Das Interview haben uns die Macher des Postwachstums-Blogs LykkeLykke freundlicherweise zur Verfügung gestellt
Frau Tügel, was macht sie glücklich?
Mich macht so einiges glücklich – z. B. ein schönes Tischtennisspiel, mit netten Menschen oder lieben Freunden zusammen zu sein, einen Kuchen zu backen oder etwas Kreatives zu schaffen. Auch bei meiner Arbeit als Journalistin macht mich das Schreiben immer noch glücklich. Außerdem mag ich es, etwas auf den Punkt zu bringen.
2001 brachten Sie den Roman „Projekt Schlaraffenland“ raus. Im Buch ist die Rede von einem Glücksfett, das in Keksen verarbeitet wird und die Esser fröhlich und friedlich stimmen soll. Passiert so etwas auch in der Realität? Zum Beispiel durch Salz und Zucker, die beide nachweislich als Köder für das Gehirn dienen?
Bei bestimmten Dingen wie Kartoffelchips habe ich zumindest den Eindruck, dass man weiter essen will und muss – und sich hinterher allerdings gar nicht glücklich fühlt. Wenn die Hersteller noch verstünden, damit ein Glücksgefühl zu verbinden, wären sie wahrscheinlich sehr froh – und würden noch reicher werden. Ich habe schon damals recherchiert, dass es bestimmte Substanzen gibt, mit denen ein Glücksgefühl einhergehen soll – z. B. Taurin, das in Red Bull enthalten ist. Für die Lebensmittelindustrie ist das sicherlich eine sehr interessante, aber durchaus fragwürdige Sache, Produkte zu kreieren, die ein Glücksgefühl hervorrufen. Schokolade und Kakao sollen ja Inhaltsstoffe enthalten, die ohne künstliche Hilfe glücklich machen.
Ohne Rücksicht auf Nebenwirkungen bläst der Konzern Fosco im Roman zum Sturm auf den Weltmarkt und will Konsumenten mit “Joy Food“ glücklich machen. Es soll so selbstverständlich werden wie Nestlés Kindermilchpulver oder Maggis Würze. Inwieweit ist das Buch eine Kritik an die heutigen Lebensmittelkonzerne?
Wenn man einen Roman schreibt, in dem ein Konzern eine neue Strategie entwickelt, die Leute cool und antidepressiv zu stimmen, ist das natürlich eine Kritik an den Industrieunternehmen. Es ist aber auch eine Fiktion – Fantasie mit ernstem Hintergrund.
Schwenken wir rüber zum Journalismus: Haben Sie sich in den letzten Jahren weiterhin mit dem Themen Glück und Konsum auseinandergesetzt?
Konsum fällt bei mir in das größere Feld meiner Umweltberichterstattung beim “GEO”-Magazin. Wir haben die erste Geschichte zum Treibhauseffekt bereits 1989 gemacht, da war ich noch gar nicht bei “GEO”. Die Titelgeschichte lautete: „Sind wir noch zu retten?“ In dieser Publikation stand schon drin, dass gegen CO2 nur Einsicht und Verzicht helfen. Das ist also ein immer wiederkehrender Refrain bei uns. Zuletzt im Titelschwerpunkt „Einfach besser leben. Ist eine Gesellschaft ohne Wirtschaftswachstum möglich?“ Es ist ein Grundthema, das sich durch meine gesamte Karriere gezogen hat.
Aber natürlich können wir unseren Lesern nicht jeden Monat diese Themen vorsetzen, obwohl man es vielleicht sollte. Natürlich stumpfen die Leute auch ab – das ist völlig klar. Es ist nicht mehr das Problem, dass wir genug über die Zusammenhänge wissen, sondern dass wir gekonnt versuchen, sie zu ignorieren.
In den letzten Jahren wurde viel über den Klimawandel berichtet. Nun bekommen aber immer mehr das Gefühl, dass die meisten Menschen gar keine Lust mehr verspüren, sich mit dem Thema weiterhin auseinanderzusetzen.
Ganz genau. Journalisten müssen es nun schaffen, neue Ideen zu entwickeln, um dasselbe Thema immer wieder in verschiedenen Formen anzubieten. Interessant ist, da sie über die Themen Postwachstum und Glück eine Bachelorarbeit anfertigen, dass die gesamte Wertedebatte im Vordergrund steht. Diese wird mehr und mehr mit der Nachhaltigkeitsdebatte verknüpft. Deshalb ist es manchmal interessant, einen Artikel über Meditation und Achtsamkeit zu schreiben und trotzdem diesen Postwachstumsgedanken im Hinterkopf zu behalten.
