Wo kommt das Frankfurter Trinkwasser her?

Ein Text von Julian Erbs

Hubert Schreiber ist Pressesprecher von Hessenwasser. Im Interview erklärt er, inwieweit Frankfurt auf eine Dürreperiode vorbereitet ist, welche Rolle das Wasser aus dem Vogelsbergkreis spielt und was man selbst machen kann, um sich seinen Trinkwasserverbrauch bewusster zu machen.

Julian Erbs: Wie wird die Trinkwasserversorgung im Raum Frankfurt sichergestellt?

Dr. Hubert Schreiber:  Die lokale Wasserverfügbarkeit reicht nicht, um die Bevölkerung und die zahlreichen Pendler zu versorgen. Daher gibt es einen Mix aus lokaler Wassergewinnung und regionalem Wasserbezug. Die Wassergewinnung in Frankfurt begann ab 1870 mit Quellwasser aus dem Vogelsberg und dem Spessart. Später, in den 1890er-Jahren, kamen Anlagen zur Grundwassergewinnung mit Pumpwerken im Frankfurter Stadtwald dazu.  Dort werden noch heute etwa 25 Prozent des Trinkwassers für Frankfurt gewonnen. Der regionale Bezug umfasst Wasser aus dem Vogelsberg, dem Spessart und, seit den 1960er-Jahren, auch aus dem Hessischen Ried. Ein Teil des Wassers wird von anderen Wasserversorgern wie der Oberhessischen Versorgungs-AG zugekauft.

Erbs: Welche Rolle spielt Hessenwasser dabei ?

Schreiber:  Hessenwasser wurde 2001 gegründet, um die regionale Wasserbeschaffung, den Transport und die Qualitätskontrolle zentral zu organisieren. Vorher lag dies in den Händen mehrerer kommunaler Unternehmen. Hessenwasser ist ein Zusammenschluss dieser Akteure und stellt seitdem als kommunales Unternehmen für die Wasserbeschaffung die Versorgung für rund 50 Städte und Gemeinden in der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main sicher.

Erbs: Gibt es im Rhein-Main-Gebiet besondere Herausforderungen?

Schreiber: Ja, insbesondere in einem Siedlungsraum wie der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main müssen Nutzungsinteressen auf engstem Raum in Einklang gebracht werden: Siedlungsbau, Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Naturschutz konkurrieren miteinander. Besonders deutlich wird das im Hessischen Ried, das ergiebige Grundwasservorkommen bietet. Das aber gleichzeitig neben den Siedlungsräumen auch durch intensive Landwirtschaft und Naturschutzräume gekennzeichnet ist. Ein weiteres Beispiel ist Wiesbaden, wo zwar Thermalquellen vorhanden sind, die jedoch nicht als Trinkwasser nutzbar sind. Daher muss auch dort die mit Trinkwasser unter anderem aus dem Hessischen Ried ergänzt werden. Die größte Herausforderung im urban verdichteten Ballungsraum ist es, die Grundwasserressourcen zu schützen – und zugleich kosteneffizient qualitativ hochwertiges Trinkwasser bereitzustellen.

Ein weiteres Beispiel für Herausforderungen ist der Frankfurter Stadtwald, der durch die Nähe zum Flughafen und zur ICE-Strecke beeinflusst wird. Diese Infrastruktur hat Auswirkungen auf die Grundwasserqualität. Mengenmäßig ist der Klimawandel eine Herausforderung, da weniger Regen fällt und der Grundwasserspiegel sich langsamer erholt.  Wir müssen Techniken auch deshalb zur nachhaltigen Grundwasserbewirtschaftung entwickeln. Es ist ein komplexes Thema, das nicht mit einfachen Lösungen wie einem „unerschöpflichen Wassertopf“ wie dem Bodensee vergleichbar ist.

Erbs: Wie würden Sie die Schwierigkeiten auf den Punkt bringen?

Schreiber: Es geht um die Kombination aus Grundwasserschutz, Ressourcenschonung, Wasseraufbereitung und der Infrastruktur, um das Trinkwasser zuverlässig zu den Verbrauchern zu bringen. In topografisch anspruchsvollen Städten wie Wiesbaden, mit starken Höhenunterschieden, erfordert die Versorgung zusätzliche Speicher- und Druckerhöhungsanlagen.

Erbs: Wie gut ist Hessenwasser auf längere Dürreperioden vorbereitet?

