Fehlt Journalisten die Fähigkeit, sich eine andere Zukunft vorzustellen? Eine Debatte im Seminar.

Am 15. November hielt der Darmstädter Philosoph Gösta Gantner in unserer Dieburger Lehrredaktion einen Gastvortrag zum Thema „Modernes Möglichkeitsdenken“, das wir gemeinsam aus der Klimaperspektive diskutierten.

Allgemein klingt das vielleicht erstmal ziemlich abstrakt, ist aber bei näherer Betrachtung ziemlich nah an der Realität. Mit vielen Zitaten – unter anderem von der kapitalismuskritischen Schriftstellerin Naomi Klein – zeichnete Gantner die These, dass echte Neuheit im Denken, verstanden als die Vorstellung von anderen Zukünften, oft nur noch schwer zu finden ist.  Als Grund hierfür sieht er ein radikal gewandeltes Zukunftsverständnis: Wenn der Anspruch einmal das Denken in Alternativen gewesen sei, so Gantner, dann erscheine die Gesellschaft heute zwischen Resignation und Optionsüberschuss gefangen. Und von einem ausgesprägten Pragmatismus geprägt.

Anders gesagt: Wir stimmen oft einer Entwicklung zu und unterwerfen uns ihr – manch einer begeistert, oft aber, weil man eben „muss“. „Eine Entwicklung, bei der wir tätig oder untätig mitmachen, jedenfalls mitmachen“, schreibt dazu auch der Schrifsteller Robert Menasse.

Die einzige Betrachtungserspektive auf Zukunft, so führte Gantner weiter aus, scheint die technische und naturwissenschaftliche Beherrschung der Welt geworden zu sein. Zu deutsch: Irgendein Genie wird schon das Ding erfinden, dass unser Handeln und den Klimawandel wieder reguliert. Wozu also Sorgen machen?

Wie geht es (der Welt) heute? – Naja es muss halt

Doch „muss“ es wirklich? Gibt es wirklich „no alternative“ , wie Thatcher sagte? Oder fehlt uns nur die Fantasie und die Vorstellungskraft, um eine zu finden? Diese Fragen warf der Philosoph mit seinem Vortrag immer wieder auf. Und manch einer unter uns Studenten fühlte sich ein wenig ertappt nach dem Motto: „Aktiv werden? Ja, aber erst morgen, denn heute gibt es Wichtigeres zu tun.“ Und im Zweifel geschieht der Klimawandel so richtig doch erst in 60 Jahren, da betrifft es uns dann kaum noch. Doch wenn schon jemand, der noch keine 30 ist, so denkt, wie denkt dann erst die Politik? Ein Indikator dafür ist vielleicht der prozentuale Anstieg der CO2-Emissionen, den wir statt der eigentlich dringend benötigten Senkung nun erreicht haben – und das pünktlich zur Klimakonferenz.

Dann kam die Debatte stärker auf den Klimawandel. In dem Begriff an sich steckt Bewegung – ein stetiger Wandel, der aber schneller vonstatten geht als vielen lieb ist. Und es ist ein Begriff, der nicht gerade an Beliebtheit gewonnen hat und manchen so Angst zu machen scheint, dass sie ihn gleich ganz leugnen. Gleichzeitig erscheint der Fortschrittsbegriff in Zeiten der Erderwärmung eher klein, denn als Klimaziel und Fortschritt gilt es nun schon, das Schlimmste zu verhindern. Das aktuelle Zukunftsbild ist also eher eine sich fortsetzende Gegenwart, lautete eine Schlussfolgerung – oder eine Bedrohung die manche zurückweichen lässt und in die „Früher war alles besser“-Ecke treibt. Auch das war ein Punkt des Vortrages.

Doch ein Zurück ist mit Rückschritten verbunden. Und dass, wo uns doch der Fortschritt fehlt – die Zukunftsvision, die aufzeigt, wo wir hinwollen. Und vor allem, wie wir dahin kommen! Klar wurde: Ein einfaches Stoppschild reicht nicht mehr. Wir müssen eine kluge Umgehungsstraße finden. Oder einen Weg, den wir noch nie betreten haben. Wir, die Neuen auf dem Grünzeug-Blog, wollen uns auf die Suche machen

Lisa Brockschmidt

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