Von Bernhard Pötter
Der Klimawandel ist das größte und facettenreichste Thema im Umweltjournalismus. Das physikalische Freiluftexperiment im globalen Maßstab, das die Menschheit mit der Atmosphäre, den Ozeanen und den Ökosystemen an Land begonnen hat, verändert die Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Gleichzeitig führen diese rasanten Entwicklungen und die Versuche, den Klimawandel zu bremsen, zu einer bislang einzigartigen weltweiten Dynamik für Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Ein dankbares Arbeitsgebiet für Journalisten, vielschichtig, schwer zu durchschauen und unter Druck vieler widerstreitender Interessen.
Die Perspektive der Wissenschaft…
Die Wissenschaft des Klimawandels ist relativ einfach und grundsätzlich gut verstanden. Spurengase in der Erdatmosphäre sorgen dafür, dass ein Teil der Sonnenenergie von der Erde nicht wieder ins All abgestrahlt, sondern im Erdsystem gehalten wird. Dieser „Treibhauseffekt“ wurde bereits im 19. Jahrhundert beschrieben und sorgt dafür, dass die Erde eine relativ konstante Temperatur von etwa 15 Grad Celsius hat und Leben ermöglicht.
Zu diesen „Treibhausgasen“ gehört neben Stoffen wie Wasserdampf und Methan vor allem das Kohlendioxid (CO2). Es entsteht vor allem bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl und Gas. Daher spricht man vom „menschengemachten (anthropogenen) Klimawandel“, der in seinen Ausmaßen den natürlichen Treibhauseffekt inzwischen weit übertrifft. Als „Klima“ im Gegensatz zum „Wetter“ gelten langfristige Entwicklungen, die durch Daten aus mindestens 30 Jahren abgesichert sind.
Einen „Klimawandel“ hat es immer gegeben, denn Klima ist ein komplexes und dynamisches System – allerdings hat sich das Klima bisher kaum innerhalb von Jahrzehnten so drastisch verändert wie es momentan der Fall ist. Die politisch-mediale Debatte um den „Klimawandel“ kreist also fast ausschließlich um diesen Prozess, den der Mensch seit der Industrialisierung begonnen hat und weiter befeuert. Der vermehrte Ausstoß von Kohlendioxid seit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts kann in der Atmosphäre gut nachvollzogen werden. Von ursprünglich 280 ppm (parts per million) ist der CO2-Gehalt in der Luft inzwischen auf über 400 ppm gestiegen.
Die am deutlichsten messbare Folge dieser Zunahme, die in erdgeschichtlichen Dimensionen rasant fortschreitet, ist die Erwärmung der Atmosphäre. Relativ parallel zur Entwicklung der CO2-Konzentration hat sich die globale Durchschnittstemperatur der Luft in Bodennähe zwischen 1850 und 2019 um etwa 1,3 Grad Celsius erhöht.
Mindestens 0,1 Grad zusätzlich pro Dekade gelten unter Wissenschaftlern als bereits im System angelegt. Als wahrscheinlichste Schwelle, um einen „gefährlichen menschengemachten Klimawandel“ zu verhindern, gilt eine Zunahme um 2 Grad Celsius bis zum Jahr 2100. Auch dieser Wert gilt manchen Wissenschaftlern aber bereits als zu hoch. Nur in einem – auf sofortigen und extremen Klimaschutz ausgelegten – von vier Szenarien des UN-Klimarats IPCC ist die Einhaltung dieser Grenze wahrscheinlich. Die anderen Prognosen sagen je nach Annahmen bis 2100 eine Erwärmung von bis zu 4,8 Grad Celsius voraus – nachzulesen im Detail auch für Laien verständlich in der „Summary for Policymakers“ der Arbeitsgruppe I (WGI) des 5. Sachstandsbericht (AR5) des IPCC.
Weil das Klima zentral für viele physikalische und biologische Systeme auf der Erde ist, hat der Klimawandel schwerwiegende Konsequenzen. Der Meeresspiegel steigt weltweit an und bedroht Küstenstädte und Infrastruktur; die Ozeane nehmen aus der Luft vermehrt Kohlendioxid auf und verstärken ihren Säuregehalt; Vegetationsperioden verschieben sich und mit ihnen die Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen; die Eismassen der Erde schmelzen in zunehmendem Tempo. Die Bedingungen, unter denen Landwirtschaft stattfindet, werden schwieriger vorhersehbar; Wetterextreme wie Stürme, Dürren und Überschwemmungen nehmen zu. Inzwischen sehen Forscher sogar Hinweise, dass einzelne Wetterextreme als Folge des Klimawandels betrachtet werden können.
