Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht Natur- und Umweltbezüge im Reisejournalismus?
Bei GEO.de sind sie sehr wichtig, weil sie unserer Ausrichtung entsprechen. Bei uns geht es viel um Nachhaltigkeit und naturnahe Erlebnisse, das funktioniert sehr gut. Unsere Leser sind bei diesem Thema immer relativ kritisch mit uns. Wir in der Onlineredaktion merken, dass Geschichten mit Landschaftsbildern gut angenommen werden, bei denen die Leser das Gefühl haben „Ich kann hier wandern gehen, was erleben“.
Sind diese Bezüge in den vergangenen zehn Jahren wichtiger geworden?
Auch wenn ich den Vergleich zu früher nicht habe, würde ich aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus sagen: Ja! Einfach deshalb, weil der Sinn für Nachhaltigkeit wieder geschärft wird. Früher stand die Weiterentwicklung, Digitalisierung und Globalisierung im Fokus, jetzt prasselt teilweise ziemlich viel auf uns ein, und wir sehnen uns wieder ein bisschen mehr zurück zur Natur.
Welche Rolle spielen denn Klimathemen und -bezüge im Reisejournalismus?
Das ist natürlich ein zweischneidiges Feld, einfach dadurch, dass Reisen und Klimafreundlichkeit sich ja sehr oft im Wege stehen. Ich glaube, dass man das nur schwer miteinander verbinden kann. Es sei denn, ich als Reisender bin sensibilisiert dafür und bereit im Zweifel einen Mehraufwand auf mich zu nehmen, um klimafreundlich mit Bahn, Fernbus oder Boot irgendwo hinfahren. Bei vielen Destinationen wird es allerdings schwierig dort klimafreundlich hinzukommen.
Werden der Klimawandel oder allgemeine Klimathemen im Reisejournalismus thematisiert?
Ja, durchaus. Nachhaltiges Reisen ist inzwischen einfach ein Trend. Das Interesse ist da, und dann möchte man natürlich auch etwas darüber lesen. Aber es gibt dann doch über das Jahr gesehen nur eine Handvoll Artikel, die sich wirklich intensiv mit Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit beim Reisen beschäftigen. Dafür, dass die Nachfrage bei den Reiseanbietern angeblich zu diesem Thema sehr hoch, sind es noch zu wenig fundierte journalistische Beiträge.
Berichten Reisejournalisten in den vergangenen zehn Jahren häufiger über Klimaaspekte innerhalb anderer Themen?
Auf jeden Fall! Der Klimawandel stand ja lange im Raum, ohne dass sich jemand wirklich ran getraut. Inzwischen wird er von allen Seiten beleuchtet. Zunächst standen natürlich erstmal die globalen Themen oder eher alltägliche Sachen wie Mülltrennung im Fokus. Das Reisen kam dann erst ein bisschen später. Dann ist man auf den Trichter gekommen: „Moment mal, das ist ja eigentlich auch eine große Sünde und wie zählt das eigentlich mit rein“.
Können Sie Beispiele nennen?
Darüber, dass jeder seine Flüge ausgleichen kann (zum Beispiel bei www.atmosfair.de, Anmerk. der Redaktion), wird ja relativ oft berichtet. In diversen Online- und Printmedien habe ich auch schon „Tipps, wie Sie nachhaltiger Reisen können“ gesehen. Dann gibt es Reportagen, die mehr in die Tiefe gehen und über die Probleme der Menschen in Afrika und Südamerika berichten, die mit den Folgen des Klimawandels leben müssen und teilweise zu Klimaflüchtlingen werden.
Wo sind noch ungenutzte Potenziale für umwelt- und klimabezogene Reiseerzählungen?
Ich finde, dass es auf dem Buchmarkt noch sehr unterrepräsentiert ist. Zumeist findet man sehr theoretische Texte, in denen Tipps gegeben werden. Ich vermisse immer so ein bisschen die Selbstanwendungsbeispiele: Wie ist es nur mit der Bahn nach Griechenland zu reisen? Was passiert mir da? Auch als Fernsehdokumentation könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Man könnte beispielsweise erzählerisch aufzeigen, ob nachhaltig reisen wirklich so anstrengend ist, wie es im ersten Moment klingen mag.
Wie beurteilen Sie die Mediendebatte zum Klimawandel in Deutschland?
Sie ist mir persönlich noch zu lieb (lacht). Wir sind zwar gut dabei, es gibt durchaus auch andere Industrienationen, die den Klimawandel komplett verneinen. Wir sagen, dass er existiert und zeigen die Folgen auf. Aber ich finde, dass die jeweiligen Lobbys noch zu viel Mitspracherecht haben. Ein gutes Beispiel sind die Abgasskandale in der Autoindustrie. Die Aufdeckung dieses Skandals war ein großer Meilenstein des klimabezogenen Journalismus.
Wie hat sich die Debatte in den Medien in den vergangenen zehn Jahre verändert?
Man wird viel mehr damit konfrontiert, in sämtlichen Medien findet man Texte über den Klimawandel. Nachhaltigkeit ist ein Trendthema geworden: Jeder schreibt es sich oder seinem Unternehmen auf die Fahne. Und über Trendthemen wird viel berichtet.Generell glaube ich, dass die intensivere Debatte sich bereits auszahlt, da sich nun mehr Menschen mit dem Klimawandel auch vor der eigenen Haustür beschäftigen.
Wie beurteilen Sie die Rolle des Storytellings im Journalismus?
Ich finde es extrem unterschätzt. Leider ist es aber auch sehr kostspielig, zumindest im Onlinejournalismus. Der finanzielle Erlös ist meist zu gering. Deswegen scheuen sich viele Medien davor und allenfalls mal Leuchtturmprojekte, bei denen deutlich wird, was eigentlich möglich ist. Da geht mir immer das Herz auf, und ich denke mir, dass würde ich so gerne machen, schließlich hätten so eine Präsenz so viele Themen verdient. Gerade die Klimadebatte könnte man unheimlich gut mit Datenjournalismus und interaktiven Diagrammen aufbereiten.
Welche Rolle spielt das Geschichtenerzählen im Reisejournalismus, gibt es hier einen Trend hin zu mehr erzählerischen Formaten in den vergangenen zehn Jahren?
Eine sehr große. Welches andere Thema würde sich zum Geschichten erzählen besser anbieten, als Reisen? Inhaltlich lassen sich die Geschichten nun nur noch besser in verschiedenen Formaten erzählen beispielsweise durch das Einbetten von Videos, Bildern oder Audiodateien.
Wie schätzen Sie abschließend die Wirkung von Storytelling ein? Kann es helfen, Menschen zum Umdenken zu bewegen?
Wenn man viel Arbeit reinsteckt, dann schon. Ich habe ein gelungenes Beispiel aus Großbritannien im Kopf: Dort wurde auf der Webseite einer Tageszeitung ein datenbasierter Bericht über Afrika im Jahre 2025 gesponnen. Unter der Annahme, dass die Geburtenrate dort weiterhin wachsen wird, wurden Zukunftszearien für verschiedene Lebensbereiche wie Bildung und Arbeitsmarkt entworfen. Der Bericht enthielt viele interaktive Infografiken, die sich bis auf die persönliche Fragestellung runterbrechen ließen. Das fand ich sehr gut. Ich glaube, wenn man den Lesern etwas zu tun gibt und sie sich mit ihren Fragen abgeholt fühlen, dass es dann möglich sein wird durch Storytelling ein Umdenken in Gang zu setzen.