Was denken Deutschlands Umweltjournalisten über den Klimawandel – und darüber, wie Medien das Megathema anpacken? Welche Tipps und Kniffen kennen Sie, um Erwärmung und Extremwetter besser an die Leserschaft zu bringen? Eine Antwort dürfte sicher Storytelling sein – ein Trend, dem sich kaum ein Medienmensch entziehen kann.
Gerade bei der schwierigen Vermittlung von komplexen Themen wie dem Klimawandel setzten viele Hoffnungen in Techniken des journalistischen Erzählens – übrigens nicht nur Journalisten sondern auch NGO, Forscher, Politiker und Unternehmen. Storytelling könnte, so die stillschweigende Hoffnung, Menschen endlich dazu bewegen, mehr für den Umweltschutz zu tun. Doch ist das nicht eine überzogene Hoffnung? Und sollte dieses Ziel Aufgabe der Medien sein?
Diesen und anderen handwerklichen und ethischen Fragen stellen sich führende Umwelt-, Energie sowie ReisejournalistInnen in der Interviewserie „Klimageschichten“, die von Studierenden der Hochschule Darmstadt in Seminaren geführt wurden – als Teil des gleichnamigen Forschungsprojektes, das an Grüner-Journalismus angebunden ist.
Folge 2: Volker Angres, ZDF
Herr Angres, wir fragen Sie als einen der bekanntesten Umweltjournalisten – wie berichten deutsche Medien über den Klimawandel?
Aus meiner Sicht ist die Mediendebatte ereignisgesteuert. Also immer dann, wenn ein Ereignis eintritt, das mit Klimawandel zu tun hat, berichten selbst die Medien, die sich sonst sehr lange zurückhalten. Zum Beispiel die Klimakonferenz in Paris letztes Jahr war die bisher mit Abstand bedeutendste Klimakonferenz mit einer sehr umfangreichen Berichterstattung. Über die Zwischenkonferenz, die Wochen vorher in Bonn stattfand, wurde so gut wie überhaupt nicht berichtet. Die Medienmechanismen greifen immer dann, wenn eine Entscheidung zu erwarten ist; da geht es dem Klimathema auch nicht besser als jedem anderen Thema.
Und hat sich etwas verändert in der Klimaberichterstattung?
Die meisten Klima-Berichterstatter sind der Meinung, dass es eine Klimaveränderung gibt – die also zu einem erheblichen Teil durch Menschen verursacht worden ist. Vor zehn Jahren war das noch differenzierter. Das heißt, den Klimawandelleugnern und -skeptikern wurde damals ein größerer Raum in den Medien eingeräumt. Mittlerweile ist es so, dass Klimaskeptiker aufgrund dieser Entwicklung eigentlich überhaupt keine Medienresonanz mehr haben. Auch ist zu beobachten, dass das Berichterstattungsniveau angestiegen ist, weil alle das Gefühl haben, dass die breite Öffentlichkeit die Grundlagen – zum Beispiel „Wie funktioniert der Treibhauseffekt?“ – verstanden hat. Jetzt geht es natürlich immer noch um die geophysikalischen Zusammenhänge, aber die Debatte hat sich mehr in die Richtung politischer Klimaschutzmaßnahmen verschoben.
Haben Sie ein Beispiel parat?
Das sah man etwa an der Berichterstattung aus Paris. Das Interesse war sehr groß daran, wie ein solches Abkommen zustande kommt, wer die treibenden Nationen sind oder wie das Abkommen vertraglich und völkerrechtlich vereinbart werden soll. Daraus kann man schließen, dass das Grundthema akzeptiert worden ist. Und dass es jetzt in eine weitere Phase geht, in der es um die Umsetzungen und die politischen Maßnahmen geht.
Welche Medien sind für Sie besonders aktiv?
Das ist sehr unterschiedlich. Beim ZDF beobachtet die Umweltredaktion die Klimadebatte seit vielen Jahren. Seit der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro 1992 habe ich viele Klimakonferenzen besucht, was auch für die aktuelle Berichterstattung wichtig ist. Das gibt es so meines Wissens nach in keinem anderen Medienhaus – und ist daher über die Jahre auch zu einem Alleinstellungsmerkmal geworden. In unserer Umwelt-Dokureihe planet e. kommen auch regelmäßig Klimafilme vor.
