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Präzise Wortwahl ist mehr als ein Spiel

Von Susanne Bergius, Berlin

Es ist mal wieder Hauptversammlungssaison. Und Dividendenzeit. „Die nachhaltigste Dividendenrendite gibt es 2016 im Euroraum“, betitelte kürzlich die LBBW Asset Management eine Pressemitteilung. Wer erwartete, hinter der Prognose stehe eine solide Analyse auch in ökosozialer Hinsicht, sah sich getäuscht. Die Eurozone soll 2016 die attraktivste Anlageregion für Dividendeninvestoren sein – pur nach monetären Maßstäben. Das Haus rechnet mit einer durchschnittlichen Dividendenrendite von 3,9 Prozent, die Ausschüttungen dürften leicht über denen des Vorjahres liegen. Begründet wird das mit abgebauten Schulden, attraktiven Cashflows, einem schwachen Euro und einem soliden Wirtschaftswachstum in Europa.

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Nachhaltigkeit – war das was? Abgesehen davon, dass sich ein einziges Jahr als Maßstab nicht wirklich eignet, fällt die Definition des Instituts hierfür arg verkürzt aus: Wichtig sei, „darauf zu achten, dass die Unternehmen Dividenden nachhaltig bezahlen, also aus dem Cashflow und nicht aus der Substanz.“ Das ist sicher ein Aspekt ökonomischer Nachhaltigkeit. Aber das greift zu kurz. Solche nicht an der umfassenden Nachhaltigkeitsidee ausgerichteten Verwendungen von „nachhaltig“ führen zu Glaubwürdigkeitsproblemen. Nicht nur bei jenen, die den Begriff nach Gutdünken verkürzt interpretieren. Es belastet insbesondere die ernsthaft mit verantwortlichem und zukunftsfähigen Investieren und Wirtschaften befassten Akteure. Solche, die im wahrsten Sinne des Wortes eine nachhaltige Dividendenrendite erwirtschaften oder finanzieren.

Man könnte sagen: Worte sind unwichtig, es geht um Inhalte. Aber genau weil Inhalte wichtig sind, ist eine präzise Wortwahl nötig. Damit Menschen sich verstehen. Deswegen ist besonders übel, wenn für klare Inhalte stehende Worte missbraucht werden. Wie vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. In dessen witzigen Kinowerbung tönt die Protagonistin: „Fliegen ist das neue Öko.“ Der Verbrauch von vier Litern/km/Passagier liege unter dem anderer Verkehrsmittel. Die Behauptung ist zwar nicht falsch, aber die Klimawirkung von Flugzeugen ist um ein Vielfaches höher als die von Eisenbahnen und Reisebussen und deutlich höher als von Pkws. Fliegen ist darum die klimaschädlichste Form des Reisen, sagen Wissenschaftler und Nichtregierungsorganisationen. Die spielerischen Worte des Verbandes grenzen an Verbrauchertäuschung.

Dieser Kommentar erschien erstmals am 8. April 2016 im monatlichen „Handelsblatt Business Briefing Nachhaltige Investments“. Zu dieser Ausgabe gelangen Sie hier: http://www.handelsblatt.com/downloads/13418182/1/hb-business-briefing-investments_04_16.pdf?nlayer=Aktuell_11609416

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