Der verborgene Darmbach- Wie eine Initiative versucht, das kleine Gewässer im Herzen der Stadt wieder zum Leben zu erwecken      

Ein Text von Lucie Kraft

Im Jahr 2023 flossen rund 1,3 Millionen Euro aus dem Darmstädter Haushalt in die städtische Kläranlage – ein Betrag, der für die Aufbereitung des sauberen Darmbach Wassers ausgegeben wird. Für den Verein Darmbach e.V. ist das ein ökologischer Missstand, gegen den er kämpft. Er setzt sich für die Offenlegung des Darmbachs und dessen Bekanntheit ein, denn das rund 30 km lange, meist unterirdisch geführte Fließgewässer schlängelt sich durch Darmstadt, ist jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten. Kann der Verein das in der Bevölkerung ändern?

Der Darmbach entspringt im Darmstädter Ostwald und fließt ab dem Vivarium durch Wiesenlandschaften, durchquert den Botanischen Garten und den Großen Woog, bevor er meist unterirdisch bis in den Westen der Stadt verläuft. Nachdem er das Stadtgebiet in Richtung Griesheim verlässt, ändert das Gewässer seinen Namen zu Landwehr. 

Technisches Meisterwerk des 16. Jahrhundert

Historisch gesehen war der Darmbach schon immer eng mit dem Stadtleben verbunden. Zusammen mit dem Meiereibach speiste er den Großen Woog, der im 16. Jahrhundert unter Landgraf Georg I. angelegt wurde. Am Woog teilte sich der Darmbach in mehrere Wasserläufe, darunter der Soderbach und ein künstlich angelegter Mühlbach. Dieser trieb insgesamt fünf Mühlen an, die im 16. Jahrhundert als technische Meisterwerke galten. Im Laufe der Zeit führte die zunehmende Verschmutzung des Wassers und die damit verbundene Geruchsbelästigung dazu, dass der Bach im Stadtgebiet immer mehr abgedeckt wurde. 1888 wurde der Kleine Woog schließlich zugeschüttet – der Darmbach verschwand fast vollständig aus dem Stadtbild.

Neuer Versorger für den Darmbach und dem großen Woog

Seit der Gründung im Jahr 2008 verfolgt der Verein ökologische als auch kulturelle Ziele. Durch die Offenlegung des Darmbachs soll ein verantwortungsvoller Umgang mit den Wasserressourcen entstehen, neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen, das Stadtbild aufgewertet und die Frischwasserversorgung des Großen Woog in Trockenzeiten gesichert werden. Ein weiteres Anliegen der Gewässer Initiative ist die Reaktivierung des Meiereibachs, der seit den 1970er Jahren ebenfalls in die Kanalisation geleitet wird. Der Verein möchte ihn mit Rohren unter der Bundesstraße B26 wieder in seinen ursprünglichen Lauf zurückführen, damit er den Darmbach und den Großen Woog mit Wasser versorgen kann.

Die Frau hinter dem Darmbach

Jutta Habermann ist Vorsitzende des Darmbach- Vereins. Sie lebt seit ihrem Studium in Darmstadt und arbeitete 40 Jahre im Landratsamt. Nach ihrem Ruhestand wurde ihr das Leben jedoch “zu eintönig”. So entschloss sie sich, neuen Aufgaben zu widmen und ist heute unter anderem Berufsbetreuerin.

„Ich habe mich schon immer in meinem Umfeld sozial engagiert“, sagt Habermann, die Mitbegründerin des Vereins Kinder- und Jugendarbeit e.V. im Johannesviertel ist. Ihr Interesse an politischen Prozessen half ihr, sich schnell in ihre Rolle als Vorsitzende einzufinden „Ich glaube, ich weiß jetzt, wie politische Macht funktioniert, und das kann ich für den Verein nutzen”.

Ihre Verbindung zum Darmbach-Projekt begann bereits in den 1990er Jahren, als Darmstadt im Rahmen der Agenda 21-Prozesse Initiativen zur nachhaltigen Stadtentwicklung startete. „Damals war die Offenlegung des Darmbachs ein zentrales Projekt“, erinnert sie sich. “2009 bin ich dann dazu gestoßen.“ Für sie ist die Arbeit am Fluss auch eine persönliche Herzensangelegenheit. Als Kind hat sie oft an einem Bach in ihrer Heimat gespielt. Diese Erinnerungen prägen ihr Engagement: „Es ist weniger eine einzelne Person, die mich inspiriert hat, sondern die Sache selbst.“ 

Politik als Gegner

Doch trotz erster Fortschritte scheiterte die Umsetzung immer wieder an politischen Widerständen. Ein Meilenstein in jüngster Zeit war eine Machbarkeitsstudie. „Doch trotz vielversprechender Ergebnisse wird diese aufgrund politischer Entscheidungen vorerst nicht veröffentlicht.“ Hinzu kommt ein weiteres großes Hindernis: die so genannte „Darmbach-Rinne” vor dem Wissenschafts- und Kongresszentrum Darmstadtium. Viele Menschen glauben, hier fließe der Darmbach – tatsächlich handelt es sich aber nur um ein sogenanntes “Rückhaltebecken”, das nur bei starken Regenfällen Wasser führt. So entsteht der Trugschluss, der Darmbach führt zu wenig Wasser. „Diese und andere Missverständnisse erschweren die Kommunikation des Projekts in der Öffentlichkeit“, sagt die Vorsitzende.

Hauptaufgabe des Darmbach e.V. ist es daher, das Thema immer wieder auf die politische Agenda zu setzen, denn trotz erster Fortschritte scheitert die Umsetzung immer wieder an politischen Widerständen: „Man braucht einen langen Atem“. Trotz der Herausforderungen blickt Habermann stolz auf die Arbeit der Gewässer Initiative. „Wir kommunizieren auf eine angenehme Weise, auch wenn wir manchmal lästig sind. Aber das zeigt, dass wir beharrlich an unserer Sache arbeiten.” 

Stolz ist sie auf die Öffentlichkeitsarbeit, die das Projekt in der Stadt bekannt macht. Trotz Rückschlägen lautet die Devise des Vereins: Weitermachen! Dabei setzt er vor allem auf das Engagement seiner Mitglieder und ermutigt auch neue Unterstützer: innen, sich einzubringen. „Je mehr Menschen hinter dem Projekt stehen, desto größer wird der Druck auf die Politik“, erklärt sie entschlossen.

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