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Friedwälder: Zurück zu den Wurzeln

„Ich habe vorher nachgeschaut, da sind noch Plätze frei“, scherzt ein älterer Herr mit weißem Bart und weißem Hund an der Leine. Gelächter von der Gruppe, die auf dem Parkplatz am Rand des Friedwalds in Michelstadt steht. Es nieselt, und das Licht fällt schwach durch die Kronen der sattgrünen Bäume. Jeden Monat finden hier Führungen durch den Wald statt. Auch an diesem Tag haben sich rund 15 Interessierte versammelt, um mehr über diesen besonderen Ort, der zum „UNESCO Global Geopark“ gehört, zu erfahren. Darunter befinden sich Senior:innen, aber auch jüngere Menschen und Familien mit Kindern sind gekommen. Als die Gruppe tiefer in den Wald geführt wird, durchbricht nur das Vogelgezwitscher und das ferne Plätschern eines Baches die Stille, die eine ganz eigene Sprache zu sprechen scheint.

Eine persönliche Verbindung zur Natur

Auch Petra Weiß möchte sich im Friedwald in Michelstadt beerdigen lassen. Bei einem gemeinsamen Spaziergang, dieses Mal mit besserem Wetter, durch den Friedwald erzählt sie: „Den Wald besuche ich seit Jahren regelmäßig mit meinem Hund. Das ist immer eine ganz besondere Atmosphäre, dort kann ich abschalten.“ Der Gedanke an eine Friedwald-Bestattung kam der 68-Jährigen schon vor vielen Jahren, als sie über den Heidefriedhof, einen kommunalen Waldfriedhof, in der Stadt Dresden lief. Dort sind auch Baumbestattungen möglich. „Von dem Friedwald in Michelstadt habe ich dann durch ein Prospekt in meinem Briefkasten erfahren. Wahrscheinlich schauen die nach, wie alt man ist und dann bekommt man so eine Broschüre zugeschickt“, lacht Petra. Spaziergänge zwischen den Ruhestätten und durch den Laubwald seien für sie auch etwas „Spirituelles“ und „Meditatives“: „Es ist schwierig zu beschreiben, aber ich fühle mich mit der Natur dort sehr verbunden, man ist einfach mittendrin“. Und das ist auch während des Spaziergangs zu spüren. Immer wieder raschelt es in den Büschen und eine leichte Brise lässt die Baumkronen rauschen. In der Ferne verschwindet ein Reh zwischen den Sträuchern. Petra kann sich nicht vorstellen, auf einem klassischen Friedhof beerdigt zu werden. „Ich finde die Atmosphäre auf Friedhöfen furchtbar, überall die Kreuze und die Grabsteine und die vielen traurigen Menschen.“

Aber auch familiäre Gründe haben ihre Entscheidung beeinflusst. „Mein Vater ist auf einem herkömmlichen Friedhof beerdigt worden, wie man es so kennt, mit einer Mauer, Ein- und Ausgang. Die Stimmung hat mir noch nie gefallen. Das ist im Friedwald nicht so. Dort hört man die Vögel zwitschern, Leute mit Kindern und Hunden gehen spazieren und unterhalten sich.“ Während sie erzählt, flitzt ein Eichhörnchen eine der amerikanischen Roteichen hoch.

Der Beginn einer grünen Idee

Das Konzept des Friedwalds bietet Menschen, die gerne mitten in der Natur beigesetzt werden möchten, eine Alternative zu einem klassischen Friedhof. Der Ursprung der Friedwald-Idee lässt sich bis in die 1990er Jahre zurückverfolgen, als der Schweizer Förster Ueli Sauter den ersten Friedwald in Mettmenstetten, in der Nähe von Zürich, gründete. Sauter, der sich selbst als Naturschützer und Traditionalist sah, erkannte die Sehnsucht der Menschen nach einer Bestattung im Einklang mit der Natur. Die Idee, die Asche Verstorbener an den Wurzeln von Bäumen zu begraben, fand schnell Anklang.

