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Kommentar: Klimahelden können uns auch nicht retten

Indische Ingenieurin führt Wartungsarbeiten an einer Solaranlage durch: Autor Tom Weimar glaubt, dass ein Journalismus mit Mut machenden Geschichten und Zukunftsutopien vor vielen Problemfeldern steht. (Bild: Abbie Trayler-Smith/Panos Pictures /Department for International Development)

Von Tom Weimar

Das Schreiben für eine klimagerechte Zukunft ist – gerade in Zeiten mächtiger Klimawandel-Leugner wie Donald Trump – eine wichtige Aufgabe. Im deutschsprachigen Raum gibt es dazu immer mehr Magazine die eine „Diskussion um Nachhaltigkeit mit gesellschaftspolitischen Themen, aber auch praktischen Tipps zu Genuss und Lebensqualität“ verbinden, berichtete die Wirtschaftswoche bereits im Jahr 2015.

Im Mittelpunkt steht dabei oft der Lifestyle: Neue Narrative sollen den Lesern ein verantwortungsvolles Bewusstsein schmackhaft machen. Dafür setzen Magazine auf Storytelling – also wahre, mit Informationen gespickte, Geschichten. Peter Carstens, Redakteur bei GEO.de, schlägt vor, darin „stille Klimahelden“ zu portraitieren, die „das tun, was uns allen gut anstünde“ – und zwar weniger Ressourcen und Energie zu verbrauchen.

Doch ob neue Narrative eine Gesellschaft verändern können ist fraglich. Ein Journalismus, der mit Utopien, Mut machenden Geschichten und lösungsorientierten Ratschlägen auf eine klimagerechte Zukunft hinwirken will, steht vor Problemfeldern.

Im Zeitalter der Krisen ist kein Platz für Helden

Wer über Klimagerechtigkeit spricht, stellt zunächst die ethische Frage: Wie können Gesellschaften es verantworten, auf Kosten der nachfolgenden Generationen zu leben? Doch beim Begriff der Gerechtigkeit wird es kompliziert. Schon „Marx ist nicht darauf eingegangen, daß Gerechtigkeit und Freiheit dialektische Begriffe sind“, erklärte Horkheimer 1970 dem Spiegel. „Je mehr Gerechtigkeit, desto weniger Freiheit; je mehr Freiheit, desto weniger Gerechtigkeit.“

Der ehemalige Grünen-Vorsitzende und Wirtschaftswissenschaftler Rainer Trampert schreibt in „Europa zwischen Weltmacht und Zerfall“ über ein Dorf, in dem schon Pubertierende das von der Oma geerbte Geld ins Solardach investieren. Denn dort wachse es ja auch, „das ganze Geld“, wie einer der Nachwuchs-Klimahelden seinen verwunderten Mitschülern erklärt. Trampert fragt: „Diese Dörfer mögen die Welt retten, aber wer mag in ihnen leben?“

Der Klimawandel sorgt für Rekordhitze. Und doch ist die „Welt arschkalt, wird immer kälter“, zitiert die FAZ den Rapper Trettmann. Depressiven erscheint die Welt ohne Zukunft, sie sind für „Geschichten für morgen“ (futurzwei) daher nicht zu erreichen. Die Depression jedoch kann mit Mark Fisher als angemessene Theorie über die Welt des 21. Jahrhunderts verstanden werden. Die sogenannte ökologische Krise, die Krise der Demokratie und die Krise der Psyche, „die sich beispielsweise in wachsenden Bournoutraten manifestiert“, gehören zusammen. Ist es sinnvoll, den Ausgebrannten Heldengeschichten zu erzählen?

Der Sozialpsychologe Heiner Keupp ist der Meinung, mit konstruktiven Ansätzen stärke man den neoliberalen Zeitgeist eher, als ihn in Frage zu stellen: „Menschen, die in der Lage sind, ihre Probleme und Grenzerfahrungen mit anderen zu teilen, sind danach in der Lage, sich mit ihnen und anderen zusammenzuschließen und gemeinsam zu etwas Nein zu sagen. Alleine ist man schnell isoliert oder wird depressiv oder wird das zweite, weil man das erste ist.“ Der Grund dafür ist ausgerechnet die Methode des Storytellings, die mit Helden, Utopien und Vorbildern arbeitet und weniger Bestehendes kritisiert. Keupp: „Weil wir unter uns Scheitern gegenseitig nicht anerkennen …, allein das hindert uns schon daran, Widerständiges zu entwickeln. Das gilt für uns als Personen, das gilt aber auch für Organisationen.“

Der Klimawandel spaltet die Gesellschaft

Ein weiteres Problem: Einzelne werden sich nicht von Narrativen beeinflussen lassen, wenn die gesellschaftliche Gruppe, der sie sich unterordnen, ein anderes Verhalten verlangt. Der Kulturwissenschaftler und Internettheoretiker Michael Seemann schreibt über den digitalen Tribalismus: „Menschen sind intuitiv mehr daran interessiert, ihren Identitätsrollen gerecht zu werden, als ein ungetrübtes Weltbild zu entwickeln … Was der eigenen Identität gefährlich wird, wird … einfach wegerklärt. Auffällig ist dieses Verhalten aber nur bei polarisierenden Themen, beziehungsweise Themen, mit denen man sich sehr identifiziert – negativ wie positiv“, beispielsweise bei der „Frage des Klimawandels“.

Hinzu kommt, dass die Leugnung des Klimawandels einer autoritären Revolte gegen die etablierten Wissenschaften entspringt, wie Felix Riedel feststellt. Die Revoltierenden wollen sich nicht durch Geschichten überzeugen lassen, sie wollen lieber in kindlicher Allmachtsphantasie auf das Establishment eindreschen. Der Klimawandel sei für sie nur „Panikmache“.

Entscheidend ist nicht der Einzelne, sondern die Ökonomie. Die ist, schreibt der Wirtschaftswissenschaftler Trampert, ein „flexibles System“, welches die Erde und das Klima ruiniert und sich gleichzeitig als Rettungsdienst anbietet. Allerdings nicht allen. Die Menschen in Bangladesch würden, wenn das Wasser steige, den Fluten überlassen, weil sie keine Geldnachfrage hätten.

Das ist ungerecht. Aber Diskurse bieten keinen Zugriff, diesen Sachverhalt zu verändern. Ihn erklären und kritisieren – das können Texte. Adorno schreibt in der Minima Moralia, „es ist keine Schönheit und kein Trost mehr außer in dem Blick, der aufs Grauen geht, ihm standhält und im ungemilderten Bewußtsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren festhält.“

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