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(Quelle: flickr.com / Simon Cunningham / (CC BY 2.0) )
(Quelle: flickr.com / Simon Cunningham / (CC BY 2.0) )

von Susanne Bergius

Herausforderungen und Risiken

Unternehmen verursachen durch Umweltausbeutung und Gesundheitsbelastungen Kosten für die Gesellschaft. Allein die Umweltlasten sind in elf Schlüsselindustrien von 2002 bis 2010 um die Hälfte auf 846 Milliarden US-Dollar gestiegen, berechnete die Londoner Agentur Trucost. Müssten Unternehmen dafür aufkommen, würden sie im Schnitt 41 Prozent ihres Gewinns verlieren. Doch diese „externen“ Kosten tauchen in Geschäftsberichten nicht auf. Ebenso wenig wie soziale „Kosten“ – beides wird der Gesellschaft aufgebürdet.

Außerdem stehen Unternehmen – ebenso wie die Gesellschaft – vor großen globalen Herausforderungen: dem Klimawandel, Süßwasser- und Ressourcenknappheit, Rückgang der Artenvielfalt, Hunger und Armut in vielen Erdteilen und dem demographischen Wandel.

Unternehmen, die diese Entwicklung und ihre Mitverantwortung dafür ignorieren, handeln nicht nur kurzsichtig, sondern vernachlässigen überdies fundamentale Risiken: Haftungs-, Regulierungs-, Markt-, Finanzierungs- und Reputationsrisiken. „Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren sind für die Bewertung von Kreditrisiken sehr relevant und werden gegenwärtig nicht genügend betrachtet“, warnte Ende 2013 eine internationale Studie der UN-Finanzinitiative. Sie hat darum die Kreditratingagenturen aufgefordert, Analysen dazu systematischer zu nutzen. Folglich sollten sich auch Journalisten vermehrt mit dem Thema befassen.

Unverantwortliches Wirtschaften birgt gar Existenzrisiken, siehe den Untergang der Firma Lehman Brothers, die Mitauslöser der Finanzkrise 2008/2009 war. Der Ölkonzern BP musste infolge der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko 2010 zahlreiche Unternehmensteile verkaufen, um die finanziellen Forderungen über mehr als 42 Milliarden Euro (Stand: Sommer 2014) überhaupt begleichen zu können.

Die sozialen Folgen globalisierten Wirtschaftens machten beispielsweise 2012 und 2013 mehrere Brände in Textilfabriken in Pakistan und Bangladesh mit mehreren Hundert Toten deutlich sowie der katastrophale Einbruch der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesh, bei dem mehr als Tausend Näherinnen starben, die zuvor für westliche Firmen produziert haben.

Die meisten Fälle nicht-nachhaltigen Wirtschaftens sind nicht so spektakulär, dass sie in die Medien kämen. Aber sie finden tagtäglich statt und führen insgesamt zu nicht-nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweisen in Industrie- und Schwellenländern: zu Ausbeutung von Menschen und Übernutzung natürlichen Ressourcen. Das ist auf Dauer nicht zukunftsfähig.

Nachhaltiges Wirtschaften als Lösungsansatz

Dagegen wirtschaften nachhaltige Unternehmen im Idealfall in jeder Hinsicht sozial, ökologisch und ökonomisch verantwortlich. Sie sorgen für gute und sichere Arbeitsbedingungen und faire Entlohnungen, auch für die der Zulieferer überall auf der Welt. Sie setzen natürliche Ressourcen sehr sparsam und effektiv ein und meiden umwelt- oder gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe. Mehr noch: Ihre Produkte und Dienste tragen zu zukunftsfähigen Wirtschafts- und Lebensweisen bei. Der international gebräuchliche Begriff hierfür ist Corporate Sustainability.

Diesem Ideal nachhaltiger Unternehmensführung werden aber nur sehr wenige Unternehmen gerecht. Gleichwohl gibt es sie. Gute Beispiele zu recherchieren, würde mehr Wissen darüber verbreiten, dass „Nachhaltiges Wirtschaften“ funktioniert und sich rechnet.

