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Streuobst – veraltetes Wissen kehrt zurück

Der Kaiser Wilhelm ist einer der größten Apfelbäume auf den dreieinhalb Hektar Streuobstwiese. Foto: Oskar Sieber

Von Oskar Sieber

Eine dreieinhalb Hektar große Fläche aus Wiese, Büschen, Hecken und  Obstbäumen erstreckt sich am Ortsende von Hersbruck. Der sogenannte Obstgarten ist Entstehungsort des Streuobst Initiative Vereins Hersbrucker Alb e.V. mit ungefähr 150 Mitgliedern. Gründungsmitglied und Vorsitzender Ottmar Fischer ist gerne hier und pflegt die Obstbäume. „Meine Großeltern hatten bereits Obstbäume“, sagt Fischer. Da ist er früh in Kontakt mit Obstanbau gekommen.

Fischer schlendert zwischen den Obstbäumen hindurch in Richtung der Hütte in dem Obstgarten, unter dem Apfelbaum Kaiser Wilhelm entlang, der durch seine Größe vor der Sonne schützt und die umliegenden Obstbäume überragt. Fischer öffnet das Tor zur Hütte und nimmt eine Flasche
aus dem darin liegenden Kasten. „Das ist POM 200. Über 200 Apfelsorten sind vereint in einer Apfelschorle“, erklärt Fischer.

Bisher gibt es die geernteten Äpfel nur in gepresster Form aus Flaschen. Die Idee hinter der Vermarktung und dem Vertrieb des Obsts ist die Finanzierung des Projekts. Nicht mehr nur der Obstgarten in Hersbruck, sondern mittlerweile insgesamt 30 Hektar zählen zu den bio-zertifizierten Streuobstflächen des Vereins. Die Flächen gehören Mitgliedern des Vereins, die ein Grundstück mit Obstbäumen besitzen.  Damit das viele Obst auch verarbeitet wird, kauft die Gesellschaft Siha die Ernte für 25 Euro pro 100 Kilogramm ab. Das gibt einen Anreiz, sich um die Bäume zu kümmern und sie zu pflegen. Der Erlös aus dem Verkauf fließt in die Vereinskasse zurück, um wieder Geld für weitere Bäume und deren Pflege zu haben.

Neben dem Pflanzen und Vertreiben von Äpfeln sind Seminare ein weiteres großes Thema. „Damit die Mitglieder aus unserem Verein ihre Obstbäume richtig schneiden und pflegen können, brauchen sie das nötige Wissen. Das bieten wir an“, erklärt der Vorstand.

Warum Streuobstwiesen sinnvoll sind

Streuobstwiesen sind ein Relikt aus vergangener Zeit. Über die vielen Jahre der Züchtung und Pflege von Obstbäumen sind tausende unterschiedliche Sorten alleine in Deutschland entstanden. Mit dem Einsetzen der Massenproduktion von Obst Anfang der 1950er Jahre ist dieses Kulturerbe nach und nach verloren gegangen. Die Folge war eine rasche Abnahme von Streuobstwiesen und somit auch der Vielfalt an Sorten. „Wenn sich keiner um die Obstbäume kümmert, dann vergreisen sie relativ schnell. Die Pflege dieser Bäume ist besonders wichtig“, sagt Fischer. Normalerweise werden Obstbäume mit guter Pflege 100 Jahre alt. Allerdings nicht, wenn die Äste wild und zufällig wachsen. Die Äste müssen das Gewicht der Früchte eines ertragreichen Jahres auch tragen können. Sogenannte Leitäste sorgen dafür, dass ein Obstbaum später einmal deutlich mehr Früchte tragen kann.

Die Apfelschorle POM200 wird aus über 200 unterschiedlichen Apfelsorten gepresst und vermischt. Foto: Oskar Sieber

Der Lastwagen ist gerade in Südtirol angekommen. Die Beladung kann beginnen. Tausende Äpfel kommen in den Laderaum, um weiter nach Deutschland transportiert zu werden. Die Vielfalt ist nicht unbedingt groß: Pink Lady, Jonagold und Golden Delicious sind es diesmal. Der Laderaum schließt sich und schon kann der LKW wieder in Richtung Deutschland fahren. Dort landen die Äpfel aufgetürmt in Massen in den Regalen der Supermärkte.

„Mit ökologischem Anbau hat das wenig zu tun“, sagt Ottmar Fischer. Auf diesen Plantagen gibt es nur Monokulturen, die vorsorglich gegen jegliche Art von Krankheit mit Pestiziden geschützt werden. Gut für die Natur und gesund für den Menschen ist das nicht. Die Äpfel halten die für den Verkauf wichtigen Kriterien ein: lange Lagerzeit, schmackhaftes Aussehen und eine genormte Größe. Jedoch bleiben bei diesen gezüchteten Sorten, die für den Verkauf am besten sind, die gesunden Inhaltsstoffe oft auf der Strecke.

Aber nicht nur die Äpfel selbst sind das Problem. Es fehlen die Blumen und Gräser zwischen den Obstbäumen auf Plantagen, die als Lebensraum für die vielen Insekten dienen. „Rettet die Bienen“ war ein kürzlich erfolgreich abgestimmtes Volksbegehren in Bayern. Daran ist ersichtlich, wie wichtig der Bevölkerung die Artenvielfalt und der Lebensraum für Bienen und Insekten sind. Da im Obstgarten nur kleine Wege mit der Sense gemäht werden und ansonsten Platz bleibt für wilde Wiesen und Blumen, trägt der Hersbrucker Verein maßgeblich zum Ziel des Volksbegehrens bei.

Alleine in Deutschland gibt es Tausende von Sorten. „Die dürfen nicht alle in Vergessenheit geraten“, mahnt Fischer. Jahrhunderte alte Sorten drohen verloren zu gehen. Manche der alten Sorten sind sogar für Allergiker geeignet und können von diesen problemlos verspeist werden. Das kulturelle Gut der Apfelsorten bleibt erhalten dank der Pflege von Streuobst.

Appell an die Bevölkerung

Hier in Hersbruck begann das Projekt einen Mustergarten zu pflanzen und zu pflegen. Foto: Oskar Sieber

Es gibt aber nicht nur gute Neuigkeiten. Ottmar Fischer will nicht mehr ewig Vorstand bleiben und sucht händeringend nach mehr Mitgliedern. Besonders Rentner mit möglichst viel Zeit sind gefragt. „Einige junge Leute sind bereits mit im Boot, aber die müssen arbeiten oder studieren und haben eine Menge anderer Aktivitäten. Das soll nicht heißen, dass junge Leute generell nicht gefragt sind mitzumachen, aber sie sollten möglichst viel Zeit und Engagement mitbringen.“

Wie viel die Streuobst Initiative Hersbrucker Alb e.V. tatsächlich für eine nachhaltige Lösung für Obstanbau und -vertrieb beitragen kann, ist nicht ganz geklärt. Komplett auf Plantagen zu verzichten und nur auf Streuobst umzusteigen, ist heutzutage nicht mehr möglich. Die Nachfrage ist zu groß und ein solcher Anbau kostet auch entsprechend mehr. Aber es ist ein wichtiger Schritt in die Zukunft, wo beide Anbauformen nebeneinander Platz finden und gemeinsam die Bevölkerung mit frischem Obst versorgen.

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