Der Ausstoß von Kohlendioxid geht unterdessen nahezu ungebremst weiter. Während der natürliche Kreislauf des Kohlenstoffs in der Atmosphäre vor allem durch Aufbau und Verrottung organischer Substanzen etwa im Gleichgewicht ist, fügen die menschlichen Aktivitäten der Atmosphäre derzeit jedes Jahr etwa 50 Milliarden Tonnen Kohlendioxid hinzu. Ein großer Teil davon wird von den Ozeanen aufgenommen, ein weiterer Teil fördert ein stärkeres Wachstum der Pflanzen. Das aber reicht bei weitem nicht aus, um die zusätzlichen Treibhausgase vor allem durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zu kompensieren. Für eine realistische Chance, den Klimawandel auf zwei Grad zu begrenzen, müssten die jährlichen Emissionen dauerhaft auf höchstens 44 Milliarden Tonnen sinken. Doch derzeit steigen die von Menschen verursachten CO2-Emissionen weiterhin stark an.
Klimaforschung begann im 19. Jahrhundert
Die wissenschaftliche Debatte um den Klimawandel begann im 19. Jahrhundert. Seit den 1960er Jahren wurde die Zunahme der Kohlendioxids in der Atmosphäre als potenzielles Problem erkannt. Nach einer kurzen Spekulation, ob die Zunahme von CO2 in der Luft zu einer Abkühlung führen werde, wurden die wissenschaftlichen Grundlagen immer klarer. 1988 gründeten die UN-Staaten zum ersten Mal in der Geschichte eine wissenschaftliche Organisation, um die Fragen rund um den Klimawandel zu untersuchen: Das „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) wurde von den UN-Organisationen für Umwelt (UNEP) und Meteorologie (WMO) ins Leben gerufen. In ihm arbeiten ehrenamtlich tausende von Wissenschaftlern an umfassenden Berichten zum Zustand des Klimas. Die Berichte werden von Wissenschaftlern in einem mühsamen, jahrelangen Prozess erstellt und zum Schluss von den Vertretern von 195 UN-Staaten akzeptiert.
1990 erschien der erste Sachstandsbericht (AR, Assessment Report), 2013/14 stellt das Gremium seinen inzwischen 5.Bericht (AR5) vor. Im aktuellen Bericht halten die Wissenschaftler es für „extrem wahrscheinlich, dass der menschliche Einfluss der Hauptgrund für die Erwärmung seit Mitte des 20.Jahrhunderts ist.“ Die Arbeit des IPCC gilt als so erfolgreich, dass 2013 ein ähnliches Gremium zum Thema Artenvielfalt geschaffen wurde. Und 2007 erhielt das IPCC gemeinsam mit dem US-Politiker Al Gore für seine Verdienste um die Aufklärung zum Klimawandel gar den Friedensnobelpreis.
Die Perspektive der Politik
Die Politik hat das Thema erstmals ernsthaft auf dem Erdgipfel von Rio 1992 aufgegriffen. In der Klimarahmenkonvention („United Nations Framework Convention on Climate Change“, UNFCCC) verpflichteten sich 194 Staaten, eine “gefährliche menschengemachte Störung des Klimasystems zu verhindern“.
In einem Prozess von jährlichen Klimakonferenzen (COP, „Conference of the Parties“) begannen weltweite, zähe Verhandlungen über die Verminderung der Treibhausgasemissionen. Sie erreichten 1997 im japanischen Kioto ein Zwischenergebnis, als sich die Staaten, die in diesem UN-Prozess Beschlüsse mit Einstimmigkeit fassen, auf das „Kioto-Protokoll“ einigten. Das Dokument sieht vor, dass die Industriestaaten („Annex 1 countries“) ihre Emissionen im Zeitraum 2008-2012 gegenüber 1990 um insgesamt fünf Prozent zurückfahren. Die Schwellen- und Entwicklungsländer wurden von jeglichen Verpflichtungen freigestellt, sie sollten im Gegenteil technische und finanzielle Hilfe aus den Industriestaaten bekommen, um ihre Emissionen zu senken, ihre Anfälligkeit gegen Klimaschäden zu verringern und erneuerbare Energien zu installieren.
Anders als allgemein angenommen war das Kioto-Protokoll auf dem Papier erfolgreich: Weltweit lagen die Emissionen der Industriestaaten im fraglichen Zeitraum um etwa neun Prozent unter ihren Werten von 1990. Manche Länder reduzierten ihre Emissionen (meist unfreiwillig durch schwere Wirtschaftskrisen) weit mehr als vereinbart.