Klein- und Mittelständler verschiedenster Branchen gehen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen voran: die für Frosch-Reinigungsmittel bekannte Werner & Mertz GmbH aus Mainz, Kosmetikhersteller Weleda, Die Möbelmacher aus Hersbruck, die Neumarkter Lammsbräu, die vor Jahren auf Biobier umsattelte und gegen den Markttrend wächst, oder das Versandhaus Memo AG mit einem Komplettsortiment an umweltverträglich und sozial verantwortlich hergestellten Büro- und Haushaltsartikeln. Die österreichische Backhausen Interior Textiles und der niederländische Teppichfliesenhersteller Dasso stellen auf abfallfreies Wirtschaften nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip um.

Definitionsdiskussion ist müßig – viele Wege führen nach Rom

Eine Hürde für Unternehmen wie für viele Journalisten ist, dass „nachhaltiges Wirtschaften“ nicht eindeutig definiert ist. Aber, um es gleich zu sagen, das geht auch nicht. Dafür sind die geographischen, natürlichen, kulturellen, geschichtlichen, rechtlichen und religiösen Gegebenheiten und sozialen Bedürfnisse in den verschiedenen Regionen der Welt viel zu unterschiedlich. So ist für die meisten Deutschen Atomstrom tabu, für das Kohleland China aktiver Klimaschutz. Die Liste solcher Beispiele ist unendlich lang.

Smog
Viele chinesische Städte leiden unter extremem Smog. Deshalb haben die Einwohner häufig ein ganz anderes Verhältnis zur „sauberen“ Kohle-Alternative Atomkraft. (Quelle: flickr.com / Metro Library and Archive / (CC BY-NC-SA 2.0) )

Darum wird es für die Frage, was Nachhaltigkeit ist und wie sie messbar ist, immer mehrere Antworten geben. Damit müssen Journalisten lernen umzugehen. Die Diskussion darüber, was Nachhaltigkeit genau ist, ist je nach Umständen und neuen Erkenntnissen immer wieder neu zu führen. Der Vorwurf, das Wort sei inhaltsleer, geht völlig am Kern der Sache vorbei. Nachhaltigkeit ist genauso ein Postulat wie Gerechtigkeit und Freiheit und ist mit Inhalt zu füllen.

Es gibt kein Patentrezept für nachhaltiges Wirtschaften, anhand dessen Unternehmen handeln könnten. Folglich begeben sich Unternehmen, die nachhaltig(er) und verantwortlich wirtschaften wollen, auf einen Such- und Lernpfad. Und die Medien als kritische „Begleiter“ mit ihnen. Angesichts komplexer Zusammenhänge ist das teils mühsam und erfordert die Bereitschaft, über den Tellerrand zu sehen und sich auf andere Perspektiven einzulassen.

Kerngeschäft im Fokus der Unternehmensverantwortung

Da nicht jedes Unternehmen direkt nachhaltiges Wirtschaften ansteuert, hat sich der Begriff „Corporate Social Responsibility“ (CSR) als beliebtes Schlagwort etabliert. Viele Firmen sammeln jedoch darunter alles, was sie an Gutem tun: Kultur- und Sportsponsoring, Spenden und Stiften. Doch derartige gute Taten sind keine Beleg für „CSR“ oder „Corporate Responsibility“ (CR), sondern für Corporate Citizenship“ (CC), also bürgerschaftliches Engagement. Hierbei tritt das Unternehmen als „Bürger“ auf, der sich mehr oder weniger unabhängig von seinem Geschäft für gesellschaftliche Belange engagiert.

Viele Unternehmen tun das – und interessieren sich ansonsten vielfach ohne Rücksicht auf die Folgen ihrer Geschäftstätigkeit für quartalsweise steigende Gewinne. Wenig hilfreich sind Pressemitteilungen, bei der Firmen wie etwa Daimler 2014 anhand ehrenamtlicher Initiativen zeigen, „wie das Unternehmen und seine Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter einen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung leisten.“ Die gesellschaftliche Verantwortung des Autobauers liegt darin, Fahrzeuge mit möglichst niedrigen Emissionen und geringst möglichem Ressourceneinsatz unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen zu bauen.

