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Sprache und Digitalisierung: Zwischen Behördendeutsch, Technikfetisch und Start-up-Hype

Prof. Dr. Schäfer über die sprachliche Umwelt im Unternehmertum. (Bild: Leni Hohm)

Der nächste Vortragende Gast unserer Reihe war Prof. Dr. Torsten Schäfer selbst, unser Kursleiter. Den Schwerpunkt seines Vortrags legte er auf die Sprache des digitalen Kapitalismus. Dabei bezog er sich besonders auf Journalisten und deren Verantwortung, Sprache zu standardisieren und so für ein Massenpublikum für Veständlichkeit zu sorgen.

Wir Menschen leben in verschiedenen Sprachwelten, so Schäfer, zwischen denen wir tagtäglich, metaphorisch gesehen, hin- und herspringen. Unsere Umgebung spielt dabei eine große Rolle: Innerhalb der Familie nutzen wir eine andere Art von Sprache als an der Universität oder während unserer Freizeitbeschäftigung. Je nach Umgebung und Aktivität mischt sich unsere Sprache – oft unbewusst.

„Einerseits müssen wir Sprache für ein Massenpublikum standardisieren. Andererseits soll sie lebendig, individuell und auch besonders sein. In diesem Widerspruch befinden wir uns täglich als Journalisten.“

Unsere Sprache hat sich nicht nur durch die Medien und sozialen Netzwerke verändert, sondern auch durch das Phänomen Digitalisierung, befindert Schäfer. Die Sprache hat sich verkürzt, besteht aus Fragmenten und Anglizismen. Neben der Textebene haben aber auch Emojis, Gifs und fehlende Satzzeichen die alltägliche Massenkommunikation verändert.

„Sprache ist lebendig. Es geht nicht darum, alles zu erhalten was mal war und in die Romantik der alten Zeit zu verfallen.“

Trotzdem brauche es Kreuzungen in der Sprache, so Prof. Dr. Schäfer, auf denen sich verschiedene Zielgruppen mit ihren Sprachen treffen können. Und diese Kreuzungen schaffen Journalisten, indem sie an einer Allgemeinverständlichkeit arbeiten.

Seit dem Aufkommen des Internets gibt es eine Start-up-Kultur und eine Bewegung der vermeintlich grenzenlosen Möglichkeit, ganz nach dem Motto: „everything is possible“. Unsere Sprache und unser Denken sind von Wirtschaft, Nutzen, aber auch von Eile und Effizienz geprägt. Als „Ich-AG“, als Unternehmer muss man schnell sein und gleichzeitig nutzenmaximiert handeln. Die Ökonomie ist Mitte der 80er Jahr zum Leitprinzip des gesellschaftlichen Denkens geworden, macht der Referent klar.

„Wir befinden uns in einer sprachlichen Umwelt, in der alles geplant ist und geplant wird. Im Subtext geht es immer um eine technische Lösung, für alle Probleme.“

Auch innerhalb des Mediencampus befinden wir uns in einer Sprachwelt, die viel vom Start-up-Hype und dem digitalen Selbstunternehmertum aufgenommen hat. In allen Studiengängen spielten diese Wortschatzveränderungen eine große Rolle, so Schäfer.

An zwei Beispielen – der Digitalstadt Darmstadt und dem Hochschulprojekt „S:NE“ – zeigte Prof. Dr. Schäfer die Sprache des digitalen Kapitalismus auf. Alltagsworte wie Strategie oder Ressourcen seien bei genauerem Hinsehen dem wirtschaftlichen Denken entliehen.

Genau deshalb sei es enorm wichtig, unsere Sprache zu reflektieren, besonders als Journalisten. Jeder nutzt diese Sprache und sitzt damit im selben sprachlichen Boot. „Wenn wir die Sprache der Leistungsgesellschaft durchdenken und in Richtung einer blühenden Sprache lenken, können wir die  Sprachwelt rund um Technikfetisch und Machbarkeitsdenken verändern“, so Schäfer.

„Es geht nicht darum, sich komplett davon freizumachen – das funktioniert überhaupt nicht. Sprache kann man nicht auf Knopfdruck verändern. Aber das Ganze zu begreifen, darum geht es.“

Die Kernthese des Vortrags bestand also darin, dass wir als Gesellschaft an der Erkennung arbeiten müssen, Sprache lebendig zu gestalten: „Sprache lebt, und es wäre fatal, nostalgisch zu werden und etwa zu sagen, dass Emojis nichts taugen. Denn Sprache lebt auch durch neue Kanäle, Symboliken – und verändert sich stetig.“

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