Kioto-Fehler und Chinas Entwicklung
Doch das Protokoll offenbarte einige schwere Konstruktionsmängel: Es beschrieb eine Welt, die es bald nicht mehr geben würde. Mit dem Zusammenbruch der Industrien in den Ländern des ehemaligen Ostblocks fielen zwar eine Menge Emissionen weg, doch Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Südafrika, Mexiko, Indonesien oder Südkorea wurden pauschal von jeder Verantwortung befreit. Im Schatten der Industrieländer legten diese Länder aber seit den Beschlüssen von Kioto eine ungestüme Industrialisierung hin, die vor allem auf dem massiven Einsatz von CO2-intensiven Energien wie Kohle und Öl, der Nachahmung westlicher Mobilitäts- und Konsummuster und einem Raubbau an natürlichen Ressourcen wie Regenwald beruhte.
Inzwischen hat China die USA als größter Emittent von Klimagasen überholt. Ein zweiter Schwachpunkt des Kioto-Protokolls war seine fehlende Verbindlichkeit. So stiegen die USA unter der Regierung George Bush bereits 2001 aus dem Protokoll aus, ohne den Vertrag überhaupt im Kongress akzeptiert zu haben. Nach der ersten „Verpflichtungsperiode“ verließen auch Russland, Japan, Kanada und Australien das Protokoll. Für eine zweite „Periode“ verpflichteten sich Ende 2012 nur die EU und „gleichgesinnte“ Länder wie die Schweiz, Norwegen oder Island. Insgesamt repräsentieren die Staaten, die sich durch das Kioto-Protokoll gebunden fühlen, inzwischen nur noch weniger als 15 Prozent der globalen Emissionen.
Von Kopenhagen nach Paris
Um diese Fehler zu beheben, sollte bei der COP 15 im Dezember 2009 die Klimakonferenz in Kopenhagen ein allgemeines, rechtlich verbindliches Klimaabkommen von allen Staaten beschlossen werden. 2007 hatte der 4. Bericht des IPCC die Weltöffentlichkeit alarmiert, weil der Klimawandel „eindeutig“ festgestellt wurde und schnelles Handeln angemahnt wurde. Eine weltweite Klimadebatte sollte dazu führen, in der dänischen Hauptstadt den „Deal abzuschließen.“ Doch die Konferenz scheiterte, vor allem an einer fehlenden Einigung der Supermächte USA und China, die durch ernsthaften Klimaschutz jeweils Nachteile für ihre Wirtschaft befürchteten.
Auf den folgenden COPs wurden die Scherben von Kopenhagen wieder mühsam zusammengesetzt. 2011 gelang im südafrikanischen Durban ein kleiner Durchbruch: Bis 2015, so einigten sich die Länder, solle ein neues, allgemein verbindliches Klimaabkommen verhandelt werden, das ab 2020 in Kraft treten solle. Dabei sollten dann künftig alle Länder prinzipiell gleiche Pflichten übernehmen.
Gleichzeitig sind die Industrieländer verpflichtet, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar an direkten und indirekten Hilfen für die ärmeren Länder aufzubringen: Für erneuerbare Energien, „saubere Techniken“ bei Energie- und Verkehrsfragen, Hilfen bei der Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel, beim Aufbau von Forschung und Verwaltung oder bei Vorsorge und Entschädigung gegen Extremwetter. Im Dezember 2015 haben 195 Länder das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Zwei Jahre später kündigte US-Präsident Donald Trump den Austritt aus dem Klimavertrag an. Wirksam wird dieser am 04. November 2020 – einen Tag nach den US-Präsidentschaftswahlen.
Die „Skeptiker“: Krieg gegen die Wissenschaft
Echter „Klimaschutz“ bedeutet nichts weniger als die nächste industrielle Revolution im Zeitraffer: Die „Dekarbonisierung“ von weiten Teilen der Gesellschaft in den Industrie- und Schwellenländern muss sich in drei bis vier Jahrzehnten vollziehen, wenn der Klimawandel nicht völlig aus dem Ruder laufen soll, warnen die Wissenschaftler. Diese Abkehr von den fossilen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas bedeutet nicht nur einen grundlegenden Strukturwandel in der Energiewirtschaft. Auch Bereiche wie Industrieproduktion, Landwirtschaft, Verkehr oder Städtebau sind heute noch abhängig von billiger fossiler Energie. Ihnen stehen also tiefgreifende Veränderungen bevor. Da kann es nicht verwundern, dass die auch nur zaghaften Ansätze von Klimapolitik vor allem in den Industrieländern massiv unter den Druck dieser Interessen geraten sind.