CSR hingegen ist keine zusätzliche Aktivität, sondern eine Art, das Kerngeschäft zu betreiben: Es geht nicht darum, wie Gewinne verwendet werden, sondern wie Umsätze und Gewinne zu erzielen sind: umweltverträglich, sozial verantwortlich und zugleich ökonomisch erfolgreich. Die angelsächsische Finanzbranche spricht von „Triple Bottom Line“. Glaubhaft ist nicht, wer wie viele Firmen- und PR-Chefs ständig „nachhaltig“ sagt und „dauerhaft“ meint.

Die EU-Kommission hat CSR 2011 eindeutig definiert als die „Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft“. Die Umwelt ist einbezogen, weil negative Umwelteffekte zulasten der Gesellschaft gehen. Die EU-Kommission kritisierte, nur etwa 1000 der 42000 größten europäischen Unternehmen gingen ihre CSR strategisch an, nur zehn Prozent berichten irgendetwas dazu. Darum haben die EU-Gremien 2014 eine CSR-Berichtspflicht beschlossen, wonach die europäischen Großkonzerne künftig ihre öko-sozialen Risiken und Leistungen offenlegen müssen.

Mittelständler indirekt gefordert

Diese Anforderungen werden indirekt auch ihre meist mittelständischen Zulieferer erreichen, denn die Konzerne müssen über ihre Wertschöpfungsketten berichten, also auch über die Lieferkette. „Auftraggeber auch aus der deutschen Industrie verlangen schon heute von uns Zulieferern Auskunft über sozial-ökologisches Verhalten“, sagt Burkhard Remmers, Sprecher des Möbelherstellers Wilkhahn, dessen Verwaltungsrat schon 1989 beschloss: „Im Zweifelsfall hat der ökologische Aspekt einen höheren Stellenwert als schneller Gewinn.“

Die meisten Mittelständler behaupten, sie seien per se nachhaltig – aus Verantwortungsgefühl und um in der Region gut verankert zu sein. Da Familienbetriebe in Generationen denken, ist die Grundlage für nachhaltiges Wirtschaften tatsächlich gut. Aber viele ihrer Image fördernden Aktivitäten liegen außerhalb des Kerngeschäfts: Sie stiften, spenden, sponsern und ihre Mitarbeiter leisten Freiwilligenarbeit.

Laut einer Studie der KfW Bank von 2012 befassen sich zwar 58 Prozent der deutschen Mittelständler mit CSR und geben für unternehmerische Verantwortung jährlich sechs Milliarden Euro aus. Aber der Fokus nahezu aller Firmen ist soziales und gesellschaftliches Engagement. Das Kerngeschäft haben die meisten nicht im Blick. So befasst sich nur ein Viertel mit Klimaschutz- und Energieeffizienz. Hier wären enorme Verbesserungen nötig und Kostensenkungen von bis zu acht Prozent möglich, so die Effizienzagentur NRW.

Ähnliches ist einer Umfrage der Universität Stuttgart von 2011 zu entnehmen, wonach nur ein Drittel der Mittelständler Lieferanten einbindet. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie künftig mittelständische Zulieferer auf die erhöhten Transparenzwünsche ihrer Abnehmer reagieren werden. Eine Hilfestellung bietet der Rat für Nachhaltigkeit der Bundesregierung mit einem 2014 erschienenen Handbuch zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex.

Strategisch umsteuern

Unternehmen können auf verschiedenen Handlungsfeldern ansetzen, um entweder durchweg nachhaltig oder zumindest öko-sozial und ethisch verantwortlicher zu wirtschaften. Konsequent und systematisch vorgehende Firmen sind letztlich auf allen Handlungsebenen aktiv, um kohärent und glaubwürdig zu agieren.

Kindergarten
Der Bau von Kindertagesstätten durch einen Autohersteller hat wenig mit Corporate Social Responsibility zu tun: der Bau umweltfreundlicher Autos zu fairen Arbeitsbedingungen hingegen schon. (Quelle: flickr.com / Howard County Library System / (CC BY-NC-ND 2.0)

Bei der strategischen Ausrichtung auf nachhaltiges Wirtschaften ist zunächst zu überprüfen, ob das bisherige Geschäftsmodell, die Produktpalette und die Zielmärkte mit einer nachhaltigen Ausrichtung vereinbar sind. Im zweiten Schritt ist das Geschäftsmodell neu auszurichten und gegebenenfalls komplett zu verändern.