Zu dem Punkt neue Ideen: Was können Medien noch tun, um diese Themen in neuen Formen besser zu platzieren? Oder liegt es am Ende immer am Endverbraucher und seinen Themenwünschen?
Ich habe am Wochenende eine interessante Geschichte aus dem neuen Greenpeace Magazin gelesen, die mir sehr imponiert hat. Die Autorin hatte ein Gesetz gefunden, in dem steht, dass man Kompensationen zahlen muss, falls man der Natur Schaden zufügt. Ihr eigener CO2-Wert lag bei 15 Tonnen pro Jahr, ein Vielfaches von dem, was weltweit angemessen wäre. Deshalb ging sie zur Polizei, um sich selbst anzuzeigen. Die Polizisten waren damit natürlich völlig überfordert. Sie hat auf eine interessante Weise von einem ganz anderen Blickwinkel auf dieses Thema geschaut und ein Aha-Erlebnis bei den Lesern erzeugt. Was wäre, wenn das alle Bürger nun machen würden? Wie würde die Politik dann einschreiten? Was würde passieren, wenn diese Selbstanzeigen vor Gericht kommen und Erfolg hätten?
Sie sind seit 1995 Redakteurin des Magazins “GEO”. Aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung: Welche Bedeutung haben grüne Themen in den heutigen Medienlandschaft?
Die Bedeutung ist auf jeden Fall gewachsen. Natürlich waren schon früher ein paar Fachzeitschrift wie das Greenpeace Magazin, Natur oder auch “GEO” für grüne Themen zuständig. Inzwischen aber ist keine seriöse Tageszeitung ohne diese Themen denkbar. Zudem gibt es im Internet verschiedene Blogs zu diesen Themen. Aus einem Nischenthema ist langsam ein gesamtgesellschaftliches Thema geworden. Das heisst aber nicht, dass wir der Lösung näher gekommen sind.
„Medien, die den Menschen zu unbequeme Wahrheiten mitteilen, werden – genau wie Politiker – abgewählt oder erleiden Nachfrageverluste.“ Das meint Dr. Niko Paech. Stimmen sie dem zu?
Tendenziell ja. Ich habe Dasselbe von Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur der Wochenzeitung “Die ZEIT”, A. d. R.) gehört: dass sie bei grünen Problemthemen auf dem Titel weniger Exemplare verkaufen, als wenn es um andere Themen geht. Das heißt aber nicht, dass sie nicht im Innenteil viel darüber berichten. Bei “GEO” ist es ein bisschen ähnlich. Gerade unser Leserschaft fühlt sich zum Teil durchaus sehr sensibel für Umweltfragen. Dennoch haben wir durch die Marktforschung festgestellt, dass sich unsere Leser freuen, wenn diese Themen vorkommen, aber wenn wir sie dann fragen, ob sie die Artikel gelesen haben, bekommen wir oft ein “nein” zu hören.
Welche Rolle müssen Journalisten speziell gegenüber Umweltthemen und beim Thema Postwachstum einnehmen?
Sie müssen sehr, sehr hartnäckig bei diesen Themen bleiben. Einer, der das großartig macht, ist Fritz Vorholz von der “ZEIT”, der aus dem Wirtschaftsressort kommt und immer wieder darauf beharrt, diese Themen anzusprechen. Einerseits muss man hartnäckig bleiben, aber anderseits auch kreativ und den Lesern diese Themen in Bereiche reinschmuggeln, bei denen sie vielleicht auf den ersten Blick gar nicht an Umwelt und Werte denken.
Was halten Sie von den beiden Indikatoren Happy Planet Index und World Happiness Report, die nachweisen wollen, wo die glücklichsten bzw. zufriedensten Völker auf der Erde leben?
Ich hatte mich mit dem Happy Planet Index beschäftigt, aber nachdem Kolumbien, ein Land mit unendlich viel Gewalt und Millionen von Binnenflüchtlingen, so hoch gerankt wurde, kann ich diesen Indikator nicht mehr ernst nehmen. Dagegen erscheint mir der World Happiness Report seriöser.