Am Institut für Kommunikation und Medien (ikum) der Hochschule Darmstadt ist das Forschungsprojekt „Klimageschichten“ (Gesamtüberblick hier) angesiedelt. Mit verschiedenen Methoden (v.a. teiloffene Interviews und Beobachtungen) werden klimajournalistischen Erzählkulturen in Vietnam, Deutschland und Norwegen analysiert, um Erkenntnisse zur Frage zu gewinnen, wie Journalisten in verschiedenen Weltregionen mit dem Klimawandel erzählerisch umgehen (etwa durch spezifische Erzählformen) und ihn generell als Medienthema bewerten, bearbeiten und denken – dies auch mit dem Blick auf in der Öffentlichkeit vermutete Klimanarrative, die das Projekt besonders in den Blick nimmt. Theoretisch geht die Studie „Klimageschichten“ vom Konzept der journalistischen Kulturen aus, das hier am Fallbeispiel des Umweltjournalismus und der Frage des Storytelling als möglichem Mittel zur wirksameren Kommunikation von relevanten, hochkomplexen Fragen wie etwa der des Klimawandel dienen kann. Im Januar 2018 wird das Projekt mit der Konferenz „Narration und Nachaltigkeit“ bei der Darmstädter Schader-Stiftung im Feld beendet; Auswertungen und Veröffentlichungen schließen sich noch an.
„Klimageschichten“, das an das Ikum-Projekt „Grüner-Journalismus“ angeschlossen ist, arbeitet suchend und will mit einer offenen, internationalen Perspektive generell neues Wissen ergründen sowie Meinungen, Deutungen und Erfahrungen von Schlüsselakteuren analysieren, dokumentieren und dort, wo es Sinn macht, auch vergleichen. Es ist ein qualitatives und exploratives Forschungsprojekt im Bereich der „Journalistischen Kulturen“, das keinerlei Anspruch auf eine Allgemeingültigkeit seiner Ergebnisse erhebt. Vielmehr geht es um den Aufbau neuer Fragen und Forschungszusammenhänge bezüglich der medialen Akteure, die hinter der Klimaberichterstattung stehen und die insgesamt bisher qualitativ wenig untersucht wurden im Vergleich zu quantitativen Studien, die sich für den Inhalt (Output) interessieren.
Methode: Forschendes Lehren
Die untersuchten Länderfälle (Deutschland, Vietnam, Norwegen) ergaben sich zunächst als „Zufallsauswahl“ aus bestehenden Kooperationen, die jedoch dann auf ihre Passgenauigkeit hinsichtlich der offenen Forschungsfrage nach der Bewertung klimajournalistischer Debatten, Vermittlungsformen und Narrative durch Umweltjournalisten in verschiedenen Erzählarenen überprüft wurde. Deutschland sollte aus forschungspraktischen Gründen (angewandt wird neben dem Einsatz von Mitarbeitern bei Grüner-Journalismus und größeren Eigenleistungen des Projektleiters v.a. die Methode des „forschenden Lehrens“ im Rahmen von Seminaren mit Studierenden) der Schwerpunkt für die Forschung sein. Hinzukommen sollte – im Interesse einer möglichst großen Reichweite des Ansatzes sowie der Möglichkeit zu gewissen vergleichenden Aussagen – ein journalistisch-kultureller und geografischer „Ähnlichkeitsfall“ sowie im gegenteilig Sinn ein möglichst großer „Unterschiedsfall“. Beides ist mit Norwegen und Vietnam gegeben.
Zudem startete das Projekt noch zu Beginn mit dem Anspruch, dazu noch Marokko und die indigene Erzählarena der samischen Medienöffentlichkeit in Skandinavien untersuchen zu wollen. Dies gestaltete sich aber aufgrund der begrenzten Mittel des Projekts sowie der Grenzen der Methode (notwendiger steter Einbau der Forschungsinhalte in den Lehrplan) zunehmend schwierig, sodass Marokko außerhalb zweier kleiner Inhaltsanalysen zu journalistischen Formen in der Klimaberichterstattung ganz fallengelassen wurde. Die aufwändige medienethnografische Erkundung des samischen Journalismus und seiner Klimanarrative sowie Akteurswelten vor Ort begann mit einem Forschungssemester 2017 samt einer Reise nach Schweden. Dies wird nun nach dem Ende des Projekts Klimageschichten als eigenes paralleles Forschungsprojekt ab 2017 weitergeführt, das neben der Klimathematik seine Perspektive generell auf indigenen Journalismus am Beispiel der Sami erweitert.
Vietnam und Norwegen
Das Forschungsprojekt startete 2015 mit einem ersten Schritt in Vietnam, wo die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) Partner ist. Über drei Jahre bildet Prof. Dr. Torsten Schäfer dort zusammen mit Dr. Ranty Islam von der Deutschen Welle Dozenten der nationalen Medienakademie im Umweltjournalismus weiter. Nach Absprache mit der FES konnten Forschungselemente in dieses Curriculum integriert werden. Dazu gehören Umfragen und Gruppendiskussionen zu Storytelling allgemein – eine im vietnamesischen Journalismus noch eher seltene Strategie der Darstellung. Im März 2016 wurden nun beim dritten Aufenthalt vor Ort, dieses Mal im Mekong-Delta mit umweltjournalistischen Exkursionen zu Küstenschutz und Aquakultur, vier Gruppen gebildet. Diese debattierten anhand von Leitfragen Art und Einsatz von narrativen Darstellungstechniken in der nationalen Umwelt- und Klimaberichterstattung. Ähnliche Forschungen wurden bei den weiteren Seminaren im Herbst 2016 (Region Nam Dinh), Frühjahr 2017 (Region Ha Long) sowie dem Besuch der Gruppen in Deutschland im Herbst 2017 durchgeführt; die Auswertungen stehen teils noch aus. Die Forschungen zu Norwegen geschahen mittels acht halboffener telefonischer Leitfadeninterviews mit Umweltjournalisten und Umweltjournalismus-Forschern sowie aktiver teilnehmender Beobachtungen bei Lehrbesuchen 2015 und 2017 an der dortigen Fachhochschule.