Es sind strategische Entscheidungen zu treffen, wie künftig Produktdesign und –sortiment auf Nachhaltigkeit auszurichten sind und welche Märkte wie bedient werden sollen. Zentraler Punkt dabei ist, Nachhaltigkeit als eine Grundlage von Investitionsentscheidungen zu definieren.

Handlungsfelder einer nachhaltigen Unternehmensführung

Nicht jeder will den ganz großen Wurf angehen. Wer gleichwohl verantwortlich und nachhaltiger als bisher wirtschaften will, sollte zuerst Wertvorstellungen definieren. Dann gilt es zu überprüfen, ob Firmenstrategie, Beschaffung, Herstellungsprozesse, Produkte und/oder Dienstleistungen sowie Produktverwendung und -verwertung diesen Werten entsprechen. Oder ob die Wertschöpfungskette ökologische, soziale und ethische Risiken birgt.

Sinnvoll ist, zunächst die Felder anzugehen, in denen ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft am größten sind. Diese sind durch Dialoge mit Anspruchsgruppen (Stakeholder) und Ökobilanzierungen feststellbar.

Entscheidende Handlungsfelder innerhalb der Wertschöpfungskette sind die Produktpalette und das Produktdesign: Das Design bestimmt laut Wissenschaftlern bis zu 80 Prozent des Energie- und Ressourcenverbrauchs von Produkten in ihrem gesamten Lebenszyklus. Es legt alle nötigen Materialien fest und damit nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte der Beschaffungskette sowie der Nutzungs- und Verwertungsphase.

Denn meist sind öko-soziale Effekte weniger im Betrieb relevant als in der Beschaffungskette sowie der Produktnutzung. So sind die Emissionen von Fahrzeugen während ihrer langjährigen Nutzungsphase viel höher als die ihrer Herstellung. Die Einhaltung internationaler Arbeitsrechte hängt auch damit zusammen, wo die Produkte herstellt werden – China verbietet Gewerkschaften, in weiten Teilen Asiens reichen selbst gesetzliche Mindestlöhne nicht zum Leben.

Darum hat sich in den letzten Jahren der Fokus nachhaltigen Wirtschaftens von der „Betriebsökologie“ und den „heimischen Mitarbeitern“ auf die Handlungsfelder „Beschaffung und Zuliefererkette“ einerseits sowie „Produktpalette und –design“ andererseits verlagert. Die EU fordert Unternehmen zu risikobasierten Sorgfaltsprüfungen von Lieferketten auf. „Das sollte Bestandteil einer umfassenden CSR-Strategie sein und manche Unternehmen gehen systematisch an die Wertschöpfungskette heran, wenngleich es eine Herkulesaufgabe ist“, sagt Thomas Beschorner, Professor für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen.

Beim Design wie auch während der Produktion kann viel verändert werden, um Ressourcen effizienter und sparsamer einzusetzen und soziale/ethische Probleme in der Lieferkette zu vermeiden. Das kann sowohl die Kosten als auch die Risiken erheblich senken, wie zahlreiche Unternehmensbeispiele belegen.

Zielführendes Management mit Kompetenzen

Eine Ausrichtung auf mehr Nachhaltigkeit gelingt nur, wenn entsprechende Kompetenzen in den Führungsstrukturen und Entscheidungsprozessen verankert sind. Das lässt sich relativ leicht erkennen: Ist der Kommunikationschef zuständig, ist das zweifelhaft. Ein Nachhaltigkeitsmanagement, das direkt der Geschäftsführung untersteht, hat Rückendeckung und kann etwas bewirken. Ein CSR-Gremium, das alle Geschäftsbereiche und –funktionen samt Vorstand repräsentiert und unternehmensweite Entscheidungen fällen kann, ist besonders solide – wenn es denn auch weitreichende Entscheidungen trifft.

