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Als Journalist sollte man „so schreiben, dass man kritisiert werden kann. Signalisieren, dass man einen Diskursbeitrag anbietet“, sagt Alexander Filipović, Deutschlands einziger Professor für Medienethik. (Quelle: SJ-Bild/Leopold Stübner SJ)

Alexander Filipović lehrt als Deutschlands einziger Professor für Medienethik an der Münchner Hochschule für Philosophie. Als Vortragsreisender wirbt er für seine Disziplin, die ein neues Bedürfnis nach Normativität und Werten im Journalismus erkennt. Wie und wofür dürfen sich Journalisten engagieren? Warum scheuen viele Medienmenschen die Rollendebatte? Und weshalb sind die Kommunikationswissenschaften in ihrem Forschungsinteresse so kleinteilig und pragmatisch geworden? Über diese und andere Fragen diskutiert Prof. Dr. Torsten Schäfer (Hochschule Darmstadt), Umweltjournalist und Leiter des Portals Grüner-Journalismus.de, mit Filipović im Interview.

Medienethik, da schwingt Großes mit – Gerechtigkeit, Moral, Grundsätzlichkeit. Umso schwieriger stelle ich es mir als konkretes Handwerk vor. Wie arbeitet ein Medienethiker genau, wonach bewerten Sie eine fragwürdige Sendung oder ein Skandalbild auf dem Spiegel-Cover?

Es muss abhängig von der Situation sein. Und ich bemühe mich, auch externe Kriterien heranzuziehen. Wenn man es an einem Beispiel machen will: „Adam is looking for Eve“ hieß in den Niederlanden eine Nackt-Dating-Show, zu der ich eine Einschätzung geben sollte. Der Medienethiker wird nicht sagen, dass die Sendung entweder brillant oder richtiger Mist ist; er wird sich zunächst die Inszenierung angucken und wird dann schauen, ob sie voyeuristische Interessen bedient. Voyeurismus ist so eine Kategorie, die von außen kommt. Dann schaue ich, wie sich diese Show zu anderen Dating-Shows verhält. Und danach kann man zur Überzeugung gelangen, dass durch die Bloßstellung der nackte Körper aus der Beziehung weginszeniert wird, und das es gar nicht mehr wichtig ist, was für einen Körper man mitbringt. Auch durch die Dramaturgie, weil die Teilnehmer sich danach das erste Mal angezogen in der Zivilisation sehen.

Sie wägen also ab, schauen sich innen und außen an, vergleichen. Wie endet es jetzt aber mit der Nacktshow?

Man sollte sie vorsichtig anschauen und nicht im hohen Bogen verurteilen. Natürlich geht es auch um nackte Brüste vor einer schönen Kulisse; da bedient man natürlich einen gewissen Voyeurismus. Aber ich finde es relativ zurückhaltend in Szene gesetzt und denke eher, dass es ein kulturelles Phänomen ist, aus dem wir noch etwas lernen können.

Für diesen Blick von außen gehen Sie in die verschiedensten Fächern und Ideenwelten hinein. Das variiert stark, von Fall zu Fall. Was aber sind die allgemeingültigen Grundlagen der Bewertung?

Die sind immer zuerst da. Denn wenn wir von Moral sprechen – und wenn wir über Ethik nachdenken, sprechen wir immer über Moral -, dann beziehen wir uns auf eine Übereinkunft von Menschen über die Regeln des Handelns. Es geht um eine übergeordnete Ebene, um Kategorien, Prinzipien und Werte, die allgemein gültig sind. Man muss das aber immer vorsichtig formulieren, weil es natürlich Unterschiede gibt – zum Beispiel in verschiedenen Weltregionen. Und wir müssen zusehen, dass wir mit dieser übergeordneten Ebene nicht über die Probleme hinweg philosophieren, sondern immer die medienimmanenten Kontexte für das Urteil berücksichtigen.

Auch der Kontext ändert sich – mit Redaktion, Format, Beitrag. Die Übereinkünfte, von denen Sie sprechen, sind sicher haltbarer. Welche Übereinkünfte mögen Sie denn als christlicher Sozialethiker besonders gern, was sind ihre moralischen Haltegriffe?

