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Universität Dortmund: Der neue „Mediendoktor Umwelt“

Mediendoktor Umwelt
Seit Mai 2013 bewertet der Medien-Doktor auch Artikel zu Umweltthemen (Screenshot: medien-doktor.de)
Seit Mai 2013 bewertet der Medien-Doktor auch Artikel zu Umweltthemen (Screenshot: medien-doktor.de)

Von Wiebke Rögener und Holger Wormer

„So etwas müsste es auch für andere Bereiche geben!“ – Das bekam das Medien-Doktor-Team immer wieder zu hören, seit das am Dortmunder Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus angesiedelte Qualitätsmonitoring für Medizinjournalismus im November 2010 online gegangen war. Auch in anderen Themenfeldern des (Wissenschafts-)journalismus sei ein kritischer Blick auf die Qualität der Berichterstattung dringend geboten, fanden viele Kolleginnen und Kollegen. Die Standardantwort der Medien-Doktoren: Wir arbeiten daran. Von Mai 2013 an ist nun auf der neuen Webseite medien-doktor.de/umwelt zu sehen, was dabei heraus gekommen ist; wer sich für Medizin- und Umweltberichterstattung interessiert, findet beide  Monitoringprojekte nun gleichzeitig auf der Startseite medien-doktor.de.

Umwelt auf Platz zwei in Printmedien

Tatsächlich war ein Ausbau der systematischen Qualitätsbewertung von Anfang an eingeplant, beschäftigt sich der Dortmunder Lehrstuhl doch nicht nur mit Medizin-, sondern der ganzen Bandbreite der Wissenschaftsberichterstattung. Dabei fiel die Wahl auf Umweltthemen als nächstes Projekt zum einen sozusagen wegen der Quote: Dem Umfang nach steht „Umwelt“ zumindest in vielen Printmedien auf Platz zwei der Wissenschaftsthemen-Hitparade, gleich nach Medizin und Gesundheit.

Zum anderen haben diese Themen erhebliche gesellschaftliche Relevanz (man denke nur an Energiewende, Klimawandel, Landwirtschaft & Ernährung…). Ähnlich wie bei Medizinthemen geht es hier häufig um Fragen, die eine breite Öffentlichkeit unmittelbar bewegen, die Ängste und Hoffnungen auslösen. Nicht selten sehen sich Mediennutzer bei Umweltproblemen zudem direkt oder indirekt zum Handeln aufgefordert, nicht nur in politischen Auseinandersetzungen, sondern auch bei ganz alltäglichen Entscheidungen, etwa in den Bereichen Konsum, Ernährung und Mobilität. Und schließlich zeigten Vorarbeiten am Lehrstuhl, dass dieses – auch wegen seiner Interdisziplinarität besonders interessante – Themenfeld sich gut eignen könnte, um Beiträge mit einem ähnlichen Instrumentarium zu bewerten, wie es für den Medizinjournalismus erprobt ist.

Stufenweise Erarbeitung der Qualitätskriterien

Wir gingen dabei von der Annahme aus, dass einige der Kriterien, wie sie im Medien-Doktor MEDIZIN in Anlehnung an international eingeführte Standards entwickelt wurden, auf den Medien-Doktor UMWELT übertragbar sein würden, während andere neu zu erarbeiten wären. Eine Literatur- und Internetrecherche ergab, dass weder im deutschen Sprachraum noch international (englischsprachig) ein dem Medien-Doktor MEDIZIN und seinen Vorbildern entsprechender Kriterienkatalog für die Bewertung der Qualität umweltjournalistischer Beiträge aufzufinden war.

Es galt also, ein Instrumentarium neu zu erstellen, das über allgemeine Qualitätsstandards für den Journalismus hinaus spezifische Kriterien für die Umweltberichterstattung formuliert. Dabei konzentrieren wir uns auf Beiträge, die zumindest in Teilen wissenschaftliche/technologische Aussagen enthalten. Dieses Segment macht, wie sich aus einer kleinen Erhebung in ausgewählten Medien zumindest abschätzen lässt, wahrscheinlich mehr als ein Drittel der umweltjournalistischen Berichterstattung aus.

