Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Werner Eckert als Umweltjournalist: Nach seinem Studium der Publizistik, Kommunikationswissenschaften, Geschichte und der Soziologie machte er ein Volontariat beim SWR; kurz darauf wurde er dort fest angestellt. Im Gespräch mit Grüner Journalismus erklärt er, welche Klimathemen häufig unter den Tisch fallen – und warum die Klimaberichterstattung für Radiojournalisten besonders herausfordernd ist.
Wie beurteilen Sie die Mediendebatte zum Klimawandel in Deutschland?
Vielleicht ist das wichtigste Stichwort: nicht besonders nachhaltig. Sie ist sehr stark, jedenfalls sind die Massenmedien geprägt von einer gewissen Hysterie. Die Debatte kommt aber schnell zu kurz, vor allem wenn es um Schlussfolgerungen geht. Paris war sicherlich noch einmal ein riesiger Hype, da wird immer viel berichtet. Die Welt hat den Klimaschutz beschlossen, doch plötzlich sind die Strompreise zu hoch und müssen reduziert werden. Oder es stehen Braunkohle-Arbeitsplätze auf dem Spiel – oder, oder, oder. So funktioniert eine Demokratie eben. Das ist völlig in Ordnung. Ich habe dagegen keine grundsätzlichen Vorbehalte, aber das führt dazu, dass es ein ständiges Hin und Her gibt und wenig Kontinuität. Die Aufgeregtheit ist dann sehr groß, nach dem Motto: „Huch der Klimawandel? Jetzt müssen wir aber dringend was dagegen tun.“ Statt mal konsequent zu sein und zu sagen: Wer eine Energiewende will, muss Windräder in Kauf nehmen.
Sie sagen, dass vor allem beim Thema Klimawandel meist punktuell zu Forschungsereignissen oder Klimagipfeln berichtet wird?
Ja, oder sehr häufig zu Wetterlagen. Das ist ja das „Allerwichtigste“. Haben die Unwetter etwas mit dem Klimawandel zu tun? Daran hat sich in den letzten zehn Jahren nichts geändert. Ich sage immer: Die Rezeption eines Klimagipfels ist stärker davon abhängig, wie das Wetter in Deutschland war, als von der Bedeutung des Gipfels selbst.
Gibt es dennoch Medien, die positiv hervorstechen?
Ich finde, dass die Süddeutsche Zeitung relativ konstant ist. Sie pflegt das Thema nicht nur über die Zeit, sondern sie macht auch dieses Hin und Her nur bedingt mit. Wir bemühen uns, das im öffentlich-rechtlichen Radio auch zu machen.
Fallen manche Themen unter den Tisch, obwohl sie auf die Titelblätter gehören?
Ja. Beispielsweise, was die Energiewende letztendlich bedeutet: Was so eine richtige Wende ist und dass sich erst dann etwas zeigt, wenn wir mal über die 50 Prozent erneuerbarer Energien Marke gehen. Was wir derzeit haben, ist ja der Zubau erneuerbarer Energien. Außerdem fehlt zum einen eine gewisse Kontinuität und zum anderen der Wärme- und Verkehrssektor. Wir reden immer nur über die Stromwende.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Eine Öffentlichkeit, auch eine politische Öffentlichkeit, kann immer nur ein bestimmtes Set an Themen verdauen. Das ist einfach zu viel auf einmal.
Gäbe es einen Weg, das zu verbinden? Oder die Berichterstattung attraktiver zu machen?
Das versuchen wir jeden Tag, aber das ist zugegebenermaßen recht schwierig. Das größte Problem für Radio und Fernsehen ist ja, dass wir doch sehr stark im aktuellen Bereich unterwegs sind. Zeitungen können auch mal größere Hintergründe machen. Das ist für uns beim Radio tendenziell schwierig.
Inwieweit spielt Storytelling dabei eine Rolle?
Jeder Radiojournalist weiß: Wenn du etwas erzählen willst, musst du eine Geschichte erzählen. Ich weiß aber nicht, ob das in der Klimadebatte eine besondere Rolle spielt. Wenn das darauf anspielt, dass man Augenzeugengeschichten erzählt, wie die Insulaner auswandern müssen, glaube ich, dass diese Geschichten jetzt schon bei den meisten Menschen durch sind. Die fragen sich nur: „Wie? Sind die denn noch nicht weg von ihren Inseln?“ Beim fünften Mal führt das zu gar nichts und ist einfach ermüdend. Neue Geschichten im Klimaschutz zu erzählen ist sehr schwierig, aber auch das ist nicht alles. Klima ist dann doch knackige Politik, Wirtschaft und manchmal Wissenschaft. Eine Geschichte ist auch gut, wenn sie auf eine Frage antwortet. „Wo stehen wir denn in der Energiewende?“ – das ist eine gute Geschichte. Das hatten wir bei SWR3 einmal mit einer großen Energiewoche, wo wir jeden Tag mindestens drei Beiträge über den Stand der Energiewende im Programm haben. Das ist für so ein Massenprogramm ein richtig fettes Ding.
Gab es gelungene Geschichten zum Thema Klima?
Ja, 2003, von Nonnen aus Buenos Aires. Natürlich war das die Zeit, in der man erst mal klar machen musste: „Was ist denn Klimawandel?“ und „Wie fühlt sich das für Betroffene an?“. Das war zu dem Zeitpunkt auch sehr neu, sehr berührend und wichtig. Aber ich sage das jetzt sehr brutal. Das fühlt sich halt immer gleich „scheiße“ an. Vieles ist inzwischen stärker differenziert. Also wenn man zum Beispiel über Klimaflüchtlinge spricht, dann ist jedem denkenden Menschen klar, dass es keine reinen Klimaflüchtlinge gibt. Es gibt Flüchtlinge, deren Situation sich mit den Wetterveränderungen in Folge des Klimawandels so sehr verschärft hat, dass sie dadurch vielleicht den letzten Impuls kriegen. Aber wie gesagt, da sind die Menschen einfach ein bisschen raus.
Wie man weiter berichtet ist also schwieriger?
Die Frage ist doch heute viel mehr: „Was machen wir denn jetzt?“ Und da ist es halt nicht mehr so einfach, Geschichten zu erzählen. Denn diese Geschichten gibt es ja zum Teil noch gar nicht. Wir müssen ja erst nach vorne gucken. Was heißt es denn, wenn wir fossile Energien in der industrialisierten Welt relativ zackig zurückfahren?
Können Geschichten es schaffen, Menschen zum Umdenken oder gar zur Verhaltensänderung bewegen?
Nein. Verhaltensänderungen, das habe ich mal in den Kommunikationswissenschaften studiert, dauern sehr lange.
Interview: Lukas Blank, Erstveröffentlichung 29.11.2017