Es ist nicht so entscheidend, ob man mit einer spezifischen christlichen Perspektive auf die Sache guckt oder mit einer kosmopolitischen. Wenn wir über Moral sprechen, geht es vielmehr um einen Grundbestand von Werten und Normen, die am Ziel der Humanität ausgerichtet sind. Wir können diese Werte der Humanität durch vernünftige Einsicht erkennen und uns selbst darauf verpflichten – weil wir erkennen, dass diese Werte für uns gut und wichtig sind. Das ist sozusagen die allgemeine Kant’sche Perspektive der Aufklärung und der Autonomie der Selbstgesetzgebung.

Ein Quasi-Gesetz habe ich im Journalistik-Studium gelernt: konstruktivistisch denken. Es gibt nur Standpunkte, sagte der Dortmunder Medienethiker Claus Eurich zu uns.

Der Konstruktivismus ist von der Kantschen Lehre nicht so weit entfernt. Interessanterweise ist er in der Kommunikationswissenschaft fast die einzige Theorie, die die ethische Perspektive aufrecht erhält. Weil der Konstruktivismus eben nicht positivistisch argumentiert, sondern sieht, dass wir es mit Kontingenzen zu tun haben, mit Selektionen und mit Entscheidungen für bestimmte Weltsichten. Und er ist offen für die Diagnose, dass wir uns die richtige Perspektive aussuchen müssen.

Die einzige Theorie für ethisches Denken?

Der Konstruktivismus nimmt nichts als gegeben hin, sondern sieht, dass wir durch eigenes Handeln – vielleicht sogar Erkenntnishandeln – die Welt sozusagen verbessern können. Das ist interessant, weil die anderen Theorien… Die kritische Theorie zum Beispiel ist ja mehr oder weniger verschwunden, und die Positivisten haben in den Kommunikations- und Medienwissenschaften übernommen. Deshalb haben es Medienethiker auch sehr schwer – außer bei den Konstruktivisten.

Dann müssten sie es bei mir leicht haben. Das wäre dann aber kein gutes Interview. Ich melde deshalb Widerspruch an: Die kritische Theorie erstarkt wieder in den Sozialwissenschaften: mit dem Entschleuniger Harmut Rosa in der Soziologie, Konrad Ott in der Umweltphilosophie und teils den Postwachstum-Theoretikern in der Ökonomie. Das Bild ist gar nicht so düster.

Das ist eine interessante Perspektive, man müsste es nochmal ein bisschen aufarbeiten. Und es führt insgesamt auch zu einer interessanten Forschungsfrage: welche ethischen Perspektiven der Konstruktivismus erschlossen hat. Ich habe Kommunikationswissenschaften ja bei Manfred Rühl gelernt, der sozusagen der Großvater der konstruktivistischen Kommunikationstheorie ist – jedenfalls in Deutschland. Aktuell bekannt ist etwa Bernhard Pörksen, der ein scharfer Medienkritiker ist. Vielleicht gerade, weil er einen konstruktivistischen Hintergrund hat.

Sehen sie doch Anzeichen für ein neues kritisches Denken in unserem Fach?

Es kann sein, dass diese normative Bewegung wieder ein bisschen Rückenwind bekommt. Die DGPuK macht ihre nächste Tagung zu Gerechtigkeitsfragen. Es gibt die erste Professur für Medienethik, und die zweite ist in Besetzung in Erlangen-Nürnberg. Aber im Wesentlichen wird kritisches Denken aufgesogen durch bestimmte Anreizstrukturen, vor allem Forschungsstrukturen. Drittmittel gibt es vor allem für sozial-empirische Forschung. Und da läuft es natürlich dann hin. Das heißt, dass die ganzen normativen Quellen unseres Faches weitgehend in Vergessenheit geraten sind.

Welche Quellen meinen Sie?

Die gute alte Publizistik und Zeitungswissenschaft war eine normative Geisteswissenschaft. Es gab eine ganz eindeutige Mission, wie Gesellschaft funktionieren sollte und welche Aufgaben die Journalistin und der Journalist in diesem System hatten.

Heißt normativer denken auch kollektiver denken? Wir diskutieren ja meist auf der Individualebene: Was kann ich noch tun, erreichen? Das journalistische „Wir“ ist kleiner geworden.

