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Bernhard Pötter (taz): „Wir produzieren ja keine Zahnbürsten“

Von Manuel und Kevin Schubert

Bernhard Pötter empfängt uns im „tazcafé“, das sich im Erdgeschoss des Redaktionsgebäudes befindet. Für das Interview möchte der Wirtschafts- und Umweltredakteur aber raus in den Garten. Es ist ein schwül-heißer Tag in Berlin-Mitte. Pötter, orangenes T-Shirt, gestreiftes Hemd, deutet auf einen Tisch im Schatten und bestellt eine Bionade.

Herr Pötter, Sie kommen gerade aus der Redaktion. Welches Thema brennt Ihnen denn momentan unter den Nägeln?

Pötter: Ich war Anfang der Woche in Bonn auf der Klimakonferenz. Den Artikel werde ich noch heute oder morgen schreiben. Außerdem gibt es einen Streit zwischen dem Umweltbundesamt und ein paar Journalisten zum Thema Klimaskeptiker.

Bei der taz arbeiten Sie im Ressort Wirtschaft und Umwelt – aus Überzeugung?

Auf jeden Fall aus Neigung. Überzeugung klingt mir ein bisschen zu groß, aber es ist – finde ich – das spannendste Thema. Und deswegen mache ich es gerne. Natürlich hat es auch etwas mit Überzeugung zu tun, dass man ein Thema spannend findet.

Laufen Umweltjournalisten nicht Gefahr, ihre Position als neutraler Beobachter zu verlassen und zum Aktivisten zu werden?

Klar, es gibt dieses Risiko. Aber für mich steht der professionelle Journalismus im Vordergrund: Geschichten suchen, sie balancieren und möglichst viele Meinungen und Aspekte zu einem Thema einbringen. Ich sehe da kein großes Problem.

Ist es nicht reizvoll, beispielsweise Klimaskeptiker nach allen Regeln der Kunst zu zerlegen?

Dafür gibt es ja immer noch die Meinungsseiten. Wer so etwas fühlt, hat jede Menge Möglichkeiten, sich zu äußern. So lange man aber journalistisch auf der Bericht- und Reportagen-Ebene arbeitet, muss man die Balance halten. Nicht nur aus Respekt vor den Leuten und ihren Meinungen, sondern auch aus Respekt vor dem Publikum, vor dem Leser. Denn ich möchte auch nichts lesen, wo mir Leute ihre Meinungen überbraten.

bernhard-poetter_150Bernhard Pötter hat Amerikanistik, Politik und Jura in Berlin und Bloomington (Indiana) studiert. Daneben absolvierte er die Journalistenausbildung des Instituts zur Förderung publizistischen Nachwuchs. Seit 1993 ist Pötter bei der taz, seit 1998 im Umweltressort. Zwischendurch arbeitete er fünf Jahre lang als freier Journalist in Paris. (Foto: © Giuseppe Porzani – Fotolia.com)

Müssen Umweltjournalisten auch persönlich Vorbilder sein?

Ich finde, das schließt daran an. Wenn ich ein Aktivist wäre, müsste es vielleicht so sein. Aber ich bin Journalist. Mit dem Wissen, das ich aus dem Journalismus generiere, kann ich bestimmte Entscheidungen auch im privaten Leben treffen. Aber dass jemand eine gute Geschichte als Umweltjournalist ausgräbt, hat ja wenig damit zu tun, ob er Auto oder Bahn fährt.

Was tun Sie persönlich?

Da muss man unterscheiden. Zu Hause achten wir sehr darauf, öffentliche Verkehrsmittel zu nehmen und Fahrrad zu fahren. Wir essen kaum Fleisch und kaufen viel Bio. Was es eben so gibt. Aber das sehe ich relativ unabhängig davon, dass ich als Umweltjournalist arbeite. Ich kenne höchstens etwas mehr die Konsequenzen meines Verhaltens. Da debattiere ich ab und zu auch mit Leuten, wenn sie mir erzählen, dass sie in die Ferien nach Mallorca fliegen. Aber das kannst du auch nicht immer machen, sonst verlierst du alle deine Freunde.

Ohne jetzt Namen zu nennen: Kennen Sie auch Kollegen, die da Wasser predigen und Wein trinken?

