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Tourismus und Nachhaltigkeit: „Wo Wein ist, da lass dich nieder“

Interview: Stefanie Eller

Herr Köth, welche Rolle spielen Einnahmen durch Tourismus für Mühltal?

Touristen, beziehungsweise Einnahmen durch sie, spielen für das Mühltal quasi gar keine Rolle. Denn wir haben momentan so gut wie keine Besucher. Zwar hat die örtliche Gastronomie vermehrt Gäste aus Darmstadt zu vermelden, die hier ins Mühltal kommen, um essen zu gehen. Auch würde ich die Burg Frankenstein und den Obsthof Muth in Nieder-Beerbach davon ausklammern, denn diese beiden Orte locken schon Leute zu uns in die Region. Abgesehen davon ist hier aber alles eher verschlafen, was Tourismus angeht.

Die Corona-Zeit hat vielerorts Einbußen durch ausbleibende Touristen gebracht. Auch bei Ihnen im Betrieb, der „Wohlfühlerei“ ?

Ja, hier bei uns ist das auch so gewesen. Wir haben im Betrieb über die ganze Corona-Zeit zu kämpfen gehabt. Selbiges habe ich auch von Kolleginnen und Kollegen hier aus der Region im Gastronomiegewerbe gehört. Aber uns ist es hier im Mühltal allen mit genügend Kreativität, Einfällen und Förderungen gelungen, diese Zeit gut zu überstehen und über die Runden zu kommen.

Gibt es derzeit Pläne in Mühltal, die touristischen Angebote auszubauen?

Das gestaltet sich hier alles etwas schwieriger. Also bei den Leuten, die hier leben, gibt es sicherlich viele, die sehr kreativ sind und Ideen dafür haben. Aber ich denke, wir müssen all die Sachen an geeigneter Stelle bündeln: Sowohl die kreativen Leute, die mitarbeiten wollen, als auch die Ortsteile selbst, um für Mühltal ein geeignetes Konzept erschließen zu können. Die Ideen und der Antrieb für einen Ausbau der Angebote können nur von innen kommen. Und auch nur, wenn wir alle dabei an einem Strang ziehen. Denn wir sind Mühltaler und gehören zusammen.

Irgendwie müssen potenzielle Besucher ja von der Gemeinde erfahren. Welche Ideen gibt es für Werbung?

Werbung nach außen muss auf jeden Fall gemacht werden. Wir wollen in den sozialen Medien werben. Den ein oder anderen Flyer und Prospekt wird es auch geben. Auch gibt es Internetseiten, auf denen man sich eintragen kann, zum Beispiel von Hessentourismus und Bergstraße-Odenwaldtourismus. Ebenfalls wollen wir unsere Region in Foren für Camper anbieten, sobald es die nötigen Stellplätze hier geben sollte.

Liegt der Fokus für das Mühltal auf Tagestouristen oder denen, die für längere Zeit bleiben?

Der Fokus ist momentan auf Tagestouristen ausgelegt. Aber ich bin der Meinung, dass man das Mühltal weiter touristisch ausbauen könnte und somit auch für Kurzurlauber interessant machen kann. Zum Beispiel durch bereits eben genannte Camper- beziehungsweise Caravan-Stellplätze. Oder auch durch den Bau von Pensionen, zum Beispiel in Frankenhausen: Da könnten sich Privatpersonen, die daran interessiert wären, auch über den Verband fördern lassen vom Staat. Dafür müsste aber erst mal Interesse aufgebaut werden bei den Menschen im Mühltal. Aber generell würde ich sagen, dass auf Naherholung und damit auch Tagestouristen weiter der Fokus liegen wird.

Was macht für Sie das Mühltal aus, das Touristen dazu bewegen könnte, dort Urlaub zu machen?

Die Region Mühltal steht für wunderschöne Landschaften und natürlich auch für die weltweit bekannte Burg Frankenstein. Bei uns kann man wunderbar laufen und wandern gehen, also auch für Outdoor-Aktivitäten ist einiges geboten. Da wir hier in der Region auch unseren Fahrradhersteller Riese & Müller haben, wäre es naheliegend, dass das Fahrradfahren auch ein Merkmal für das Mühltal werden könnte. Hierfür wird es von der Seite des Verbandes auch Konzepte geben. Wichtig wäre es dann auch, die ganzen Ortsteile mit Fahrradwegen anzubinden.