Diese Beobachtung ist sicherlich richtig. Wenn es heute um medienethische Fragen geht, wird vor allem individualethisch gedacht und die übergeordnete Ebene wird an das Recht delegiert. Es gibt das Recht, das den Rahmen setzt und die Politik festgelegt hat. Über dieses Recht wird meistens nicht großartig nachgedacht. Es geht um Persönlichkeitsrechtsschutz oder um die Frage, was der Journalist darf und was nicht. Der kleine Freiraum, der noch bleibt, der wird durch eine individuelle Tugendhaftigkeit oder etwas Ähnliches ausgefüllt. Das führt dazu, dass in bestimmten Entscheidungen, die der Journalist treffen muss eher die beruflichen Karrierechancen im Vordergrund stehen: Bringe ich das Bild oder nicht? Wenn ich es bringe, kriege ich ein Schulterklopfen. Oder ich bin ein Zauderer, durch den sich das Blatt nicht so gut verkauft.

Das klingt deprimierend. Sind wir denn dem Positivismus vollends auf den Leim gegangen?

Ganz so scharf würde ich das nicht sehen. Wenn ich mit Studierenden über ethische Fragen spreche, dann stelle ich ein ziemliches Idealbild von dem fest, was Journalismus leisten soll. Aber dann wird gleich hinterhergeschickt: ‚Naja, wenn wir mal im Beruf sind und zwischen PR und Journalismus pendeln, wird die Ethik keine große Chance mehr haben.’

Eine ethische Kurzformel wird aber immer bleiben: Das Friedrichs-Dogma – die Losung des Nichtgemeinmachens aus dem Munde des Nachrichtenmoderators Hanns Joachim Friedrichs. Wie sehen Sie dieses vielleicht berühmteste aller Journalistenzitate?

Wenn man weiterliest, sagt er, dass man sich mit gewissen Dingen – Demokratieorientierung etwa – gemein machen darf oder soll. Das müsste man sich nochmal angucken. Aber im Kern geht es natürlich darum, Objektivität und Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung zu wahren. Man stellt Öffentlichkeit her, ist dem Gemeinwesen verantwortlich. Das heißt nicht partikularen Interessen, sondern den gemeinsamen Interessen einer größeren Gemeinschaft. Letztlich ist es eine Gemeinwohlorientierung, die da drüber steht.

Dann sollte ich mich als Journalist doch für Prinzipien des Gemeinwohls einsetzen, weil ich ihnen verpflichtet bin: Demokratie, freie Meinungsäußerung, Rechtsstaat und vielleicht Dinge wie Geschlechtergerechtigkeit oder der Schutz sozialer Minderheiten?

In Ihrer Frage deutet sich schon die ganze Schwierigkeit an. Denn was zählt zu diesem Kreis an Grundwerten dazu? Das kommt letztlich auf die politisch-ethische Perspektive an. Stimmen wie der verstorbene amerikanische Moralphilosoph Richard Rorty würden sagen, dass wir in der öffentlichen Diskussion möglichst starke inhaltliche Argumente brauchen. Wir können unsere Probleme nicht formal regeln, sondern wir brauchen einen Kern richtig dicker, inhaltlicher Eingaben. Und dann müssen wir uns darüber streiten. Liberale lassen dagegen prinzipiell alle Argumente zählen, die jeder verstehen und akzeptieren kann. Das sind zwei verschiedene Modelle. Ich würde eher sagen, dass wir Journalisten brauchen, die ihre eigene Meinung und Werte, ihre eigene Perspektive, mit einbringen.

Gut. Aber das Problem der Wertgrenzen bleibt.

Die Grenze kann man nicht ziehen, sie ist fließend. Bei den Menschenrechte gibt es zum Beispiel Leute, die nur auf Grundfreiheiten pochen. Andere sagen, dass das nicht ausreicht und wir über nicht abstrakt über Freiheiten reden können sondern nur über die konkreten Realisierungsmöglichkeiten der Grundfreiheiten. Dann zählt zum Beispiel ein Recht auf Arbeit mit dazu. Jeder Journalist müsste sich dann dafür einsetzen, dass jeder eine Arbeit findet. Das könnte man in einer bestimmten menschenrechtlichen Perspektive durchaus sagen. Man muss, wenn man stark argumentiert, das vor allen Dingen offen legen. Und auch vom Stil her so schreiben, dass man kritisiert werden kann. Signalisieren, dass man einen Diskursbeitrag anbietet.