Schreiber: Wir sind darauf vorbereitet. Der Wasserverband Hessisches Ried, für den Hessenwasser die Betriebsführung übernimmt, bewirtschaftet seit den 1990er Jahren aktiv das Grundwasser. Dabei wird Rheinwasser aufbereitet und entweder im Untergrund versickert oder für landwirtschaftliche Beregnung genutzt. Dieses System, das bei Bedarf angepasst wird, macht die Wasserversorgung im Hessischen Ried klimasicher.

Erbs: Was bedeutet das in der Praxis?

Schreiber: Bei hoher natürlicher Grundwasserneubildung, wie im regenreichen Winter 2023/24, wird die künstliche Grundwasseranreicherung reduziert oder eingestellt. In Trockenjahren hingegen wird intensiv infiltriert. Das System ist dynamisch und ermöglicht eine bedarfsgerechte Steuerung.

Erbs: Könnten diese Mechanismen auch ausgleichen, wenn etwa die Wasserentnahme im Vogelsberg eingeschränkt wird?

Schreiber: Nicht vollständig, aber teilweise. Im Vogelsberg gibt es keine Möglichkeiten, die Grundwasserneubildung künstlich zu steigern. In Trockenphasen wurde die Entnahme dort aus Ressourcenschutzgründen reduziert. Diese Differenz konnte durch Gewinnung im Hessischen Ried ausgeglichen werden.

Erbs: Wird das Vogelsbergwasser dadurch ersetzbar?

Schreiber: Komplett ersetzen wäre nicht denkbar und ist auch nicht das Ziel. Es geht immer um einen schonenden Umgang mit den Ressourcen. Die Infrastruktur für die Wassergewinnung und -verteilung besteht seit über 100 Jahren. Unsere Aufgabe ist es, die vorhandenen Mengen und Mechanismen nachhaltig zu nutzen.

Erbs: Noch ein Punkt, den Sie eben angesprochen haben: Landwirtschaft kann dazu führen, dass Nitrate, Pestizide oder Arzneimittelrückstände ins Wasser gelangen. Was kann die Hessenwasser dagegen tun? Wie können Sie das reduzieren?

Schreiber: Die Überschrift ist Ressourcenschutz und Grundwasserschutz. Wir arbeiten eng mit Landwirtschaftsverbänden zusammen, um Grundwasserschonung zu erreichen. Dies erfolgt durch Informationsarbeit und Kooperationen mit Landwirten, die durch finanzielle Anreize bei der Umstellung auf umweltfreundlichere Praktiken unterstützt werden. Außerdem gibt es in Trinkwasserschutzgebieten klare Regularien, welche Praktiken dort erlaubt sind. Bei Arzneimittelrückständen setzen wir auf das Verursacherprinzip und arbeiten mit der Pharmaindustrie an Lösungen, um den Input von Schadstoffen zu verringern. Auch die Abwasserreinigung spielt eine Rolle, insbesondere die vierte Reinigungsstufe, die organische Spurenstoffe entfernt.

Erbs: Gab es in den letzten Jahren einen Vorfall, der die Trinkwasserqualität massiv beeinträchtigt hat?

Schreiber: Keine Krisenfälle, bei denen wir sofort reagieren mussten. Vor Jahrzehnten gab es einen Vorfall, bei dem ein Güterzug mit Chemikalien im Frankfurter Stadtwald in einem Schutzgebiet entgleiste, was eine schnelle Reaktion erforderte. Ein weiteres Beispiel sind die Pestizide, die durch das Entkrauten von Bahnstrecken in Schutzgebiete gelangten. Heute wird darauf geachtet, dass solche Substanzen nicht mehr ins Grundwasser gelangen. Auch Unfälle wie Kraftstoffaustritte bei Lkw-Unfällen in der Nähe von Gewinnungsanlagen müssen überwacht und schnell behandelt werden, um eine Verunreinigung zu verhindern.

Erbs: Was würden Sie den Menschen mit auf den Weg geben, um den Trinkwasserverbrauch zu reduzieren oder ihm etwas Gutes zu tun?

Schreiber: Zunächst ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir in einem Land leben, in dem wir jederzeit unbedenkliches Trinkwasser aus dem Hahn erhalten können – und das zu einem unschlagbar niedrigen Preis. Ein Liter kostet nur etwa 0,02 bis 0,03 Euro. Das ist weltweit nahezu einzigartig. Diese hohe Qualität und Verfügbarkeit sollten wir schätzen und dafür sorgen, dass die Infrastruktur erhalten bleibt. Die Wasserversorgung ist eine zivilisatorische Leistung, die nicht selbstverständlich ist. Wir müssen auch weiterhin in die Aufrechterhaltung und Verbesserung dieser Infrastruktur investieren.

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