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Aus der Asche

Man hat uns gewarnt, wird man dann sagen. Ihr wusstet doch, was passieren wird. War es nicht schon Jahre – Jahrzehnte – vorher absehbar? Warum habt ihr nicht gehört? Wofür hattet ihr denn eure Wissenschaftler, eure Institutionen, eure intellektuellen Vordenker, wenn ihr euch doch dazu entscheidet, sie zu ignorieren? Man wird es uns fragen und wir werden keine Antwort haben. Wir werden es von uns schieben, in der Politik und in der Wirtschaft werden wir den Schuldigen finden. Darin jedoch liegt nur ein Teil der Wahrheit, mit der wir von der eigenen Resignation ablenken.

Dabei wollten wir es doch so. Wir entschieden uns bewusst dazu, festzuhalten – nicht nur am vermeintlichen Wohlstand, der uns als Gesellschaft schon spaltete, bevor es die Katastrophe gab, sondern am Gefühl der Überlegenheit. Als wir die Nahrungskette neu schmiedeten und Getier durch Humankapital ersetzten; als wir in Kauf nahmen, dass vernarbte, blutende, ausgemergelte Kinderhände zurechtschneiderten, wofür wir nur so gerne Geld ausgaben, das wir nicht hatten; als der Klassenkampf zum Volkssport wurde und wir mit gespitzten Ohren jenen lauschten, die uns erzählten, jeder könne alles schaffen, obwohl sie es doch waren, die bestimmten, wer jeder und was alles ist; als wir, gequält von Existenzängsten, die uns nicht erlaubt waren, im digitalen Eskapismus asozialer Medien einen Ausweg fanden, dessen geringer Preis die Humanität war.

Aus Stärke wurde Schwäche, aus Gesellschaft das Individuum. Selbst der kurze Vorstoß eines revolutionär-gemeinschaftlichen Geistes, als wir bemerkten, dass es die Elite und nicht das Kollektiv war, die zum Klimaflüchtigen wurde, war schnell im Keim erstickt. Nein, nein. Die Frage nach Gerechtigkeit stellte sich zu spät und als sie es tat, waren die Antwortmöglichkeiten vorgegeben.

Als Erstes traf es den Arbeiter. Der, dessen brüchige Haut an den Händen von unbezahlten Überstunden erzählt; dessen tiefe Furchen im Gesicht über glasigen Augen enden, die, wenn sie sich denn trauen, beim Blick in die Zukunft am Boden eines Mülleimers kleben bleiben, fixiert auf die Pfandflasche, die den Weg zur nächsten Mahlzeit bereitet. Ihn traf es, als die Maschinen intelligenter, das Handwerk unwichtiger, der Mensch austauschbar wurde.

Schicht für Schicht kamen dann die darüber, bis zu denen, die dachten, sie seien sicher, die dachten, es erwische alle anderen, nur sie selbst nicht. Halt machte der Niedergang erst, als die nächste Schicht – die Elite – nicht zu greifen war.

Was kam, war Masse: Massenarbeitslosigkeit, Massenmigration, Massenarmut, Massenhunger. Die kalten Wellen, die über Ländergrenzen hinweg schwappten und Teile des Globus unbewohnbar werden ließen, brachten Not mit sich. Eine Not nach Lösungen, wie denn all die Menschen, die ihre Heimat verloren, nun gerettet, versorgt, aufgenommen werden können. Not nach einem Weg, um aus einer zerbrochenen Gesellschaft eine neue zu errichten.

Der Umschwung kommt nun langsam. Wer keine Arbeit hat, findet Beschäftigung in der Kommune; wo es keinen Lohn gibt, gibt es Nahrung, Anerkennung und Unterstützung. Wir lernen mit dem, was wir haben, umzugehen. Wir lernen nachhaltigen Anbau, reden über gerechte Verteilung, halten uns an den demokratischen Geist, den wir neu denken, neu bestimmen wollen.

Wir haben das Zeitalter des unbegrenzten Konsums für beendet erklärt; uns von nationalem Fokus verabschiedet; nach Dingen gesucht, die uns verbinden, statt trennen. Einen Status Quo gibt es nicht mehr, genauso wie die Natur, sind auch wir im Wandel. Wir haben begriffen, dass unser Ende unser Neuanfang sein muss.

Die Machthaber, die Reichen, die Eliten – sie sitzen dort, wo es keine Probleme gibt, dort, wohin keine Welle schwappen kann, die nicht gleich einen halben Kontinent verschlucken will. Die Welle unserer neuen Demokratie aber, hat auch sie erfasst. Der Politiker, der sich als Mensch des Volkes betitelt, aber gegenteilig handelt, hat seine Zukunft in einer Machtposition verspielt.

Wir fangen an, uns zu erholen, tun es der Natur damit gleich. Auch sie atmet wieder durch, geschwächt, aber lebendig. Es ist nun an uns, mit ihr zu wachsen, auch über uns selbst hinaus.

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