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Raus aus dem Gas? Was Studierende denken – Sarah Fenchel (4)

Mit ihrem Aufruf zu einem sofortigen Boykott von russischen Gaslieferungen haben mehrere Wissenschaftler:innen und Politiker:innen Mitte März an die Bundesregierung appelliert. Das Embargo sei demnach das wirksamste Druckmittel, um Putins Angriffskrieg zu stoppen und eine humanitäre Katastrophe aufzuhalten. Eine Forderung die, allerspätestens nach den Bildern von den Gräueltaten in Butscha nur allzu verständlich ist. Mit einem sofortigen Stopp von russischen Gaslieferungen würden zwar mehr als 30 Milliarden Euro in der Kriegskasse Russlands fehlen.

Die Bundesregierung plant allerdings nicht, diese Summe beispielsweise in die Förderung von erneuerbaren Energiequellen zu stecken. Damit würde sie zwar nicht nur zur Abwechslung mal dem Klimaschutz etwas mehr Gewicht geben, sondern dazu noch aus einer langjährigen Abhängigkeit von einem unberechenbaren Imperialisten eine Lehre ziehen. Jedoch stürzt sie sich lieber aus der einen fossilen Abhängigkeit in die nächste und unterstützt dadurch indirekt das Finanzieren von Salafisten und Extremisten sowie der Diskriminierung von Frauen und LGBTQI+-Angehörigen. Im Allgemeinen also eine großartige Energiepartnerschaft. Das meint jedenfalls unser Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.

Die LNG-Problematik

Diese euphorische Haltung Habecks bei seinem Besuch im Emirat im März irritiert noch mehr, sobald man die Umweltverträglichkeit der angestrebten Gaslieferung betrachtet. Richtig, sie existiert nicht. Die fossile Energiequelle um die es geht, ist nämlich das sogenannte „Liquefied Natural Gas“, kurz LNG. Das verflüssigt aufbereitete Erdgas ist nicht nur in seiner Verarbeitung extrem energieineffizient, dem für seine Gewinnung notwendige „Fracking“-Verfahren werden außerdem verheerende Folgen für die Umwelt zugeschrieben. Beim gesamten Prozess zur Verflüssigung des Gases gehen mindestens zehn Prozent der Energie verloren. Und auch der benötigte Wasserverbrauch für das Fracking beträgt mehrere tausend Kubikmeter. Außerdem entweicht bei dem Verfahren das Gas Methan, was einen deutlich höheren Treibhauseffekt als CO2 aufweist.

Dazu kommt die Tatsache, dass für die Einspeisung in die Pipelines spezielle Terminals benötigt werden. Die gibt es in Deutschland so allerdings gar nicht. Zwar plant die Bundesregierung den Bau solcher Terminals, bis diese fertiggestellt sind, soll aber noch mindestens ein bis zwei Jahre dauern.

Nun gut, dann überbrückt man diese Zeit eben mit den schneller einsatzfähigen schwimmenden Terminals. Eben nicht. Denn auch dann ist es immer noch fraglich, ob so die deutsche Versorgungssicherheit gewahrt werden kann. Die Bundesrepublik hatte in den vergangenen Jahren einen Erdgasverbrauch von mindestens 80 Milliarden Kubikmetern pro Jahr, wovon bis zum Beginn des Angriffskriegs etwa die Hälfte aus Russland stammte. Die schwimmenden LNG-Terminals verfügen über eine Kapazität von maximal zehn Milliarden Kubikmetern, das heißt, es wären allein vier davon nötig, um die russischen Lieferungen zu kompensieren. Ein Vorhaben, das auch vom Präsidenten des Naturschutzbundes Deutschlands, Olaf Tschimpke stark kritisiert wird.

Unabhängigkeit? Ja, aber richtig!

Betrachtet man die schrecklichen Bilder und Nachrichten, die tagtäglich aus den Kriegsgebieten in der Ukraine auf uns einschlagen, sind die Rufe nach einem sofortigen russischen Gas-Embargo selbstverständlich nachvollziehbar und gehen auch grundsätzlich in die richtige Richtung. Dies kann allerdings nur funktionieren, wenn Deutschland über eine verantwortbare Alternative verfügt. Die existiert zum aktuellen Zeitpunkt aber nicht.

Das muss die Bundesregierung langfristig ändern. Denn das Geld dem einen Kriegstreiber zu entziehen, nur um es dann dem anderen überbringen zu können und währenddessen noch folgenschwere Konsequenzen für die Umwelt einfach hinzunehmen, kann nicht die Lösung sein. 

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