Von Laura Katharina Engels
Das Bild des klassischen Bio-Konsumenten mittleren Alters, mit orthopädischem Schuhwerk und farbloser Jutekutte, ist längst überholt. Der moderne, bewusste Kunde ist mittlerweile in beinahe jeder Altersgruppe zu finden. Und er kauft nicht nur Lebensmittel beim Biobauern und spart Energie, sondern er achtet auch beim Kauf von Kleidung und Kosmetik auf nachhaltige und sozialverträgliche Produktion. Nach und nach erkennt auch die Modebranche das Potenzial hinter dem neuen Bio-Boom. Selbst große Unternehmen wie C&A und H&M werben mittlerweile mit Kollektionen aus Bio-Baumwolle oder Recycling-Materialien um die Gunst der neuen Zielgruppe. Doch oftmals verbirgt sich hinter einem grünen Etikett kein nachhaltiger Inhalt.
Die Gesetzeslage ist dürftig; eindeutige Produktionsvorschriften gibt es nicht. Den Kunden stellt das vor die Herausforderung, selbst erkennen zu müssen, welche Unternehmen es tatsächlich ernst nehmen mit dem grünen Wandel. An dieser Stelle sind nicht zuletzt die Medien gefragt. Sie haben die Möglichkeit, die Konsumenten über die Auswirkung ihres Kaufverhaltens und über die fragwürdigen Geschäftspraktiken vieler Firmen aufzuklären. Die „Trendstudie 2013“, durchgeführt im Auftrag der Otto Group, kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass 22 Prozent der Befragten Medien noch vor der Politik und der Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen in der Pflicht sehen, das Thema Konsumethik voranzubringen. Aufgrund der wachsenden Unübersichtlichkeit und Informationsflut und der damit einhergehenden Unsicherheit wächst der Wunsch nach Transparenz und objektiver Berichterstattung.
Grüne Mode medial unterbesetzt
Doch obwohl das Geschäft mit der Nachhaltigkeit auch in der Modebranche immer lukrativer wird, scheuen sich noch viele Medien, sich des Themas anzunehmen. Dieser Eindruck entsteht zumindest bei der Lektüre klassischer Modemagazine. Liegt es am Desinteresse der Leser, dem Druck der Anzeigenkunden oder an mangelnder Expertise der Redaktionen? Im Rahmen meiner Bachelorarbeit wollte ich diesen Fragen nachgehen und einen Überblick gewinnen, auf welche Art und Weise Moderedaktionen heute an das Thema Nachhaltigkeit herangehen. Gleichzeitig habe ich mir das Ziel gesetzt, mit der Erstellung eines eigenen Weblogs zum Thema „Nachhaltigkeit in der Mode“ selbst aufzuzeigen, wie vielfältig es sich journalistisch bearbeiten lässt.
Die Wahl des Weblogs als Plattform war naheliegend. Besonders im Bereich des Modejournalismus sind Blogs heute ein fester Bestandteil. Sie haben es aus der Nische heraus geschafft, von einem immer breiter werdenden Rezipienten-Kreis wahrgenommen zu werden und beeinflussen so auch aktiv das Kaufverhalten der vor allem jungen Konsumenten. Zudem ermöglicht ein Blog den direkten und aktiven Austausch zwischen Autor und Leser. Gerade bei kontroversen Themen, wie sie auch im Bereich der Nachhaltigkeit vielfach zu finden sind, kann diese Art der Leser-Kommunikation sehr fruchtbar sein.
WEAR GREEN ging am 13. Januar 2014 an den Start. Der Launch-Termin war bewusst an den Beginn der Berliner Fashion Week gelegt. Denn in der Mode- und Designszene der deutschen Hauptstadt ist das Thema Nachhaltigkeit bereits so gegenwärtig wie kaum anderswo. Seit fünf Jahren bietet der Greenshowroom im Rahmen der zweimal jährlich stattfindenden Fashion Week eine Plattform für nachhaltig produzierte High Fashion Mode. Die Ethical Fashion Show, der Lavera Showfloor oder der Showfloor der Modemesse Gallery weiten dieses Konzept aus und bietet vor allem kleineren Labels die Möglichkeit, ihre Kollektionen einem breiteren Publikum vorzustellen.