Argumente, Diskurs – holen Sie da Habermas herbei?

Ja. In manchen Dingen ist er sich mit Rorty ja einig, in manchen überhaupt nicht. Habermas würde eher sagen, dass wir viele Diskursbeiträge brauchen und dabei nur Argumente zählen, die von allen verstanden werden können. Eine formale Ebene, auf der wir uns irgendwo treffen können. Rorty dagegen würde sagen, dass wir in jeder Stadt, in jedem Kulturkreis, separate Diskussionen und Werte haben, und wir mit unserem eigenen Standpunkt in die Debatte reingehen. Aber wir müssen uns dabei – er nennt es Konversion – in die Argumente der anderen hineinzudenken. Uns ihre Sprache aneignen, um sie verstehen zu können.

Journalisten, so verstehe ich Sie insgesamt, sollten miteinander über ihre Werte streiten. Sich bekennen. Im Projekt „Grüner Journalismus“ tun wird das. Wir fassen wir nachhaltige Entwicklung als universellen Wert im Sinne des Gemeinwohls auf, für den sich Journalisten einsetzen dürfen. Dürfen sie das?

Ja, das darf man. Das würde ich aus ethischer Perspektive ohne Frage sagen. Und es ist sinnvoll, dass sich Leute im Journalismus bekennen. Das kommt uns gesellschaftlich mehr zugute, als dass es schadet. Die positive Wirkung wird erst durch einen Diskurs, also durch einen Streit, um diese Position erreicht werden. Nicht schon durch diese Meinungsäußerung oder durch diese Agenda des einzelnen Journalisten selbst. Wenn die transparent ist, wenn der Mensch sozusagen identifizierbar ist mit dem, was er mitbringt, dann finde ich das eher positiv.

Auf Transparenz können sich schnell alle einigen in dieser Debatte. Wenn ich aber sage, dass ich mit meiner Arbeit als Journalist Wirkung erzielen möchte, erfahre ich viel größere Zurückhaltung.

Wir haben es verlernt, über Moral zu diskutieren oder moralische Argumente gelten zu lassen. Da ist ein Widerwillen, wenn jemand etwas bewirken möchte. Das wäre vor 30 Jahren auf weniger Befremdnis gestoßen. Heute fragen wir, wenn einer mit Journalismus etwas erreichen will: ‚Ist das nicht gefährlich, darf der das überhaupt?’ So funktioniert Politik mittlerweile ja auch. Keiner traut sich mit einer starken inhaltlichen Gestaltungsperspektive an die Probleme ran. Es wird alles sachgerecht und eher pragmatisch gelöst. Und wenn man jemand eine Mission hat oder etwas verändern möchte, gerät er in Verdacht.

Ich erlebe manche Gespräche als Verdachtskommunikation: Weil Du Dich inhaltlich engagierst, kann dein Beitrag nicht objektiv sein. Solche Reflexe gibt es auch in der wissenschaftlichen Rollendebatte. Warum haben wir da verlernt zu argumentieren, wie Sie das sagen?

Weil Kommunikationswissenschaftler mit normativen Argumenten, mit dem was sein soll, nicht mehr wissenschaftlich konfrontiert werden. In den positivistischen Sozialwissenschaften sind normative Fragen nicht wissenschaftsfähig. Und deshalb haben die Kommunikations- und Medienwissenschaften zu den Medienproblemen eigentlich nicht viel zu sagen haben. Sie haben verlernt, zu urteilen, ob etwas gut ist oder richtig ist. Man kann natürlich empirische Daten angeben für ein Problem und von dort aus auch sagen, ob etwas funktioniert oder nicht funktioniert. Normative Argumente sind aber nochmal eine andere Kategorie und machen mitunter mehr Arbeit.

Wie können angehende Journalisten und Journalistinnen damit wieder betraut werden: dass sie die ethische Argumentation als ein Stück Selbsthandwerk beherrschen?