Vor allem in den USA und Großbritannien haben die sogenannten „Klimaskeptiker“ die Debatte maßgeblich beeinflusst. Mit Unterstützung von Unternehmen aus der Öl- und Kohlewirtschaft haben sie eine lautstarke Gegenbewegung zu staatlicher Umweltpolitik und den Umwelt-NGOs ins Leben gerufen. Diese Gemeinde aus (oft fachfremden) Wissenschaftlern, Lobbyisten und Politikern leugnet teilweise bis heute die Existenz des Klimawandels, verharmlost seine Folgen und lehnt jede aktive Politik des Staates ab. Mit der Wahl Donald Trumps haben die Klimaleugner zusätzliche Unterstützung bekommen.
Als strategischen Hebel nutzten die selbsternannten „Skeptiker“ die Offenheit der Wissenschaft für den Zweifel. Denn der „UN-Klimarat“ IPCC legt offen, mit welcher Wahrscheinlichkeit seine Aussagen zutreffen – und was alles (noch) nicht belegt ist. Diesen offenen Umgang mit Wissen und Unwissen nutzen die „Skeptiker“, um gegen politische Maßnahmen zum Klimaschutz Front zu machen, weil schließlich nichts wirklich bewiesen sei. „Doubt ist our Product“ ist eine der pointiertesten Aussagen dieser Szene, die sich in einem internen Memo der US-Skeptiker wiederfindet.
Begriffswandel: Leugner statt Skeptiker
Der Begriff „Klimaskeptiker“ hat sich in den Medien für diese Szene durchgesetzt. Seriöse Wissenschaftler weisen diese Bezeichnung zurück und sprechen von „Leugnern“ oder „Gegnern“, („Deniers“, „Contrarians“). Ihr Argument: Skepsis ist eine Arbeitsweise der seriösen Wissenschaft, die Aussagen und Bedingungen von Forschung kritisch hinterfragt, das Ergebnis aber offen lässt. Die „Skeptiker“ dagegen tun in den Augen der Mehrheit der Wissenschaftler das Gegenteil: Sie unterdrückten Fakten, sortierten willkürlich Ergebnisse, stellten sich kaum dem Urteil von Fachkollegen („peer review“) und suchten Bestätigung für ihre vorher gefassten Theorien.
Die „Skeptiker“ waren sehr erfolgreich in ihrer Mission, Zweifel zu säen. Allein in den USA geben bis heute in Meinungsumfragen weniger als die Hälfte der Befragten an, der Klimawandel sei wissenschaftlich erwiesen und von Menschen verursacht. Die Leugner haben mächtige Auftraggeber und Verbündete. Große Akteure wie Auto-Konzerne, Ölfirmen und Kohle-Unternehmen haben inzwischen die Förderung der „Skeptiker“ eingestellt oder verschleiern sie über obskure Stiftungen..
Die Angriffe auf den Ruf und die berufliche Existenz einzelner Wissenschaftler in den USA sind nicht neu. Nach den Recherchen der Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes kamen sie seit den Anfängen von einer relativ kleinen Truppe extrem konservativer US-Manager, Forscher und PR-Berater. Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts betrachten sie jede Regulierung in Gesundheits- und Umweltfragen als einen Angriff auf das freie Unternehmertum und den Kapitalismus US-amerikanischer Prägung. In einem Netzwerk mit republikanischer Partei und „Tea Party“-Bewegung in den USA genossen und genießen diese Angriffe auf die Wissenschaft breite Unterstützung. Eine aktive Bloggerszene bearbeitet das Feld ebenso wie konservative US-Medien wie Fox News und die Zeitungen/Magazine des australischen Tycoons Rupert Murdoch in USA, Großbritannien und Australien.
In Deutschland ist die Szene deutlich kleiner und leiser. Dennoch bestimmen auch hier in manchen Zeitungen und Magazinen klimaskeptische Ansichten den Tenor der Berichterstattung. Der SPD-Umweltpolitiker und RWE-Manager Fritz Vahrenholt versuchte mit seinem Buch „Die kalte Sonne“, die Kritik am IPCC zu bündeln.
Eine Broschüre des Umweltbundesamts, die diese Tendenzen und einige exponierte Journalisten beim Namen nannte, führte zu einem Aufschrei von Journalistenverbänden und einer heftigen Debatte – weniger um die Thesen der Skeptiker, sondern um die Frage, ob eine Behörde so etwas tun dürfe.