Ein Maßstab für glaubwürdiges Vorgehen ist zudem, wenn Nachhaltigkeitskriterien in Zielvereinbarungen und Vergütungssystemen für Vorstände, Führungskräfte und Mitarbeiter verankert sind. Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, wobei zu recherchieren ist, wie ehrgeizig die Ziele sind – oder ob sie bloß auf Mitnahmeeffekten beruhen. Weitere Handlungsfelder sind Marketing und Vertrieb, Recycling und Wiederverwertung sowie das „Green Controlling“, das auch soziale Kenndaten erfasst und unerlässlich für die Firmensteuerung ist.

Messbare Ziele, klare Zeitvorgaben und Transparenz nötig

Von hoher Bedeutung sind klare, möglichst messbare Zielvorgaben sowie Zeithorizonte für beschlossene Maßnahmen und öko-soziale Verbesserungen. Fehlen derartige Leistungsangaben auf der Webseite und/oder im Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Bericht, mangelt es meist an Ernsthaftigkeit. Optimal – aber selten – sind Statusübersichten, die offen zeigen, was genau angestrebt ist, was getan wird, welche Ziele erreicht sind, und auch welche noch nicht und warum. Sind stattdessen viele schöne Worte und bunte Bilder zu Pilotprojekten zu finden, ist das ein Indiz für Greenwashing. Es ist Aufgabe von Journalisten, solche Schönfärberei zu enttarnen.

Für Journalisten unabdingbar ist dafür, dass Unternehmen transparent berichten, sei es auf der Homepage, im gedruckten Nachhaltigkeits- oder im integrierten Geschäftsbericht. Wenig hilfreich sind die thematische Trennung und das zeitliche Auseinanderklaffen von finanzieller und sogenannter „nicht-finanzieller“ Berichterstattung – ein völlig verfehlter Begriff, denn eine nachhaltige Unternehmensführung beeinflusst die finanziellen Eckpunkte und Leistungen von Unternehmen. Diese Wirkungen zu ermitteln und darzustellen, ist Aufgabe der Unternehmen – die wenigsten haben damit begonnen.

Trash
Warum nicht mal in einer Bilanzpressekonferenz nach Erfolgen bei der Müllreduzierung fragen? (Quelle: flickr.com / epSos .de / (CC BY 2.0) )

Dies einzufordern, ist Aufgabe von Journalisten. So können sie beispielsweise auf Bilanzpressekonferenzen nicht nur nach Umsatz und Ergebnis fragen, sondern auch nach dem „grünen“ Umsatzanteil oder Investitionen in die Mitarbeitergesundheit. Bei der Vorstellung von Produktneuheiten könnten sie nach dem Anteil an Recyclingmaterialien fragen oder nach der Nutzung fair gehandelter Waren.

Ausdauer und langfristige Perspektive nötig

Unternehmen auf nachhaltigeres Wirtschaften auszurichten, bedarf allerdings Ausdauer und Zeit. Strategien und Maßnahmenprogramme sind langfristig anzulegen. Es bedarf langfristiger Investitionen. Das bedeutet – angesichts der Hochgeschwindigkeitstechnik an den Börsen – nicht drei Monate, sondern mehrere Jahre. Rar sind folglich schnelle Erfolge, mit denen Journalisten „Scoops“ machen könnten. So liegt es in der Natur der Sache, dass Geschichten über nachhaltiges Wirtschaften anders zu schreiben sind.

Außerdem stoßen Unternehmen immer wieder an ethische Zweifelsfragen und Zielkonflikte. Soll Umweltschutz vorrangig sein oder der Erhalt von Arbeitsplätzen? Was ist zu tun, wenn Kinderarbeit bei Zulieferern aufgedeckt wurde? Soll man die Geschäftsbeziehungen abbrechen – und mitverantworten, dass die Kinder hungern müssen?

Es hilft wenig, wenn Medien bei solch heiklen Fragen unreflektiert „drauf hauen“. Vielmehr wäre zu recherchieren, ob das Unternehmen an klugen, ausgewogenen Lösungen arbeitet und welche Wege andere Unternehmen in vergleichbarer Situation gegangen sind. Gut verkäuflich mag es zwar sein, immer wieder denselben deutschen Sportartikler zu schelten und ins Horn mancher Nichtregierungsorganisation blasen – besser wäre, sich No-Name-Produkthersteller vorzuknöpfen, bei denen viel mehr im Argen liegt.

