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“Den Kopf in den Sand zu stecken, ist keine Lösung!”

Zwei Enten auf einer Eisfläche.

Martina Polensky engagiert sich seit fast 30 Jahren ehrenamtlich bei dem NABU. Als erste Vorsitzende konnte sie beobachten, wie sich die Natur durch ihre Arbeit rund um den Bezirk Groß-Gerau veränderte. Warum sie der Naturschutz so begeistert und sie nie aufgehört hat, für den Schutz der Natur zu kämpfen, erzählt sie in dem Interview.

Interview: Anna Ballay

Welche Positionen hatten Sie wo und wo haben Sie sich bisher engagiert?

Als Jugendliche habe ich eine Gruppe bei den Pfadfindern geleitet und war dort auch die Stammesleitung. Mit 22 habe ich aber aufgehört, da die Gruppe eigentlich ein reiner Jugendverband ist. 1991 bin ich nach Groß-Gerau umgezogen und dort wurde der Hessentag veranstaltet, mit einem Stand vom NABU. Mein erste Idee war, dass man dort ja Kontakte knüpfen kann, Leute kennenlernt und sich dabei auch noch für eine gute Sache engagiert. Von 1994 bis 2000 habe ich dort Kinder- und Jugendarbeit gemacht. Vor drei Jahren hat dann unser ehemaliger erster Vorsitzende, Werner Eitle, aufgehört. Beim Bäumen-Pflanzen sind alle dabei – Führungsarbeit will niemand so gerne machen. Aber es muss ja auch jemand so eine Struktur tragen. Deshalb habe ich dann gesagt, okay, dann mache ich das. Jetzt bin ich seit drei Jahren die erste Vorsitzende des NABU-Groß-Gerau.

Was waren die schwierigsten Situationen in dieser Zeit, um sich selbst zu motivieren? Warum war es schwierig?

Wir hatten einen Durchhänger. Unserer ehemaliger erster Vorsitzende, Werner Eitle, hatte aus Krankheitsgründen schon mal den Vorsitz abgegeben. Wir waren damals nur fünf aktive Leute und haben gesagt: “Okay, wir schauen, dass wir den Verein am Laufen halten.” Wir haben Mitgliederversammlungen gemacht und die steuerlichen Geschichten, aber es haben kaum Aktivitäten stattgefunden. Es war unsicher und ein bisschen frustrierend. Schließlich ging es Werner wieder besser und er konnte seinen Aufgaben wieder nachkommen.  Ab da ging es dann auch wieder voran.

Wie haben Sie innerlich dagegengehalten? 

In dieser Zeit haben wir gesagt: “Das, was wir hier jetzt machen, ist ja auch etwas. Und wenn wir den Verein einfach nur für bessere Zeiten erhalten.” Uns war es wichtig, dass die Struktur nicht kaputt geht, denn wenn wir einmal nicht durchziehen, dann ist der Verein dahin. Man muss wirklich jährlich diese ganzen Formalien aufrechterhalten und wir haben es tatsächlich geschafft, den Verein als eigenständigen und gemeinnützigen Verein weiterleben zu lassen. Es war auch keine Option für mich, mir etwas anderes zu suchen, bloß weil dieser Verein jetzt nicht mehr so gut läuft. Wichtig war für uns einfach, das, was wir bereits geschaffen haben, zu erhalten.

Zwei Enten auf einer Eisfläche.
Foto: Anna Ballay

Wie haben Sie sich immer wieder selbst motiviert? Welche Techniken/Gewohnheiten fallen Ihnen ein?

Natürlich die Erfolge. 2017 haben wir einen  Blühstreifen ausgesät und kurze Zeit darauf gab es beim NABU die Mitmachaktion Insekten-Sommer. In ganz Deutschland haben insgesamt über 2000 Leute eine Stunde lang gezählt, was sie an Insekten beobachten konnten. Und der neueste Fund: ein schwarzen Käfer, der für mich völlig unscheinbar aussah, aber ich habe dann ein Foto zur Bestimmung eingeschickt. Und es handelte sich um den mattschwarzen Schneckenjäger. Der ist  stark gefährdet und in der roten Liste Kategorie Zwei und wurde in den letzten drei Jahren in ganz Deutschland nur noch in einem Gebiet zwischen Mainzer Sand und Trebur gesichtet. Und dieser Käfer hat unsere Fläche gefunden. Also das sind Dinge, die ich sehr faszinierend finde und die mich dann eben auch motivieren.