Die Medienkonjunktur des Klimawandels
Der Klimawandel wanderte von einem Wissenschaftsthema in den neunziger Jahren langsam in die Berichterstattung der Redaktionen für Politik und Wirtschaft. Vor allem 2007, als das IPCC seinen 4. Sachstandsbericht veröffentlichte, der britische Ökonom Nicolas Stern die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels beschrieb („Stern-Report“) und IPCC/Gore den Friedensnobelpreis erhielten, waren „green issues“ plötzlich en vogue. Vor und zum Klimagipfel in Kopenhagen wurde eine gewaltige Erwartungshaltung aufgebaut, die nach dem Scheitern des Gipfels wie eine Blase zerplatzte.
Von diesem Rückschlag hat sich die Berichterstattung zum Klimathema erst in den vergangenen Jahren wieder erholt. Zwischenzeitlich meldeten Nachrichtenmagazine bei Klimatiteln schlechte Verkaufszahlen, Sachbücher zum Thema galten als praktisch unverkäuflich. Seit dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen hatte die weltweite Finanzkrise mit der darauffolgenden Euro-Krise das Klima als tägliches Bedrohungsszenario abgelöst.
Doch seitdem Gruppen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion das Klimathema wieder in den Mittelpunkt gerückt haben, steht es wieder auf den Titelseiten von Zeitungen und Magazinen. So wurde beispielsweise das Klimapaket der Bundesregierung von zahlreichen Medien heftig kritisiert. Und auch wenn die Corona-Pandemie die Klimakrise zurzeit wieder etwas in den Hintergrund rückt, so bietet sie doch die Chance für einen Wendepunkt in der Berichterstattung.
Interessante Themen für die weitere Recherche
- Aus deutscher Sicht ist die Verbindung von Klimaschutz und Energiewende zunehmend in den Hintergrund getreten. Beim Ausstieg aus Atom und Kohle, den die schwarz-gelbe Koalition 2011 hastig unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima beschlossen hatte, wird inzwischen nur noch über Kosten und Belastungen debattiert. Die Befürworter argumentieren inzwischen fast einstimmig industriepolitisch. Von der Frage, wie sehr die „German Energiewende“ möglicherweise eine Vorbildfunktion für andere Staaten hat (wie es etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG sicher hat), wird kaum noch gesprochen.
- Bei jedem Hagelschauer im August und schneelosen Weihnachten taucht in den Redaktionen die Frage auf: „Ist das noch Wetter oder schon Klima?“ Die Antworten der Forscher sind interessant: Zunehmend werden Stimmen laut, die entgegen der bisherigen Praxis einen direkten „Fingerabdruck“ des Klimawandels auch im Wettergeschehen sehen.
- Viel zu kurz gekommen ist das Thema „New Green Economy“, gerade in den Zeiten der Krise. Abgesehen von kurzen Debatten, ob man die maroden griechischen Staatsfinanzen nicht durch Solaranlagen sanieren könnte, ist die spannende Frage bisher nicht beantwortet: Wenn ohnehin in Deutschland die Energie-Infrastruktur erneuert wird, wenn ohnehin in Europa der Staat die Wirtschaft ankurbeln muss, wenn ohnehin der armen Landbevölkerung in Entwicklungsländern Strom das Leben erleichtern soll – warum gibt es dann keinen Marshallplan zur Aufrüstung der Welt mit Solarpaneelen und Windrädern?
- Viel zu wenig wird auch gesehen, wie der Klimawandel und eine wie immer geartete politische Reaktion darauf die globalen Kräfteverhältnisse neu ordnet. Bleiben die Golfstaaten die Ölbarone oder warum investiert Saudi-Arabien jetzt Milliarden in die Solarindustrie? Werden die USA wirklich energieautark durch Fracking, das vielleicht schon seinen Zenit überschritten hat? Kann sich China einen massiven Ausbau der Kohle eigentlich weiter leisten? Und wie verändern Migrationsströme aus und innerhalb von Afrika die Machtbalance dort? Was bedeutet es, wenn demnächst eine Milliarde Afrikaner an fossile oder erneuerbare Energie kommen. Das ist noch einmal ein Energieverbraucher von der Größe Chinas.
Diese Themenansätze sind Beispiele dafür, welche Chancen das Themenfeld Klimawandel Journalisten bietet – trotz und gerade wegen seiner Komplexität und inhaltlichen Breite wie Tiefe, die Grüner-Journalismus hier versucht hat, abzubilden. Recherchehilfen und Expertenlinks finden sich in weiteren Texten des Klimaschwerpunktes.
Erstveröffentlichung 17.3.2014, danach Aktualisierungen