Interview: Andreas Cevatli
Schaut man heutzutage ins Fernsehen, könnte man meinen Klimaberichterstattung sei gleich Katastrophenberichterstattung. Was macht KLIMA° vor acht anders?
Friederike: Die Medien fokussieren sich sehr stark auf einzelne Extremereignisse, bringen diese dann in ihrer Berichterstattung und danach kommt lange wieder nichts. Das hat man in den letzten Jahren und Jahrzehnten gesehen. Genau hier liegt das Problem. Wir hingegen finden, man braucht ein tägliches Kurzformat, das Klima nicht nur bei Extremereignissen aufgreift, sondern die gesamtgesellschaftliche Situation mitdenkt. Man muss zeigen, welche Auswirkungen das Klima auf uns alle hat. Mittels konstruktivem Journalismus hat man die Möglichkeit, den Menschen die Wichtigkeit und Dringlichkeit zu vermitteln – aber auch gleichzeitig Lösungsszenarien und Handlungsoptionen für diese Krise aufzuzeigen.
Wie sieht konstruktiver Umwelt- und Klimajournalismus denn eurer Meinung nach aus?
Friederike: Unser Konzept betrachtet große Phänomene wie „Klimakipppunkte“ ebenso wie aktuelle Ereignisse. Wir ordnen diese nachvollziehbar ein, erläutern die Probleme und Verbindungen zu anderen Klimaschnittstellen, sprechen über deren Auswirkungen für Mensch und Natur. Wir halten es hierbei kurz, aber stets wissenschaftlich fundiert. Wir müssen die Zusammenhänge für alle sichtbar machen.
Woran liegt es, dass die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten trotz Informationspflicht und Bildungsauftrag ein solches Format nicht etablieren wollen?
Norman: Offenbar wird in den oberen Reihen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Klimakrise immer noch nicht verstanden – das muss man ganz knallhart so sagen. Dabei gibt es auch bei den Öffentlich-Rechtlichen viele Redakteur:innen, die sich mit der Klimakrise beschäftigen. Was es allerdings wirklich bräuchte, ist eine richtungsweisende Entscheidung von oben. Ein „wir richten unser Programm danach aus“, wie es beispielsweise Radio France vor kurzem getan hat. Die haben ganz klar gesagt: „Das ist die größte Herausforderung der Menschheit und deshalb denken wir bei all unseren Nachrichten die Klimakrise mit.“ Das bräuchten wir in Deutschland auch.
Gibt es denn ähnliche Entwicklungen auch hierzulande?
Norman: Die gibt es, klar. Kurz bevor wir unsere ersten Folgen herausbrachten ist RTL an uns herangetreten – mit dem „Klima Update“ gibt es jetzt ein ähnliches Format, das dort zweimal wöchentlich zur Prime-Time ausgestrahlt wird. Die blicken mittlerweile schon auf weit mehr als hundert Folgen zurück. Ihr Format wurde dieses Frühjahr für den Grimme-Preis nominiert. Das ist natürlich auch für uns eine Bestätigung. RTL setzt viele Dinge um, die wir uns auch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk wünschen würden.
Friederike: Der letzte entscheidende Schritt fehlt einfach noch. Das Kostenframing der Klimakrise funktioniert momentan noch gut und bringt viele Klicks ein. Aber mehr und mehr Daten zeigen, dass lösungsorientierter Journalismus für die Medienhäuser auch monetär sehr lohnend sein kann. Die Leser:innen honorieren das, schließen häufiger Abos ab und bleiben länger auf den Seiten.
Ein Umdenken findet also langsam statt. Wie nehmt ihr das Feedback aus der Bevölkerung wahr?