Natürlich gibt es Leute, und da schließe ich mich selbst ein, die sich in bestimmten Konsumsituationen nicht nachhaltig verhalten. Das geschieht aus bestimmten Gründen. Ein Teil meiner Familie lebt in den USA, und da fliegen wir in diesem Sommer mit der ganzen Familie hin. Das finde ich auch völlig okay. Man sollte nicht so tun, als würde man außerhalb der Sache stehen, mit denen sich alle herumschlagen.

Leidet denn nicht die Glaubwürdigkeit des Journalisten, wenn er seine Texte nicht lebt?

Ich würde nicht den Anspruch erheben, dass jemand für sein eigenes Leben hundertprozentig die Konsequenzen aus dem zieht, was er als Journalist analysiert. Er hat die Aufgabe, Themen zu finden, zu hinterfragen und so darzustellen, dass die Menschen sie und ihre weiteren Folgen verstehen. Ob er sein eigenes Leben danach ausrichtet, ist seine Sache.

Muss der Journalismus die Gesellschaft zum klugen Konsum bewegen?

Nein, muss er nicht. Erst einmal soll er sein Publikum informieren und auch unterhalten. Den Journalisten dafür verantwortlich machen, wie seine Texte rezipiert werden – das wäre zu viel verlangt.

Sollte das Themengebiet Nachhaltigkeit prominenter behandelt werden?

Ja, natürlich. Schon weil es mein Themengebiet ist.

ProSieben bot dem Thema mit der Green Seven Week eine Plattform. Unter anderem in Sendungen wie Galileo – die ansonsten gerne das größte Schnitzel der Welt sucht …

Das ist so eine Sache, da gibt es gute Argumente für beide Seiten. Man kann sagen, das ist Green Washing, wenn ProSieben daraus ableitet, Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeits-Berichterstattung zu sein. Und man kann sagen, wenigstens passiert auf diesem Gebiet etwas, um Leute zu erreichen, die sich sonst eben für das größte Schnitzel interessieren. Ich neige eher zu der zweiten These.

Zeitungen wie die „taz“ oder „Die Zeit“ weisen dem Thema Nachhaltigkeit einen großen Stellenwert zu. Sie zu produzieren, drucken und verbreiten verbraucht aber viele Ressourcen. Ein Gewissenskonflikt?

Da muss man doch sagen, dass wir als Journalisten einen relativ leichten beruflichen Fußabdruck haben. Außerdem ist mir das zu einfach. Medien haben eine Aufgabe in der Demokratie, wir produzieren ja keine Zahnbürsten. Man kann genauso wenig einem Minister sagen: Bleib mal zu Hause und regiere nicht dein Land, dann hast du keinen CO2-Ausstoß. Ich fliege fast nie für mein persönliches Vergnügen. Aber ich war zum Beispiel auf der Klimakonferenz in Doha, und natürlich fliege ich da hin. Das finde ich auch okay.

Weshalb? Es gäbe ja auch Korrespondenten.

Es macht aber einen Unterschied. Als ich vor zwei Jahren bei der Klimakonferenz in Durban war, hat mich unsere Korrespondentin aus Johannesburg begleitet. Aber sie ist eben eine Expertin für Südafrika und kennt sich mit internationaler Klimapolitik nicht so gut aus. Das heißt, es ist sinnvoll, wenn ich vor Ort bin – weil ich die Leute, das Thema und das Prozedere kenne.

Wo könnte ein Medium überhaupt umweltschonender arbeiten?

Mir hat gerade erst ein Kollege erzählt, dass er vor einigen Jahren durchsetzte, dass die „taz“ auf Umweltpapier gedruckt wird. Das ist eine Sache. Andere wären Mülltrennung oder nachts die Server ausmachen. Im Bereich Energie kann man wahrscheinlich auch sehr viel machen. Gucken Sie sich an, wie klein unser Haus ist: Die Kollegen von Springer im viel größeren Gebäude drüben haben vermutlich eine ganz andere Licht- und Wärmerechnung als wir. Aber das Wichtige für eine Zeitung bleiben die Inhalte: Nachrichten, Informationen, Hintergründe und Meinungen. Darauf sollte, ohne sich jetzt aus der Verantwortung zu stehlen, das Hauptaugenmerk liegen: was gemacht wird, nicht wie.

Das Gespräch entstand während eines Seminares an der Hochschule Darmstadt und wurde bereits auf natur.de in Rahmen einer Interview-Serie veröffentlicht – bevor Pötter Beirat des Rechercheportals „Grüner Journalismus“ wurde.

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