Und bei Zeitungen und Magazinen?
Im Printbereich ist zum Beispiel die ZEIT aktiv, die ereignisabhängig große Dossiers zum Thema Klima macht. Und die Frankfurter Zeitungen – die FR, die FAZ gerade auch mit der Sonntagsausgabe – bringen meiner Wahrnehmung nach häufig Aspekte dazu. Dann setzen sich natürlich die monatlichen Zeitschriften wie zum Beispiel GEO oder National Geographic regelmäßig mit diesen Thematiken auseinander. Aber da sind wir schon knapp vor den Fachzeitschriften. Die erreichen wieder ein anderes, sehr interessiertes Publikum.
Gibt es Aspekte des Klimathemas, die vergessen gehen?
Die Auswirkung des Klimawandels auf die Welternährung ist völlig unterbelichtet. Wir haben gelernt, dass Klima – wenn es sich verändert – mehr und mehr extreme Situationen hervorruft. Seien es Dürren, Überschwemmungen oder starke Stürme – all das führt dazu, dass fruchtbares Land verloren geht. Bei Überschwemmungen liegt das auf der Hand, bei Dürren ebenfalls. Bei starken Stürmen ist es so, dass die oberste Schicht von Ackerflächen einfach weggeweht wird – ein unterschätzter Faktor. Wenn die Klimaveränderung so weiter geht – und davon muss man ausgehen –, werden wir in absehbarer Zeit massive Welternährungsprobleme bekommen. Nicht morgen, aber innerhalb der nächsten 50 bis 100 Jahre – wobei hier die Gegenfrage lautet, ob die Landwirtschaft in der Lage ist, die Erträge auf den dann vorhandenen Flächen so zu steigern, dass die Umverteilung der Nahrungsmittel entsprechend ausgeglichen ist.
Und wo könnte man die Klimaberichterstattung handwerklich verbessern?
Zunächst haben wir grundsätzlich die Problematik, dass es – und das gilt vermutlich vor allem im Printbereich – immer weniger Journalisten gibt, die Zeit genug haben, um sich mit einem solchen komplexem Thema ordentlich zu befassen. Das Abklappern von Agenturmeldungen und mal eben fünf Zeilen zusammentragen, das kann es nicht sein. Der Schlüssel zur Verbesserung liegt in der Aus- und Weiterbildung von Fachjournalisten. Das kommt insgesamt viel zu kurz. Im Übrigen gilt das auch für andere Bereiche, nicht nur für die Klimathematik. Das nächste Problem hat mit Geld zu tun: Weil die Klimaproblematik eine globale Problematik ist, muss man genug Budget haben, um in die Welt zu fahren. Man muss nach Südamerika, Südafrika, Australien oder in die asiatischen Länder gehen, um zu sehen, wie dort das Thema debattiert wird und was es für Auswirkungen gibt. Spätestens daran scheitern viele Berichte.
Wir reden im Journalismus immer öfter über Geschichtenerzählen und Storytelling; gibt es auch diesen Trend auch im Klimajournalismus?
Das glaube ich schon. Es hat sich durchgesetzt, gerade die komplexeren Themen mit Storytelling so aufzubereiten, dass sie für ein größeres Publikum ohne Fachkenntnisse konsumierbar und verträglich werden. Und dass es Spaß machen muss, einem Beitrag zuzuhören oder ihn zu lesen. Gutes Storytelling hat eine Art Key-Funktion, komplexere Stoffe an ein Massenpublikum zu bringen.
Ein Beispiel?
Beim Klimathema kann ich auf planet e. verweisen. Da hatten wir im letzten Jahr die Geschichte „Operation Weltklima“. Neben der Klimakonferenz in Paris ging es um die Frage: „Kann man mit großtechnischen Ingenieurleistungen das Klima retten?“ Das war eine sehr schöne Geschichte, die spannend rübergekommen ist, weil es da um Menschen mit leicht schrägen Ideen ging. Ich erinnere mich noch gut an einen der Protagonisten, der eine Baumpflanzmaschine erfunden hat. Per Drohne soll diese Maschine in der Lage sein, in wenigen Stunden eine Millionen Bäume zu pflanzen, indem die Drohne Samenkapseln abschießt, um so in kürzester Zeit eine CO2-Senke zu produzieren.