Friederike: Wir erhalten viel Zuspruch. Die Kommentarspalten unter unseren Beiträgen zeigen das ganz gut. Natürlich ist die Klimakrise in der Gesellschaft ein Thema, das zu vielen Diskussionen führt. Dass Umweltjournalismus in den Medien jedoch „Grünenfernsehen“ ist oder man damit parteipolitische Interessen bedienen würde – ich würde mir wünschen, dass wir über diese Diskussionen endlich mal hinwegkommen würden. Den meisten Bürger:innen ist auch klar, dass dieses Thema weit über Parteipolitik hinausgeht.
Wir nehmen die Auswirkungen der Klimakrise nur begrenzt wahr. Wie kann man also Bürger:innen zeigen, dass es sich lohnt, etwas zu ändern?
Norman: Wenn es um die Klimakrise geht, sind viele Lösungen heute schon da. Aber die werden oftmals aus kurzfristigen wirtschaftlichen oder politischen Gründen nicht umgesetzt. Aber diese Lösungen existieren – und das muss man den Bürger:innen zeigen. Zu handeln kostet uns weitaus weniger als nichts zu tun. Diese Geschichte, dieses Narrativ müssen wir erzählen!
Kritiker:innen sehen darin tendenziöse Berichterstattung und ermahnen Journalist:innen zu mehr Objektivität. Was entgegnet man solchen Aussagen?
Norman: Michael Brüggemann, den wir auch als Autor für unser Buch „Medien in der Klima-Krise“ gewinnen konnten, hat bei Deutschlandfunk Nova im Hörsaal-Podcast etwas sehr Passendes dazu gesagt: „Objektivität wird häufig als Distanz und Neutralität interpretiert – aber wie kann man neutral und distanziert sein, wenn die Lebensgrundlagen des Planeten bedroht sind?“ Genau das würde ich diesen Menschen sagen.
KLIMA° vor acht versteht sich zudem als aufmerksamer Medienbeobachter…
Norman: Wir sehen den Medien auf die Finger und verfolgen, wie sie die Debatte führen. Bei unserer letzten Programmbeschwerde ging es um das gezielte Verfälschen von Umfrageergebnissen beim ARD-Deutschland-Trend. Die wichtigste energiepolitische Maßnahme, die bei dieser repräsentativen Umfrage den meisten Zuspruch erhielt, wurde mal eben weggelassen (Forderung nach schnellerem Ausbau der Windenergie/ Anm. d. Red.). Auch der Spiegel framed im Januar mit dem Artikel „Was kostet uns der Klimaschutz“ gewollt schlecht. Damit holt man keine Leute ab, damit schürt man Ängste.
Jetzt herrscht Krieg in der Ukraine und es wird über die Verlängerung von Atomkraftwerken gesprochen. Ein Rückschlag für euch persönlich und den Stellenwert der Klimakrise in den Medien?
Friederike: Man hat schon durch die Corona-Pandemie gemerkt, dass sie die Klimabewegung nachhaltig gelähmt hat. Auch der Ukrainekrieg und die sich daraus ergebenden Konsequenzen beeinflussen die Debatte stark. Auf die Ziele von KLIMA° vor acht hat das aber keine Auswirkungen. Es wird solche Ereignisse leider immer wieder geben. Die Menschen müssen in der Lage sein, zu entscheiden, in welche Richtung wir als Gesellschaft gehen wollen. Die Berichterstattung über die Klimakrise darf sich weder von einer Pandemie, noch einem Krieg oder dem Tod der Queen verdrängen lassen.
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KLIMA° vor acht ist eine gemeinnützige Initiative, die sich über Spenden finanziert.
Ihre Petition für mehr Klimaschutz im Fernsehen hat heute mehr als 30.000 Unterzeichner:innen (Stand: 26.11.2022).
Sie wollen, dass die Medien die Klimakrise als ganzheitliches Thema begreifen. Ihr Buch „Medien in der Klima-Krise„, zu deren Co-Autor:innen auch Vanessa Kokoschka und Torsten Schäfer von Gruener-Journalismus zählen, zeigt auf, wie das gelingen kann.
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