Frank Köth ist Winzer, Gastronom und Tourismus-Planer in Mühltal, BIld: privat

Was kann die Gemeinde tun, um die Kommune noch attraktiver für Besucher zu machen?

Ich sage das mal so: Darum wird sich unser Verband kümmern. Die Politik im Mühltal muss sich dafür aber ändern. Denn Rathaus, der Gemeindevorstand und Politik müssen generell kreativer und innovativer werden und sollten Neuerungen auch annehmen. Für nachhaltige Veränderungen muss ein funktionierendes System gegeben sein. Unsere unmittelbaren Schritte werden hier zunächst aber erst einmal sein, dass wir alles verschönern, bevor Weiteres angegangen wird. Eine erste Idee: Jeder Ortsteil hat bunte Weinfässer mit dem Schriftzug “Frankensteiner Land”, die als Blumenkübel genutzt werden – sozusagen dann als Zeichen der Toleranz und Zusammengehörigkeit untereinander.

Ist die örtliche Infrastrukturen dafür ausgelegt, viel mehr Besucher:innen zu empfangen?

Wir haben hier zwei Hotels und ein paar Ferienwohnungen, also auf jeden Fall ist das Angebot diesbezüglich noch sehr klein und ausbaufähig. Die Infrastruktur bezogen auf An- und Abreisen ist soweit gut; wir haben einen Bahnhof mit Direktanbindung nach Darmstadt und einen relativ flächendeckenden Busverkehr. Aber gerade in Bezug auf den Ortsverkehr gibt es deutliche Mängel. Es gibt kaum Fahrradwege, welche die Ortsteile untereinander verbinden. Aber auch die Parkplatzsituation und Verkehrsführung hier ist ziemlich schlecht geregelt. Deswegen wird da ein richtiges Verkehrskonzept benötigt für das Mühltal.

Was würde es für die Mühltaler:innen selbst bedeuten, wenn mehr bald mehr Touristen kommen?

Die Touristenanzahl hier wird sich zahlenmäßig wahrscheinlich nicht so verändern, sodass sich die Anwohner davon gestört fühlen könnten. Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Ich gehe davon aus, dass man hier im Mühltal nicht das große Geld mit dem Tourismus verdient werden kann. Es ist aber für uns als Mühltaler gut. Wir würden davon profitieren, wenn die Infrastruktur verbessert werden würde durch ein höheres Interesse von Besuchern an der Region. Auch könnte sich das Phänomen der ausgestorbenen Ortskerne wieder abschwächen lassen durch Gäste in unserem Mühltal. Wir alle hätten was davon.

Könnten es Konflikte zwischen Tourismus Naturschutz geben, wenn mehr Menschen nach Mühltal kommen?

Da sehe ich keine Probleme. Vor allem, wenn wir den Fokus auf den Ausbau von Fahrradwegen und somit naturschonenden Fortbewegungsmöglichkeiten setzen. Auch die Idee der Caravan-Stellplätze auf Privatgrundstücken halte ich nicht für umweltschädlich, da die Camper somit nicht etwa in der freien Natur stehen würden, sondern auf extra dafür ausgelegten Plätzen mit Müllkörben. Außerdem haben wir da auch keine riesigen Stellplätze im Sinn, sondern fünf bis sechs kleinere.

Was sind ihre eigenen Pläne als Winzer und Gastronom?

Bezogen auf den Weinanbau sage ich gerne: Wo Wein ist, da lass dich nieder. Denn da ist Geselligkeit, da trifft man sich. Und da ist auch Tourismus. Ich will in Zukunft meinen Weinberg vermehrt touristisch nutzen. Zum Beispiel werde ich im kommenden Jahr Planwagenfahrten anbieten. Eine Idee für eine Tour wäre, dass wir in Traisa starten und dann zu mir auf den Weinberg fahren. Von dort aus könnte es zum Obsthof Muth gehen und den Schluss auf der Burg Frankenstein finden. Eine weitere Idee wäre, ein Fest oben auf meinem Weinberg, auf dem ich einmal monatlich einen Ausschank meines Weines habe. Den könnte man dort zusammen mit der großartigen Aussicht genießen. Alles in allem gibt es also wirklich touristisches Potenzial für das Mühltal, gerade auch mit dem Weinanbau, welches wir auf jeden Fall ausschöpfen sollten.

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