Das Interesse auch von Seiten der Moderedaktionen wächst von Saison zu Saison. Vor Ort sprach ich unter anderem mit Magdalena Schaffrin, Gründerin des Greenshowrooms, mit Lizzie Delfs von der Modeschule Esmod, die den ersten Studiengang in „Sustainability in Fashion“ anbietet und Manuel Bürgel, der gemeinsam mit Unterstützern der Tierschutzorganisation Peta vor dem Fashion Week Zelt gegen Pelz und Leder demonstrierte. In Berlin finden sich aber auch viele junge Designer und Unternehmer, die auf die Attribute sozial, ökologisch und nachhaltig setzen. So wie etwa Mariko Takahashi und Eugenie Schmidt von „Schmidttakahashi“, die dem Upcycling-Trend eine ganz neue Dimension geben.
Meine Recherche für WEAR GREEN führte mich im Februar weiter nach Hattingen, wo sich die Kampagne für saubere Kleidung auf ihrem jährlichen Aktionstreffen mit ganz anderen Aspekten von Nachhaltigkeit in der Modebranche auseinandersetzte. Hier standen die Folgen des Einsturzes des Rana Plaza Fabrikgebäudes in Bangladesch und der weiter andauernde Kampf für einen existenzsichernden Lohn für die Textilarbeiter im Fokus. Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von FemNet und Fachfrau im Bereich sozialer Menschenrechte, sprach mit mir unter anderem über die Rolle der Medien innerhalb dieser Entwicklungen. Auch sie sieht noch viel ungenutztes Potenzial.
Green Fashion – bei Lesern nachgefragt
Eine gute Nachhaltigkeitskommunikation erfordert in erster Linie Fachwissen. Nur dann lassen sich die komplexen Abläufe innerhalb der Industrie und zwischen den einzelnen Interessengruppen für den Leser verständlich vermitteln. Auf WEAR GREEN richte ich den Blick daher auch gerne in die Vergangenheit und beleuchte zum Beispiel umstrittene Verhaltensmuster großer Modekonzerne. Mit dem Verweis auf andere journalistische Formate und Dokumentationen möchte ich meine Leser ermutigen, sich auch über WEAR GREEN hinaus selbst mit dem Thema zu beschäftigen.
Bei alledem soll der Spaß an der Mode jedoch nicht verloren gehen. Dass hinsichtlich sozialer Ausbeutung, Umweltverschmutzung durch Textilmüll und Chemikalien schnellstmöglich umgedacht werden muss, ändert nichts daran, dass sich hinter der Textilindustrie ein Milliardengeschäft verbirgt. Der Konsument wird nur selten durch den erhobenen Zeigefinder und Schreckensbilder ermutigt, anders zu handeln. Er muss seinen persönlichen Mehrwert hinter nachhaltigem Konsum im Allgemeinen und dem Kauf von nachhaltiger Mode im Speziellen erkennen. Daher finden sich auf WEAR GREEN auch unterhaltende Inhalte, etwa rund um das Thema Secondhand-Shopping oder Selbermachen.
Anhand des positiven Feedbacks, dass mich schon kurze Zeit nach Launch des Blogs erreichte, konnte ich einen vermuteten Grund für die mangelnde Berichterstattung schnell ausschließen: An Interesse der Leser fehlt es nicht. Es muss ihnen nur informativ und unterhaltsam präsentiert werden. Dennoch zeichnete meine Analyse von fünf Modezeitschriften innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten ein ernüchterndes Bild: In den insgesamt 48 Heften beschäftigten sich gerade einmal elf Artikel mal mehr, mal weniger vertiefend mit nachhaltiger Mode oder Kosmetik. Mit allen fünf Redaktionen versuchte ich mehrfach Kontakt aufzunehmen, um die Gründe für dieses Ergebnis herauszufinden. Nur eine einzige Redaktion war bereit, mir Auskunft zu geben. Die von den Modeunternehmen so oft geforderte Transparenz ist also auch hier eher dürftig.