Seit 2021 arbeitet Frau Dr. Sarah Fluchs im IW Köln und publiziert dort regelmäßig Inhalte. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Universität Maastricht promovierte sie in Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen. Ihr Fokus liegt vor allem auf der Umweltberichterstattung.

Interview: Moritz Zschau

„Es ist deshalb wichtig, dass es eine langfristige  internationale Unterstützung gibt“

Frau Fluchs, wieso ist es wichtig, dass Medien auch darauf aufmerksam zu machen, wie sehr die Umwelt im Ukraine-Krieg gerade leidet?

Umweltfolgen von Kriegen stehen zurecht nicht im Fokus aktueller Debatten – trotzdem sind sie gravierend und beeinflussen den künftigen Alltag der Zivilbevölkerung sehr stark. Betroffen von diesen Umweltfolgen ist in der Regel zunächst einmal die Bevölkerung in den Kriegsgebieten. Viele Folgen können sich allerdings auch global auf andere Regionen und Länder ausbreiten und sind auch nach lange nach Kriegsende spürbar. Es ist deshalb wichtig, dass es eine langfristige internationale Unterstützung gibt. Die Unterstützung darf nicht mit Kriegsende aufhören, denn oft braucht es Jahre beziehungsweise Jahrzehnte bis die Natur und damit die Lebensgrundlage der Menschen sich erholt.

Was ist für die Umwelt das Schlimmste am Krieg: die Explosionen oder die verseuchte Luft?

Das lässt sich nur schwer differenzieren, denn im Grunde ist es genau das Zusammenspiel aus unterschiedlichen Faktoren und Schäden, die auftreten. Bei Explosionen können Wohngebiete und Industrie-Anlangen zerstört werden, wodurch giftige Stoffe austreten und Böden sowie Grundwasser verseuchen. Gleichzeitig kann aber auch Asbest freigesetzt werden – oder schädliche Gase können in die Luft gelangen. Sowohl im Grundwasser als auch in der Luft breiten sich Verschmutzungen schnell und großflächig aus.

Was bereitet Ihnen durch den Krieg in Bezug auf die Umwelt die meisten Sorgen?

Sorgen bereitet mir die Tatsache, dass die Umwelt in dem Sinne keinen Schutz hat. Zwar verbietet das Völkerrecht umweltschädigende Kriege und dazu gehören auch Schäden an der Umwelt, die durch kriegerische Handlungen in Kauf genommen werden. Jedoch steht die Ahndung von Umweltschäden durch Kriegsführung vor einem Durchsetzungsproblem. Zudem ist es so, dass ganze Regionen und Landstrichte für Jahrzehnte unbewohnbar bleiben können. Wichtig zu verstehen ist, dass Umweltschäden immer auch Konsequenzen für uns Menschen haben, und wir deshalb auch direkt betroffen sein werden.

„Die Rauchwolken waren mehrere Wochen über der  Region zu sehen“

Wenn man diesen Krieg im großen Ganzen betrachtet, ist es sogar denkbar, dass er den Klimawandel noch beschleunigt?

Der CO2-Ausstoß von Kriegen ist nicht zu unterschätzen – ein interessantes Beispiel ist der Treibstoffverbrauch von Kriegsfahrzeugen. Insbesondere Kriegsfahrzeuge wie Panzer verbrauchen große Mengen Treibstoff und stoßen entsprechend viel CO2 aus. Ein russischer T-72 Panzer benötigt beispielsweise 250 Liter pro 100 Kilometer auf befestigten Straßen, im Gelände ist es noch deutlich mehr. Dies stellt jedoch nur einen Bruchteil der Emissionen dar, die durch Kriege verursacht wird. Dass Kriege möglicherweise Folgen für das globale Klima haben, wird von einigen Wissenschaftlern vermutet. Im Irakkrieg 1991 wurden Hunderte Ölquellen in Kuwait in Brand gesetzt, um den Vormarsch der gegnerischen Truppen zu stoppen – auch dort mit schweren Konsequenzen für die Umwelt. Die Rauchwolken waren mehrere Wochen über der Region zu sehen. Berichten zufolge waren die Rauchwolke eintausend Kilometer lang und vierhundert Kilometer breit: Sie wurde als Bedrohung für das weltweite Klima angesehen.

Wenn der Krieg eines Tages beendet sein sollte und die Menschen in ihr Heimatland zurückkehren können, was erwartet sie dort? Kann die Umwelt in der Ukraine jemals wieder so aussehen wie vor dem Krieg?

Welche Umweltfolgen der Ukrainekrieg tatsächlich hat, wird sich erst in den nächsten Monaten und Jahren zeigen. Aktuell ist eine Abschätzung schwierig, weil an vielen Orten keine unabhängige Berichterstattung möglich ist. Die Summe an Umweltschäden und deren Gefahr für die Menschen bedrohen all diejenigen, die

den Krieg überleben. Jeder Krieg schädigt die Menschheit auf verschiedenen Ebenen für Jahre und Jahrzehnte, viele Folgen sind auch 30 Jahre nach Kriegsende noch deutlich spürbar. Viele Experten befürchten beispielsweise, dass der Donbass, wo seit 2014 gekämpft wird, in Zukunft unbewohnbar sein wird.

„Obwohl die Umweltschäden wesentlich und gravierend  sind, steht das menschliche Leid zurecht im  Vordergrund“

Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, wenn der Krieg zu Ende ist?

Eine langfristige und internationale Unterstützung ist – wie gesagt – zentral, das wird die Ukraine nicht allein stemmen können. Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass der Aufbau erst nach Kriegsende richtig beginnen kann. Zudem ändern sich durch den Krieg aktuell Lieferketten und globale Strukturen – es muss sich zeigen, wie das Ganze nach Kriegsende wieder aufgebaut werden und die Ukraine gut und sinnvoll integriert sein kann. Auf politischer Ebene gibt es aber bereits beispielsweise seitens der EU gute Signale, die eine Unterstützung in diesen Punkten suggerieren.

Abschließend – was kann den Menschen aus der Ukraine Mut machen, wenn sie eines Tages in ihr Heimatland zurückkehren?

Obwohl die Umweltschäden wesentlich und gravierend sind, steht das menschliche Leid zurecht im Vordergrund. Dies wird auch der Fall sein, wenn die Menschen aus der Ukraine wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Dennoch ist die Natur unsere Lebensgrundlage. Mut machen, sollten meiner Meinung nach im Wesentlichen zwei Punkte: zum einen die große internationale Solidarität und zum anderen die Tatsache, dass die Natur resilient ist. Es wird Jahrzehnte dauern, aber die Natur kann sich in den meisten Fällen wieder erholen, wenn wir sie dabei unterstützen und genau das sollte getan werden.

Beiträge mit ähnlichen Themen