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„Das Reden über Lösungen schafft Lösungen“

PD
Die Gründer von links nach rechts: Bernhard Eickenberg, Maren Urner und Han Langeslag. (Foto: Perspective Daily)

Von Felix Austen

Mit Bento, Krautreporter, jetzt.de und vielen anderen gibt es eine Fülle an jungen Online-Medien. Warum braucht es noch Perspective Daily?

Das steckt im Namen drin: Weil wir neue Perspektiven brauchen, und das bieten diese Angebote nicht so, wie wir es vorhaben. Bei uns geht Qualität über Quantität. Jeder unserer Autoren hat feste Themen und versucht mit den Lesern immer neue Perspektiven auf bekannte Probleme zu bekommen. Unser Stichwort ist Lösungsorientierung. Wir beschreiben also nicht nur Probleme, sondern versuchen bestehende Lösungen und Ideen vorzustellen.

Der Begriff „Konstruktiver Journalismus“ schwebt über dem Projekt. Was versteht ihr darunter?

Unsere Definition stammt von der Journalismusforscherin Cathrine Gyldensted und lautet in etwa so: Konstruktiver Journalismus beschreibt die Probleme nicht nur, sondern versucht auch, zu Lösungen zu kommen und Chancen zu sehen. Das ist wie mit konstruktiver Kritik.

Kritiker werfen euch vor, ihr würdet Lösungen für Probleme versprechen, an denen sich die Menschheit seit Jahrzehnten und Jahrhunderten die Zähne ausbeißen.

Es ist nicht so, dass wir sagen, das und das ist die Lösung und fertig. Wir sind vor allem lösungsORIENTIERT, wir wollen also auch nach Lösungen suchen. Der Amerikanische Psychotherapeut Steve de Shazer sagt: Das Reden über Probleme schafft Probleme, das Reden über Lösungen schafft Lösungen. Es geht also um ein Umdenken. Wie unser Name schon sagt: Die selben Probleme aus neuem, lösungsorientierten Blickwinkel. Die meisten Probleme wurden irgendwo in der Welt schoneinmal gelöst. Da wollen wir Beispiele nennen und Forschungsergebnisse.

Ihr betont gerne das „mit den Lesern“, aber Kommentarfunktion und Social-Media-Anbindung haben ja alle Medien. Was wollt ihr darüber hinaus bieten?

Oft mischen sich die Autoren nicht viel ein in die Diskussionen. Bei uns wird das von den Autoren erwartet. Am Beispiel von De Correspondent in den Niederlanden kann man sehen, dass der Diskurs dadurch besser und interessanter ist und dadurch neue Ideen entstehen.

Keiner von euch Gründern hat viel Erfahrung im Journalismus. Wie wollt ihr diesem Anspruch gerecht werden?

Wie haben alle eine Affinität zum Schreiben und haben schonmal eine kleine Redaktion aufgebaut. Vor allem aber ist wichtig, dass wir Enthusiasmus haben und dafür leben, weiterzurecherchieren und uns in einem Thema weiterzubilden. Diesen Enthusiasmus und das Fachwissen im Text rüberzubringen, sind wichtig, um die Qualität zu sichern. Das Schreiben ist natürlich auch ein Lernprozess, aber der Enthusiamus muss zuerst dasein.

Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, ein Medium zu gründen?

Der Schritt vom Wissenschaftler zu Journalisten ist nicht so groß, wenn man mal darüber nachdenkt. Als Wissenschaftler stellt man auch die ganze Zeit kritische Fragen und versucht Dinge genauer zu verstehen. Das ist oft ähnlich im Journalismus. Während unserer Studien haben wir beide (Han Langeslag und Maren Urner, Anm. d. Redaktion) festgestellt, dass reine Wissenschaft zwar spannend ist, man sich aber so stark spezialisieren muss, dass die positiven Auswirkungen für die Gesellschaft oft erst in zwanzig oder fünfzig Jahren kommen, wenn überhaupt. Weil wir uns in unserer Freizeit mehr mit gesellschaftsrelevanten Fragen auseinandergesetzt haben, wollten wir etwas machen, womit wir mehr bewirken. Dabei haben wir festgestellt, dass die Medien eine entscheidende Rolle spielen in der gesellschaftlichen Debatte und dass in Deutschland oft das Konstruktive im Diskurs fehlt: Es wird viel kritisiert, es ist oft reißerisch.

Nun mal etwas Praktisches: Ihr habt Perspective Daily von Grund auf geschaffen. Wo fängt man an, wenn man ein Medienunternehmen gründet?

Wir haben zuvor eine kleinere Redaktion mit einer Agentur gegründet. Nach etwa einem Jahr hatten wir Lust, etwas eigenens aufzubauen. Wir haben nach finanzieller Unterstützung gesucht, das Exist-Stipendium gefunden und uns mit Hilfe der Uni Münster beworben. Während der Bewerbungsphase und dem Schreiben des Businessplans ist die Idee weiter gereift. Und dann muss man eben Netzwerken, Netzwerken, Netzwerken! Man muss nach Veranstaltungen suchen, um Aufmerksamkeit und Unterstützer bekommen. Das ist einfach entscheidend, denn alleine kann man es nicht schaffen.

Die etablierten Medien haben große Probleme damit im Internet Geld zu verdienen. Ihr wollt das sogar ohne Werbung schaffen.

Wir halten Werbung im Journalismus sowohl wirtschaftlich als auch aus Integritätsgründen für schwierig. Eine zweite Möglichkeit ist die öffentliche Finanzierung, wie es bei den Öffentlich-Rechtlichen der Fall ist. Wir halten aber die dritte Möglichkeit für die beste, nämlich dass die Leser selbst einen stützen. Unser Kundenstamm soll ausreichen um zunächst etwa sechs feste Redakteure und drei weitere Mitarbeiter zu finanzieren, von dort aus wollen wir weiter wachsen. Wir setzen wie gesagt auf Qualität statt Quantität: Unsere Redakteure haben etwa eine Woche Zeit, um einen Beitrag zu schreiben. So sind wir nur von unseren Lesern abhängig.

Zum Abschluss etwas Konstruktives: Was empfiehlst du jungen Journalisten, die das Thema interessiert?

Erste Empfehlung: Bewirb dich bei uns. Zweite Empfehlung: Lies dich weiter ein. Ich kann das Buch „FROM MIRRORS TO MOVERS“ von Cathrine Gyldensted absolut empfehlen. Und setze das um, was darin beschrieben wird.

Für wie wahrscheinlich haltet ihr es, dass es euch in fünf Jahren noch gibt?

Sehr hoch (lacht)! Wir glauben, der Bedarf ist wirklich da.

Hier geht es zu Perspective Daily!

Das Interview (Erstveröffentlichung 9.11.2015) führte Felix Austen. Neben seiner Arbeit für Grüner Journalismus ist er beratend und als Autor für Perspective Daily tätig.

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