

Torsten Schäfers Empfehlungen für eine klimagerechten Sprache finden Sie hier. Das Gespräch zwischen Schäfer und Schöneberg kann auf Youtube abgerufen werden.

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