Suche
Close this search box.

Raus aus dem Gas? Was Studierende denken – Felix Kocea (5)

von Felix Kocea

Die Ukraine liegt in Trümmern, der Krieg hat seine Zeichen hinterlassen. Ein Ende des Mordens ist nicht in Sicht. Fast der gesamte Westen hat sich gegen Putin gestellt, unterstützt die Ukraine, liefert ihnen Waffen, verzichtet auf russische Energie. Naja, fast der gesamte Westen. Zwar liefert Deutschland mittlerweile den ukrainischen Streitkräften auch Waffen, die Sache mit der Energie ist aber weitaus verzwickter. Den wirtschaftlichen Folgen zum Trotz sollte Deutschland aber dennoch den russischen Gashahn zudrehen.

Pest gegen Cholera

Durch die Politik der vergangenen Jahrzehnte hat sich Deutschland in eine mittlerweile komplizierte Lage manövriert. Jahrelang hat man sich abhängig vom russischen Gas gemacht: 55 Prozent des Erdgases, das in Deutschland benötigt wird, stammte vor Kriegsbeginn aus Russland. Noch im März flossen dafür pro Tag 660 Millionen Euro in Richtung Moskau. Millionen, die den Krieg finanzieren und die russischen Kriegskassen auffüllen.
Deutschland hat nun zwei Handlungsoptionen. Und keine davon ist wirklich wünschenswert. Entweder verzichtet die Bundesrepublik auf der Stelle auf den Import russischer Energie, oder sie behält ihre Linie bei, importiert weiter fleißig das russische Erdgas und schützt so die eigene Wirtschaft. 

Denn: Ein Gasembargo würde diese vor eine große Belastungsprobe stellen, befürchten viele Wirtschaftsexperten. Vor allem in der Chemie-Industrie könnte ein Gasmangel weitreichende Folgen haben. Produktionsstopps und Stellenabbau vielerorts wären nur einige der Konsequenzen. Engpässe in der Chemie haben jedoch auch Auswirkungen auf andere Bereiche, die auf eben jene Stoffe angewiesen sind, etwa die Pharma- oder Lebensmittelindustrie. 
Forscher der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina konterten diese Befürchtung jedoch. In einer Stellungnahme erklären sie, dass ein möglicher Importstopp für die deutsche Wirtschaft handhabbar sei. Experten schätzen, dass das Brutto-Inlandsprodukt um gut drei Prozent sinken würde, während Corona waren es im Vergleich 4,5 Prozent. Die deutsche Wirtschaft hat schon schlimmere Krisen durchleben müssen, ist aber immer wieder zu alter Stärke zurückgekommen.

Deutsche Schläfrigkeit

Stichwort Corona: Auch hier hat sich die deutsche Schläfrigkeit und politische Fehleinschätzung gezeigt, etwa in dubiosen Maskendeals, unklaren Regelungen für die Bundesländer und einer, zu Beginn von Pannen durchzogenen Impfkampagne. Viele Chancen wurden nicht genutzt, die Coronapolitik war vielerorts ein einziges föderalistisches WirrWarr. Jedes Bundesland zog an seinem eigenen Strang: das hat nur minder gut geklappt. Wieso also auch die gleichen Fehler im Ukraine-Krieg begehen. Anstatt auf einen „Alleingang“ zu setzen, sollte man eher mit den anderen europäischen Staaten an einem Strang ziehen und das Bild eines starken geeinten Europas abgeben, das sich nicht von Russland erpressen lässt.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Zusätzlich hat Europa die Chance, wenn auch eher gezwungenermaßen, die Erneuerbaren Energien schneller voranzutreiben, als das bisher geschah. Bislang ging das nun eher schleppend voran, vielleicht würde ein Gasembargo die Wirkung eines „Arschtritts“ haben, da nun akuter Handlungsbedarf besteht. Natürlich würde es Jahrzehnte dauern, bis die erneuerbaren Energien die Verluste von russischem Gas und Öl ausgleichen, dann aber lieber früher anfangen als später – den Klimawandel dürfen wir ja bei all dem Krieg und der Pandemie auch nicht einfach so vergessen.
Kurzfristig hätte das Gasembargo wohl keine wirkliche Auswirkung auf den Ukrainekrieg, Putin wird wohl kaum seine Truppen abziehen, weil Europa nicht mehr sein russisches Gas will. Aber es würde immerhin ein Zeichen setzen. Ein

Zeichen für ein geeintes Europa, das souverän für sich stehen kann. 

Und trotz Gas-Importstopp wird niemand im deutschen Winter frieren müssen, Robert Habeck zeigt sich im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zuversichtlich „Wir kommen durch diesen Winter“. Vielleicht wäre ein bisschen Frieren aber auch gar nicht so schlecht, um die Menschen in Deutschland daran zu erinnern, wie gut es uns hier eigentlich geht. Und wie schlecht anderen Menschen auf der Welt.

Share on:

Related Posts

Die Stille im Wald

Insekten sind die Lebensader des Waldes. Ohne die kleinen Bewohner ist das gesamte Ökosystem bedroht. Doch der Insekten-Bestand schrumpft – nicht nur auf Feldern, sondern auch im Wald. Unser Autor Lauro hat sich mit einem Forscher der TU Darmstadt getroffen, um über das Insektensterben zu sprechen und ihren Rückgang selbst zu erleben.

weiterlesen

Traumjob Waldpädagogin mit Petra Semik

Immer mehr Menschen suchen ihre berufliche Zukunft in der Natur – so auch Petra Semik. Neben ihrem Vollzeitjob macht sie gerade eine Ausbildung zur Waldpädagogin. Wie sie beides unter einen Hut bekommt und worauf sie sich als künftige Waldpädagogin am meisten freut, verrät sie uns in dem Video!

weiterlesen
Skip to content