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Warum Familienhunde Jagdausbildung brauchen

Anton mit Beute

„Super, fein gemacht ,Anton“, lobt Marion Tieber ihren Labrador Retriever, während sie ihm sanft über die Brust streichelt. Stolz sitzt er vor ihr. Mit einem Dummy im Maul wedelt er glücklich mit seinem Schwanz hin und her. Marion nimmt ihm den kleinen Sandsack, der in ein Segeltuch eingepackt ist, ab und lobt ihren Hund erneut. Es ist halb Neun abends, so langsam wird es dunkel im Kelkheimer Wald. Anton sieht vom Dummy-Training müde und erschöpft aus. „Jetzt geht’s heim“, ruft ihm sein Frauchen zu. Glücklich stapft der pechschwarze Labrador neben der 52-Jährigen zum Auto.

Im Juni 2006, mit acht Wochen, kauft Familie Tieber aus Liederbach Anton als Welpen. „Wir wollten einen mittelgroßen Familienhund, den man draußen richtig auspowern kann und der Grips hat “ – das waren die Kriterien der vierköpfigen Familie. Da fiel die Wahl schnell auf einen Labrador oder einen Golden Retriever. „Wir haben uns dann für einen „Labby“ entschieden, da „Goldies“ so viele Haare haben.

Anton ist Marion Tiebers erster Hund. Seine Züchterin, eine gute Freundin der Familie, hat schon viel Dummy-Arbeit mit Hunden gemacht hat. Durch sie haben Marion und ihr Mann Christian zur Hunde-Arbeit im Wald gefunden.

Was hinter dem Dummy-Training steckt

Intelligente Hunderassen wie Retriever wollen von ihren Besitzern besonders gefordert werden. „Für die artgerechte Haltung eignet sich dafür das Dummy-Training bestens“, erklärt Marion Tieber. Diese Art des Hundetrainings kommt aus dem Vereinigten Königreich und diente dort zur Vorbereitung für die Wildjagd.

Der Hund half, das verletzte oder erlegte Tier zu suchen und dem Jäger zurückzubringen. Heute wird dieses Training immer häufiger genutzt, um Haushunde wie Golden Retriever oder Labrador Retriever artgerecht zu fördern. Denn diese Rassen verlangen vom Besitzer mehr, als einen Ball oder einen Stock hin- und her zu werfen.

Das Dummy-Training besteht aus drei Schritten: Markieren, Suchen und Einweisen. Am Anfang muss der Besitzer seinem Vierbeiner klar machen, dass es sich lohnt, den Dummy zurückzubringen, zu apportieren. Dafür belohnt man den Hund nach erfolgreichem Zurückbringen mit einem Leckerli – „oder man macht ihm deutlich, dass das „Spiel“ erst weitergeht, wenn der Dummy zurückgebracht wurde“, sagt Marion Tieber. Wichtig sei dabei, dass der Mensch dem Hund Lob und Bewunderung bei erfolgreicher Arbeit klar verdeutlicht.

Tote Hasen im Gefrierschrank

Frauchen Mario Tieber mit Hund Anton beim Training

Und genau das macht Familienhund Anton erfolgreich. Nachdem Anton die Grundbefehle beherrschte, arbeitete Marion Tieber mit ihm auf die erste „Dummy-Prüfung“ hin, um sich mit anderen Hunden zu messen.

Anfang September 2007 fuhren beide dafür nach Iffezheim bei Karlsruhe. Hier erlangte Anton den Grundschein, die sogenannte „Jugendprüfung im Jagdbereich“ mit Bravour: Als „Jahrgangsbester“ schloss er die Prüfungsaufgaben ab und belegte in der Kategorie „Suchen“ den ersten Platz. Einige Wochen später belegte er in Castrop-Rauxel in der Güteklasse Amateur einen dritten Platz in der Kategorie „Work and Show“. „Wir sind ein gutes Team“ sagt sein Frauchen stolz.