Bietet das Geschichtenerzählen besondere Chancen für die Klimaberichterstatung?
Es ist sehr gut geeignet, weil man komplexe Zusammenhänge in Geschichten verpacken kann, es gelingt, Faszination auszuüben, um dann sozusagen im Vorbeigehen die eigentliche Thematik an das Publikum zu bringen. Wohlgemerkt, wir reden über ein sehr unterschiedlich zusammengesetztes Publikum im Massenmedienmarkt. Wir reden nicht über Seminarveranstaltungen an Hochschulen oder hochspezialisierte Fachblätter. Dort wäre genau das Gegenteil angesagt: überhaupt kein Storytelling, sondern Fakten oder Studienergebnisse darzustellen.
Wo sehen Sie noch Potenziale für Klima-Erzählungen?
Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass es einen Mangel an gut ausgebildeten Journalisten gibt, die sich mit dem Klimathema von der fachlichen Seite auskennen. Gerade im Fernsehbereich braucht man gleichzeitig Redakteure, die eine dramaturgische Ausbildung haben. Denn es ist nicht damit getan, dass man die Fakten zusammenkriegt. Man muss es auch so zusammenbinden können, dass man daraus einen Film machen kann. Und es geht um, sagen wir, kreative Fantasie. Wenn man ein Klimathema bearbeiten möchte, muss man sich fragen: „Wo ist meine Geschichte dazu? Wie erzähle ich die?“ Möglicherweise muss man große Umwege in Kauf nehmen, um eine schöne Geschichte zu haben, aber irgendwann landet man damit genau bei dem Punkt, bei dem man sein sollte. Vielleicht ist das eine dritte Überlegung neben der fachlichen und dramaturgischen Ausbildung: das Denken in Umwegen, um ans Ziel zu kommen.
Und wie bewerten Sie Storrytelling generell. Wird es im Journalismus derzeit überschätzt? Oder noch unterschätzt?
Storytelling ist für mich die Kunst, einen gegebenen Stoff so aufzubereiten, dass daraus eine erzählbare Geschichte wird. Es ist ein dramaturgisches Instrument, das in bestimmten Formaten anwendbar ist, aber eben nicht in jedem. In Nachrichtensendungen ist es schwieriger anzuwenden, weil dort eher eine faktische Orientierung vorherrscht. Im Doku- oder Reportagebereich muss eine Geschichte erzählt werden. Ansonsten erleben wir eine Rückentwicklung in die Zeiten, wo man noch Features am Schreibtisch geplant, sie mit Archivbildern bebildert und das dem Publikum angeboten hat. Das war in den 70er, 80er Jahren der Stand der Dinge. Heute funktioniert das anders, auch dank kleiner digitaler Technik, die man überall hin mitnehmen kann.
Wie wirkt Storytellin, kann es Menschen zum Umdenken bewegen? Oder gar zum Handeln?
Storytelling kann das direkt vielleicht nicht. Aber es kann in der Tat Menschen dazu bringen, überhaupt Kontakt zu einem Thema aufzunehmen – vielleicht einfach, weil die Geschichte toll war. Man hat am Anfang gar nicht gemerkt, dass es um eine Klimaproblematik geht, wirdaber en passant herangeführt und findet es dann spannend. Das ist der Hauptansatz von Storytelling: dass man über das Geschichtenerzählen Menschen für Thematiken begeistern kann, die sie sich sonst nie im Leben angeguckt oder durchgelesen hätten. Das bedeutet aber auch, dass man viel falsch machen kann. Eine langweilig erzählte Geschichte bewirkt selbstverständlich genau das Gegenteil. Dann werde ich den Zuschauer oder Leser weder über die Fakten, noch übers Storytelling bekommen. Dann habe ich zwei Mal verloren.
Interview: Stella Lorenz