Differenzierte Berichterstattung als journalistische Aufgabe

Die Welt ist nicht schwarz-weiß und die journalistische Herausforderung besteht darin, die Grau-Schattierungen verständlich zu erklären. Dazu gehört auch, dass Unternehmen, die verantwortlich handeln wollen, ökonomische Rückschläge erleben können. Nachhaltige Geschäftsmodelle können scheitern infolge der für sie vielfach benachteiligenden Wettbewerbsbedingungen: Noch immer begünstigen Gesetzgeber herkömmliche Strukturen und billiges, rücksichtsloses Produzieren.

Die Regulierung verändert sich nur langsam Richtung Produktverantwortung, die Lobby konventionellen Wirtschaftens und herkömmlicher Produkte ist groß. Derartige Missstände können Journalisten aufzeigen und beständig die Finger in die Wunde legen.

Wichtig, dass sich Unternehmen glaubhaft auf den Weg machen, um internationale Umwelt- und Sozialstandards zu erfüllen. Dafür ist sehr wesentlich, dass alle Abteilungen eines Unternehmens miteinander kooperieren statt – wie noch häufig üblich – nebeneinander her zu agieren oder gar zu konkurrieren. Und dass die Firmen mitteilen, wo auf dem Weg sie sind, vor welchen Hindernissen sie stehen und wie sie sie allein oder in Kooperation mit Wettbewerbern überwunden haben.

Erfolge aufspüren

Die Erfahrung zeigt, dass sich die Mühe lohnt und Unternehmen damit überaus erfolgreich sind, wenn sie es solide tun. Beispiel ist die jahrzehntelange Erfolgsgeschichte von Henkel: Dies ist kein nachhaltiger Konzern, aber einer, der systematisch daran arbeitet, immer nachhaltiger zu wirtschaften. So wie die Packungsgrößen schrumpfen und mit weniger Masse mehr gereinigt oder geklebt werden kann, sinken auch die Umweltbelastungen und negativen sozialen/gesundheitlichen Effekte, während sich Umsätze, Gewinne und Börsenkurse nahezu stetig nach oben entwickeln.

Zahlreiche positive Wechselwirkungen entstehen in derart ausgerichteten Unternehmen. Das reicht von höherer Mitarbeitermotivation und zunehmender Innovationsfähigkeit über stabilere Zuliefererbeziehungen bis hin zu stärkerer Kundentreue, besseren Finanzdaten, einer guten Reputation und einem leichteren Zugang zum Kapitalmarkt. Hier liegen viele spannende Geschichten verborgen.

Tendenziell besteht häufiger ein positivern Zusammenhang zwischen ethischem Verhalten und der Performance von Unternehmen, so einer Metastudie der Universität Kassel von 2014 zu 18 Studien. Menschenrechtsverstöße, Produktrückrufe, Kundenboykotte oder Proteste gesellschaftlicher Gruppen hingegen habe oft starke und unmittelbare Auswirkungen auf Aktienkurse, stellte 2013 die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte fest.

Auch hierzu sind in den kommenden Jahren mehr handfeste Beispiele zu recherchieren, um Verbrauchern, Gesellschaft, Unternehmen und Investoren über unterschiedliche journalistische Formate die Bedeutung nachhaltigen Wirtschaftens für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft zu verdeutlichen.

Susanne Bergius ist seit 2004 unabhängige Journalistin und Moderatorin für Nachhaltiges Wirtschaften und Investieren in Berlin. Sie schreibt für das Handelsblatt, Fachmedien sowie Buchpublikationen. (Quelle: Photohuber/Berlin)
Susanne Bergius ist seit 2004 unabhängige Journalistin und Moderatorin für Nachhaltiges Wirtschaften und Investieren in Berlin. Sie schreibt für das Handelsblatt, Fachmedien sowie Buchpublikationen. (Quelle: Photohuber/Berlin)
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