In der explorativen Phase des Projekts, das von der Dortmunder Caspar Ludwig Opländer Stiftung finanziell unterstützt wird, baten wir zum einen rund 30 Umweltjournalistinnen und -journalisten aus Print, Hörfunk und TV regionaler und überregionaler Medien, spontan jeweils drei Punkte zu nennen, die ihrer Meinung nach „gute Umweltberichterstattung“ ausmachen. Unter den top ten fanden sich – neben allgemeingültigen Forderungen nach „Verständlichkeit“ oder „Relevanz“ – Punkte wie „Lösungsmöglichkeiten und Handlungsoptionen nennen“ oder „neben naturwissenschaftlichen/ökologischen auch kulturelle, ökonomische, soziale und politische Dimensionen einbeziehen“. Zum anderen haben wir bei der Kriterienentwicklung geprüft, was sich aus dem bewährten Katalog des Medien-Doktor MEDIZIN übernehmen ließ.

Evidenz, Quellentransparenz, Pro und Contra – was ist erfüllt?

Das Ergebnis war eine Zusammenstellung von Kriterien, die sich am Interesse der Mediennutzer orientiert, unabhängig, zuverlässig und verständlich über Umweltthemen informiert zu werden. Bewertet wird beispielsweise, ob Beiträge Umweltprobleme aufbauschen oder verharmlosen, die Darstellung der Evidenz, die Quellentransparenz und die Berücksichtigung unterschiedlicher Standpunkte.

Die Kriterien wurden während des Sommersemesters 2012 im Rahmen eines studentischen Seminars erprobt, wobei die Studierenden die Gutachterrolle übernahmen und je zehn Beiträge bewerteten – und gleichzeitig ihr eigenes Bewusstsein für Qualität im Wissenschaftsjournalismus schärfen konnten. Das Resultat: Einzelne Kriterien (etwa „kein Greenwashing“) waren für sich allein offensichtlich zu speziell und daher zu selten anwendbar. Andere (etwa zum „Nutzen“ von Lösungsvorschlägen) wurden häufig falsch interpretiert und mussten neu formuliert werden. So entstand ein Katalog aus zehn umweltjournalistischen, ergänzt um die drei bisherigen, aus der journalistischen Qualitätsforschung abgeleiteten allgemeinjournalistischen Kriterien – eine Struktur, die aus dem Medien-Doktor MEDIZIN übernommen werden konnte.

Debatte auf den Bremer „Wissenswerten“

Nun waren wieder die Profis am Zuge: Ein Expertenkreis aus im Umweltjournalismus erfahrenen Kolleginnen und Kollegen erörterte die Kriterien in zwei Diskussionsrunden an der TU Dortmund. Während der „WISSENSWERTE“ im November 2012 wurde der Entwurf des Kriterienkataloges außerdem den Gutachtern des Medien-Doktor MEDIZIN vorgestellt. Im Laufe dieses Prozesses hat sich der Katalog weiterentwickelt, Missverständnisse wurden ausgeräumt und Formulierungen geschärft, bis der diskussionsfreudige Kreis der Geburtshelfer der Meinung war, mit dieser Version könne man es probieren.

Im März 2013 schließlich ging der Medien-Doktor UMWELT in eine Erprobungsphase unter Realbedingungen. Dabei zeigte sich: Zwar sind – erwartungsgemäß – nicht immer beide Gutachter über die Bewertung jedes Kriteriums einig. Doch der gelegentlich auftretende Dissens ist gering und nicht größer als bisher beim Medien-Doktor MEDIZIN. Er führt außerdem zu durchaus produktiven Diskussionen, an deren Ende die Redaktion bisher immer einen Konsens zwischen den jeweils zwei Gutachtern herstellen konnte.

Damit liegt nun vor, was bisher wohl international einmalig ist: Ein begründeter und klar definierter Katalog von Kriterien zur systematischen und transparenten Bewertung umweltjournalistischer Beiträge in Zeitungen, Magazinen, Online-Medien, im Fernsehen und Radio, der im Laufe des Projekts auch Hinweise liefern soll, zu welchen dieser Kriterien vielleicht der größte Bedarf für die Aus- und Weiterbildung von Journalisten besteht. Dabei sind die Kriterien selbst aber auch nur als erster Vorschlag zu betrachten, mit dem wir die Diskussion um Qualität im Umweltjournalismus anregen wollen.

Der Beitrag erschien zuerst bei der Wissenschaftspressekonferenz als Einzelartikel

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