In Deutschland wurde das Konzept in den frühen 2000er Jahren populär. Der erste Friedwald hierzulande wurde 2001 in Hümmel in der Eifel eröffnet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen variieren stark von Land zu Land, was die Gründung neuer Friedwälder manchmal erschwert. Außerdem erfordert die Pflege und Verwaltung des Waldes spezifisches Wissen von ausgebildeten Förster:innen und Bestatter:innen. Mit dem Zersetzen der Asche der verstorbenen Person, die den Baum mit Nährstoffen versorgt, wird ein Prozess in Gang gesetzt, der den Kreislauf von Leben und Tod symbolisiert. Die Website des Friedwalds beschreibt die Bestattungsmöglichkeit als eine moderne Antwort auf uralte Traditionen, die den Tod als integralen Bestandteil des Lebenszyklus verstehen und die Natur als ewige Ruhestätte sehen.

Ruhen unter Bäumen

Der Michelstädter Friedwald umfasst mit seinen 70 Hektar verschiedene Nadel- und Laubbäume, wie 185 Jahre alte Buchen, amerikanische Roteichen, Tannen und Pflanzen wie Sternmoos, Sauerklee oder Brombeere. Nicht unter jedem Baum ist eine Beerdigung möglich. Verfügbare Bäume sind mit verschiedenfarbigen Bändern gekennzeichnet. Gelbe Bänder kennzeichnen Einzelgräber für bis zu 20 Personen, blaue Bänder Mehrfamiliengräber. Außerdem macht eine Namenstafel auf die Grabstätte aufmerksam. Die Bestattungsgebühr beträgt einmalig 450 Euro. Die Kosten für den ausgewählten Baum liegen je nach Art, Stärke und Lage zusätzlich zwischen 890 und 7.490 Euro.

So ist eine Friedwaldbestattung durchschnittlich etwas günstiger als eine klassische Bestattung auf dem Friedhof, bei der oft zusätzlich noch Kosten für die Bestatter:in, die Nutzung der Trauerhalle, Trauergestecke und die Pflege des Friedhofs hinzukommen. Nach der Einäscherung der Verstorbenen werden sie in biologisch abbaubaren Urnen, meist aus Papier, unter dem ausgewählten Baum beigesetzt, der für die gesamte Dauer des Friedwalds – meist 99 Jahre – gepachtet werden kann. Nach Ablauf der 99 Jahre wird der Waldbereich, der für die Bestattung genutzt wurde, weiterverkauft. Der Platz beziehungsweise die Ruhestätte für eine Person gilt in der Regel für 15-30 Jahre. Die Urne, die sich im Laufe der Jahre zersetzt, bleibt jedoch für immer unter dem Baum. Wird ein Baum bei einem Sturm beschädigt, wird die gleiche Stelle von der Stadt kostenlos neu bepflanzt. Auch verschiedene Trauerfeiern können im Friedwald abgehalten werden, von Bestattungen mit Lesungen aus der Bibel, bis zu spirituellen Bestattungen mit Gesängen und Tänzen.

Petra Weiß sieht die Bestattung im Friedwald auch als Erleichterung für ihre Verwandten. Diese müssten sich dann nicht um die Grabpflege kümmern, da Grabschmuck, wie Blumen oder Kerzen im Friedwald nicht erlaubt sind, erläutert sie. „Und ich denke es ist auch etwas Schönes mich dort zu besuchen und nicht diese Friedhofs-Atmosphäre zu haben.“ Für Petra ist das Thema Tod und Sterben kein Tabuthema, anders als für ihren Mann, mit dem sie in der Zukunft gerne einen gemeinsamen Platz unter einem der vielen Friedwald-Bäume aussuchen möchte. „Der redet nicht gerne über dieses Thema, so jung sind wir aber auch nicht mehr“, schmunzelt sie, „meine Freundin ist an Krebs erkrankt und hat sich im Friedwald schon einen Platz ausgesucht. Dort laufe ich jeden Tag vorbei und denke mir, dass sie dort irgendwann liegt.“ An einem der zwei Andachtsplätze im Friedwald mit einer Urnenstelle, Holzbänken und verschiedenen Infotafeln für die Besucher:innen macht Petra Halt. Nachdenklich erzählt sie: „Es kann immer etwas passieren, und wenn ich durch den Wald laufe, denke ich mir, dass ich an keinem anderen Ort beerdigt werden möchte.“

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