Das muss man einüben. Aus meiner langen Erfahrung als Universitätslehrer merke ich das immer wieder. Das heißt, Seminare machen, wo man moralische Dilemmata bespricht, Universalisierungstests macht von Normen. Man ringt um die ethische Perspektive. Und das braucht Zeit. Dann lieber ein Einführungsseminar in die Methoden empirischer Sozialforschung weniger und eins mehr in ethischem Argumentieren!

Bei uns hat ein Rollenspiel zur Thema „Wissenschaft vs. PR gut funktioniert, aber das ist aufwendig. Vielleicht ist auch der Blick in andere Journalismuskulturen hilfreich. In Afrika z.B. ist es ganz selbstverständlich, dass Journalisten offen für Themen streiten.

Ich glaube, das sind unterschiedliche Traditionen. Wir sind es in Deutschland – vielleicht auch in ganz Westeuropa – gewohnt, die Fragen, in denen es um die Gestaltung des Gemeinwesens geht, an Politik zu delegieren und im Weiteren dann davon befreit zu sein. In Amerika etwa gibt es eine andere Tradition. Es gibt Gemeindeversammlungen, und die Leute werden konfrontiert mit den politischen Problemen vor Ort. Das werden wir hier nicht. Auch daher rührt das Gefühl, dass sich Journalisten nicht einmischen in Fragen der Gestaltung. Sie sollten berichten und dann macht die Politik schon das Richtige. Letztlich ist das der Journalismus, den wir in postdemokratischen Zeiten verdient haben.

Können wir uns denn Ethik, verstanden als Kür, überhaupt leisten, wenn die Pflicht, also die tagesaktuelle Berichterstattung, bedroht ist und ihr ökonomischer Rahmen wegbricht?

Wir müssen es uns leisten. Unser Gemeinwesen hat es nicht verdient, einen Journalismus zu haben, der sich keine Rechenschaft darüber gibt, was sozusagen gut und richtig ist in diesem Beruf. Dazu ist er viel zu wichtig. Aber auf der anderen Seite ist eben extrem viel im Umbruch: Stellen nehmen immer weiter ab, die Berufsbilder verschwimmen total, und es gibt viele neue Formen von Journalismus. Da muss man sich auch ein bisschen Geduld geben. Es braucht Zeit, eine moralische Perspektive zu verankern.

Macht Sie diese Umbruchsphase eher ängstlich oder doch hoffnungsvoll?

Ich bin eher pessimistischer, weil ich glaube, dass sich eine ökonomische Perspektive durchsetzen wird. Vor allem die Datenökonomie bricht gerade durch und kannibalisiert unsere öffentliche Kommunikation. Alles ordnet sich der Frage unter, wie man mit Nutzerdaten Geld verdienen kann. Hoffnung machen mir andererseits Initiativen, die über gemeinwohl-finanzierten Journalismus nachdenken. Die versuchen, jenseits einer kapitalgetriebenen Ökonomie Journalismus zu machen. Da ist unheimlich viel Kreativität unterwegs, vor allem von jungen Leuten. Wir brauchen unbedingt auch Politikerinnen und Politiker, die sich für diese Fragen interessieren. Die Medienpolitik nicht als Wirtschaftspolitik beschreiben, sondern eher im Rahmen von Sozial- und Bildungspolitik betrachten. Und davon gibt es viel zu wenig, die medienpolitische Debatte ist in der Hinsicht tatsächlich verarmt.

Mehr Streit, mehr Normativität und mehr Ethik im Journalismus, das sind die Ziele, die ich vernehme. Was tun Sie selbst dafür, um sie zu erreichen?

Ich bin viel unterwegs. Vor allen Dingen über Vorträge bei ganz verschiedenen Leuten und Institutionen, also Presseclubs, Journalistenclubs, Berufsverbänden, Schulen, Hochschulen. Viele interessieren sich dafür, und ich kann nur 1/20 der Anfragen überhaupt erfüllen. Ich versuche – das ist wirklich meine Hauptaufgabe – überhaupt zu erklären, was Medienethik sein kann und nicht sein kann: Was bedeutet es, auf Moral zu reflektieren? Denn das ist Ethik. Ich werbe dafür, dass sich mehr Menschen mit dieser Disziplin beschäftigen. Und hoffe auch, dass sich ein wissenschaftlicher Nachwuchs bildet, der später vielleicht auch an anderen Einrichtungen zur Verfügung steht.

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