Wenn ich im Wald bin, umherstreife oder arbeite, dann reißt mich kaum ein anderes Geräusch so aus den Gedanken oder Buchstaben wie der Ruf des Schwarzspechtes – dieses jähe, lange Fiepen, zwei, drei Mal, das der größte aller Spechte so plötzlich oft ausstößt inmitten aller Vogelstille. Oder zumindest dann, wenn nur wenige andere Singvögel zu hören sind. Es geschieht tiefer im Wald, in der Nähe oder direkt bei Fichten und Kiefern.
Dann macht der größte aller Spechte auf sich aufmerksam, der mit seinen tiefen Höhlen die Wohnungen für 50 andere Arten, die ihm nachfolgen, bohrt, klopft, fräst und tackert. Sein gedehntes Fiepen klingt im ersten Moment nicht nach einem Vogel, es irritiert, weckt auf, lässt mich anhalten.
Es ähnelt dem Hilferuf nach einer Mutter, könnte ein Signal für Züge sein zum Halten oder der finale Sound am Ende einer Geisterbahn, kurz, bevor man ausfährt.
Jedenfalls lohnt es nie, darauf zu warten, der Specht sendet seine Laute zu mir immer als Überraschung und Einbruch einer wunderbaren Biophonie, einem Teil des großen Orchesters, das täglich im Wald spielt, in den rauschenden Tagestrott, dessen Laute meist nur Chimären bleiben.
Denn die Gedanken, die sie erkunden könnten, sind abgelenkt und landen im Anderswo, nicht im Hören im Hier und Jetzt.
KLEINFLUSSLIEBE – KOLUMNE ZU NATUR, MEDIEN UND ZEIT – von Torsten Schäfer