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Geschichten von Sein + Stein: Gepardenforelle

Wie ein gelbgrüner Sternenschweif ist sie unter der Brücke hergeschossen, knapp unter der Brotflocke vorbei, die ich herabgeworfen hatte, in unglaublichem Rasen unter Wasser, aus dem sie dann nach einer blitzartigen Drehung kurz herausschießt, um das Stück zu greifen, sich dann aber in der gleichen Bewegung mit noch größerer Schnelligkeit, wie ein programmiertes Katapult, wendet und intuitiv – es kann nichts Anderes gewesen sein – auf die beiden Brotstücke zuschießt, die zwei, drei Meter hinter ihr schwammen. Sie kann die beiden Flocken nicht wieder ganz neu angepeilt haben; zu schnell ging alles, zu weit waren die Brotstücke weg, zu sehr schwammen sie im toten Winkel der Forelle. Nein, es war eine andere Leistung, die sie vollbrachte.

Ich verstehe erst hinterher, was da ablief, als ich einmal, auf dem Weg irgendwohin im Dorf, wieder an einer der Brücken hielt, um zu füttern. Mich über die Geländer zu beugen und zu schauen, welche Forellen wo stehen. Ob es überhaupt welche gibt. Wie groß die Rotaugen dort sind in dieser ausgewaschenen Kuhle unterhalb der Spundmauer, einer dieser Flussuferwunden, von denen die Modau voll ist. Wie sehr ich mich früher an diese Mauern gewöhnt hatte, sie als Teil des Flusses sah. Wie sehr anders ich es jetzt sehe, sie mir wehtun.

Und wie erstaunt und voller Bewunderung ich jetzt für diesen Fisch bin, der eine unglaubliche Erinnerungsleistung vollbracht haben muss: Als die Bachforelle das erste Mal auf die treibende Brotflocke zuschoss, wollte sie zweierlei: schauen, ob da etwas Essbares treibt. Und daraus schließen, ob im weiteren Gesichtsfeld über ihr noch weiteres Futter dieser Art kommt. Nach dem ersten gültigen Schluss hat sie den zweiten vollzogen und muss sich dann innerhalb von Millisekunden die Silhouette hinter ihr gemerkt haben; die Stellen, an denen die beiden Brotstücke in der nächsten Sekunde treiben werden, damit sie gepardengleich dorthin schießen und sie abräumen kann. Als sie das in dieser kaum fassbaren Sekunde tat, war es ein Moment voller Stolz und Ästhetik hier an der belanglosen Dorfbrücke; niemand würde heute, Morgen und auch in den  nächsten Monaten und Jahren schneller sein und das tun können. Es war eine besonders schnelle Forelle, ich bin sicher. Denn ich habe viele gefüttert, an Bächen und in Teichen. Nie war eine so unterwegs.

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