Woraus schöpfen Sie Kraft, um im Aktivismus/ihrem Ehrenamt weiterzumachen angesichts der Lage der Erde? 

Aus der Motivation und einfach den Erfolgen. Ein weiterer sehr schöner Erfolg: 2000 Storch-Jungtiere in diesem Jahr in Hessen. Der größte Teil davon wurde um Groß-Gerau herum geboren, ungefähr ein Drittel. Als ich 1994 angefangen habe, gab es null Störche in Groß-Gerau. Das ist ein Riesenerfolg. Ende der 80er Jahre hat unsere Ortsgruppe einen Mast mit einem künstlichen Nest aufgestellt und 1995 hat sich der erste Storch dort niedergelassen. Ein Jahr später, 1996, war die erste erfolgreiche Brut hier. Das ist natürlich auch eine große Motivation, wenn man sieht, was man tatsächlich bewirken kann. Wenn man erstmal so nach Groß-Gerau reinfährt, denkt man jetzt nicht, dass es der größte Natur-Hotspot ist.  Aber wir haben inzwischen tatsächlich die größte Storchenpopulation in Deutschland. Im Juli und August sieht man zwischen Berkach und Dornheim auf jeder Straßenlaterne einen Storch. Für mich ist es eigentlich so normal, dass ich den Rotmilan über dem Haus fliegen sehe und das Rufen des Rotmilans höre. Wir haben hier Orchideenwiesen, also Wiesen mit Tausenden von Orchideen. Erst jetzt durch die Naturschutzarbeit lernt man solche Sachen kennen und Ausflüge auf diese Stromtalwiesen am Rhein. Und das fasziniert mich. 

Sie engagieren sich seit langem in einem sehr krisenhaften Feld, das immer bedrohlicher wird mit der Arten- und Klimakrise. Woraus schöpfen Sie persönlich Kraft, um weiterzumachen angesichts der Lage der Erde?

Bei der Krise einfach den Kopf in den Sand zu stecken, ist für mich keine Lösung. Sondern einfach zu sagen: “Was kann ich lokal vor Ort bewirken, um dem entgegenzuwirken?” Und lokal sind einfach die Erfolge größer, als wenn man sagt: “Wenn ich gleich die ganze Welt verändern will, dann scheitere ich.” Wir arbeiten mit vielen anderen Behörden und Organisationen zusammen und versuchen darüber einfach mehr zu erreichen, als das, was wir als kleiner Verband erreichen können. Man muss dann eben auch realistisch und zufrieden mit dem sein, was möglich ist. Das, was wir erreicht haben, darauf sind wir stolz und das wollen wir erstmal erhalten. Und das gelingt uns. 

Wie sind die persönliche Motivationssphäre und die aktivistische/ehrenamtliche verknüpft?

Was ich jetzt an dem Einsatz in der Natur auch sehr spannend finde, ist, man kommt so mit ganz verschiedenen Personen zusammen und lernt ganz neue Dinge kennen. Man hat mit ganz anderen Perspektiven zu tun und stellt sich immer wieder neuen Herausforderungen – und bleibt auch geisitg fit. Man bekommt so einen Einblick in viele Dinge rund um die Natur, die einem bisher verborgen waren. Und da kann man einfach wahnsinnig viel an Dingen dazulernen, mit denen man im normalen Leben ansonsten nicht viel mit zu tun hat.

Welche Ideen können Sie aufgrund Ihrer Erfahrungen an die Jüngeren weitergeben? Wie können junge Umweltschützer:innen heute so lange durchhalten und widerstandsfähig – resilient – bleiben?

Mein Ratschlag ist, sich wirklich lokal zu engagieren. Also vor Ort, zum Beispiel in Naturschutzvereinen oder in der Kommunalpolitik. Das ist nicht so abstrakt und führt einfach schneller zum Erfolg, als wenn man direkt die ganze Welt retten möchte. Ich finde es eigentlich sehr schade, dass sich in diesen Bereichen so gut wie keine jungen Menschen wiederfinden. Es wird, zurecht, viel gemeckert an vielen Problemen, die mit dem Klimawandel und der Biodiversitätskrise auf die nächsten Generationen zukommen. Aber es wird nicht gesagt: “Okay, ich engagiere mich persönlich dafür.” Wenn ich mich aber lokal für ein Projekt entscheide, dann kann ich in diesem Bereich einfach etwas verändern. Und Erfolg motiviert einfach. Wenn es der Natur in der Umgebung besser geht, dann merkt man auch, dass es auch etwas bringt.

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