Aber wie läuft die Prüfung ab? Im Wald wird eine Niederwildjagd nachgestellt. Die Jagdatmosphäre wird nachgestellt, dafür muss zu Beginn ganz ruhig sein. Dann werden den Hunden Arbeitsaufgaben gestellt, die sie bei einer „echten“ Jagd erfüllen müssten. Quasi eine Jagd für Leute mit Hund – aber ohne Jagdschein.

Ein Schuss fällt, und die Hunde müssen das erlegte Tier suchen und bringen, ohne es zu fressen oder zu verletzen. „Zum Üben haben wir dafür tote Hasen von einem befreundeten Jäger bekommen. Die haben wir in unserem Gefrierschrank gebunkert“, erzählt Hundebsitzerin Tieber.

„Für die Jagd nach dem Schuss gemacht“

Der Weg zum gut erzogenen Jagdhund war lang. Nach der Hundeschule und vor der Grundschein-Prüfung besuchte die Büroangestellte einmal wöchentlich einen Hundetrainer, der mit Anton und einigen anderen Hunden das Apportieren im Rödelheimer Wald übte. Um für die Prüfungen  überhaupt zugelassen zu werden, müssen Hund und Besitzer auch einige Kriterien erfüllen: Der Hund muss reinrassig und geimpft sein, vor allem gegen Tollwut. Die Haftpflicht des Hundes muss vorgewiesen werden. Und Tier und Mensch müssen Mitglieder des deutschen Retrieverclubs sein.

„Retriever sind für die Jagd nach dem Schuss gemacht“, erklärt die 52-Jährige Hundebesitzerin. Trotzdem unterscheidet man sie in zwei Arten: Arbeits- und Showhunde. Der Name erklärt es von selbst: Die Arbeitshunde haben den Willen zu Arbeiten tief in sich – ihnen macht die Arbeit Spaß. Ein Showhund ist ruhiger und ausgeglichener, präsentiert sich gerne. Anton ist ein Mischling aus beiden Arten. „Er arbeitet um mir zu gefallen“ – erklärt Marion Tieber den Unterschied. „Anton freut sich riesig, wenn ich ihn lobe und mich über seine Arbeit freue. Für ihn gibt es nichts Größeres.“

Anton beim Apportieren eines Dummys

Lob für gefrorenen Kot

Gelernt wird in der Ausbildung unter anderem eine positive Verbindung mit einem Schuss, denn auch das wird in den Prüfungen bewertet: Zucken Hunde nach einem Schuss zusammen, sind sie durchgefallen. „Wir haben zu Beginn Schüsse abgefeuert, während die Hunde gegessen haben, dabei sind sie am entspanntesten und Essen lieben sie“, erklärt Tieber.

Außerdem wird in der Ausbildung gelehrt, dass das Apportieren das Größte ist. „Egal, was die Hunde am Anfang gebracht haben, es wurde immer gelobt“, erzählt die Hundebesitzerin. Das Tier muss merken, dass es etwas Großartiges vollbracht habe. „Einmal hat Anton mir einen gefrorenen Haufen Kot gebracht – und auch dafür musste ich ihn loben“, lacht Marion Tieber.

Mittlerweile ist Anton zwölf Jahre alt – auf Wettbewerben nimmt er nicht mehr teil. Es gibt zwar auch Seniorenwettbewerbe, allerdings hat Anton mittlerweile eine Sehschwäche. Mit Frauchen trainiert und übt er trotzdem weiterhin. Täglich sind die beiden dafür im Kelkheimer oder Hofheimer Wald unterwegs. Die Stille lässt Naturliebhaberin Marion Tieber vom stressigen Büroalltag abschalten. „Auch für Hunde ist der Wald der beste Rückzugsort im Sommer“, sagt Tieber. Gerade Ältere wie Anton, die sich aber immer noch viel bewegen, brauchten Abkühlung. „Dann geht nichts über den Wald, auch deshalb ist er unser liebster Ort.“

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