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Journalistische Aus- und Weiterbildung: Grüner wird es nicht

Grüne Gesellschaft: Aus dem Umweltthema ist ein multidimensionaler, teils unübersichtlicher Strang geworden (Quelle: Hugues Le Chevallier/ CC BY-NC-ND 2.0)
Grüne Gesellschaft: Aus dem Umweltthema ist ein multidimensionaler, teils unübersichtlicher Strang geworden (Quelle: Hugues Le Chevallier/ CC BY-NC-ND 2.0)

Von Torsten Schäfer und Daniel Fischer

Unübersehbar hat ein grüner Trend die gesellschaftliche Debatte erfasst; Nachhaltigkeit ist zum Modewort geworden und „grüner Lifestyle“ zur Marketing-Botschaft, die in vielen Branchen zieht. Die politische Landschaft ist parteipolitisch und programmatisch ebenfalls ergrünt, und mit dem Aufkommen des Klimawandels als neues, teils hochinszeniertes „Metathema“ hat auch in den Medien seit 2004/5 eine neue, vielschichtige Umwelt- und Nachhaltigkeitsdebatte begonnen, die die Fachzeitschrift „Umweltjournalist“ von einer Renaissance desselbigen sprechen lässt.

Zu unterscheiden sind drei Arten der Veränderung. Einerseits hat die Berichterstattung selbst, haben also grüne journalistische Inhalte, zugenommen, wie Studien etwa der Universität Dortmund zeigen. Dies bedeutet auch, dass diese Inhalte breiter und vielfältiger als noch in den 1980er und 1990er Jahren dargestellt werden. Zu dieser Zeit war „Umwelt“ in Redaktionen ein eher monolithisches, gut abgegrenztes Thema mit einer klaren Konfliktkonstellation (Umwelt vs. Wirtschaft). Mittlerweile ist es aber in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Etikettierung, Konfliktkonstellation und der Grad der Politisierung sind ein Stück weit verloren gegangen. Durch das Eindringen in neue Gesellschaftsbereiche ist aus dem Umweltthema ein multidimensionaler, teils unübersichtlicher Strang geworden, der öfter unter der Überschrift „Nachhaltigkeit“ zu finden ist.

 Sonderseiten, Serien, Extra-Hefte

Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass sich als zweite Art der Veränderung journalistische Formen öfter grünen Themen widmen. Sonderseiten, Serien, Porträt-Reihen, Extra-Hefte und Weblogs mit Namen wie „Grüne Revolution“, „Green Minds“, „Grünes Leben“, „Grüne Geschäfte“ oder „Öko-Sex“ sind Standard in überregionalen Medien wie „GEO“, „Zeit“, „Süddeutscher Zeitung“ oder „taz“. Neben dem Aufkommen solcher Formen verändert sich – und damit drittens – auch der journalistische Rahmen. Neue Sendungen, Magazine und Online-Portale sind entstanden, die sich nachhaltiger Lebensweise, ökologischen Fragen und Natur-Themen widmen. Beispiele hierfür sind neben dem neuen Nachhaltigkeitsportal der „Wirtschaftswoche“ Print-Magazine wie „zeo2“ und „Enorm“ oder Online-Seiten wie „klimaretter.info“ oder „Utopia.de“.

Die Liste ist bedeutend länger. Insbesondere dann, wenn Magazine wie die sehr erfolgreiche „Landlust“ dazugezählt werden, die auf ihre Weise eine grüne Botschaft transportieren. Gerade dieses Seg- ment steht für die Etablierung eines neuen, diffusen Lebensgefühls, das nicht nur, aber auch für Nachhaltigkeit und Umwelt steht.

Verwundert hat zunächst, dass die universitäre journalistische Aus- und Weiterbildung in Deutschland kaum auf den grünen Thementrend reagiert hat; explizite Studiengänge etwa fehlten ganz im Unterschied zu den USA, wo zahlreiche umweltjournalistische Programme angeboten werden. Doch die Situation ändert sich derzeit, wie die erste Auswertung einer Strukturanalyse zum Themenkreis „Umwelt, Nachhaltigkeit und Journalismus“ zeigt, die an der Leuphana Universität Lüneburg derzeit geschieht.

 Grüner Mediendoktor aus Dortmund

Auf Ebene der Praxisprojekte ist eine Initiative des Dortmunder Instituts für Journalistik zu nennen: Der Lehrstuhl Wissenschaftsjournalismus von Professor Holger Wormer lanciert 2013 den „Mediendoktor Umwelt“, bei dem Fachjournalisten nach dem Vorbild des „Mediendoktors Medizin“ Umweltartikel nach festen Kriterien bewerten. Inhalte aus dem grünen Spektrum bietet der Lehrstuhl für die Studiengänge Wissenschaftsjournalismus immer wieder an. Sie sind allerdings in Veranstaltungen wie etwa „Recherche“ integriert und haben kein eigenes Format wie etwa die Übung „Umweltjournalismus“, die der Medienrechtler Udo Branahl lange aus der Perspektive des Umweltrechts und der kommunalen Berichterstattung anbot.

Rege Aktivitäten gibt es auch an der Hochschule Darmstadt: Im Sommersemester 2013 standen in den Studiengängen Wissenschafts- und Onlinejournalismus ein Praxisprojekt zum Thema „Nachhaltigkeit und Lebensqualität“ sowie das Seminar „Umweltjournalismus“ auf dem Lehrplan. Daneben gibt es seit Ende Januar nach einem Jahr Aufbauzeit das Portal „Grüner Journalismus“.

 Weitere Zentren: Ansbach, Hamburg, Bremen

Auch in Bayern gibt es Neuigkeiten mit einer eigenen umweltjournalistischen Professur, die die FH Ansbach für den Studiengang Ressortjournalismus ausgeschrieben hat. Dort sind grüne Themen ein fester Bestandteil in der Lehre. Gleiches gilt für die Hamburger Journalistik, die regelmäßig Seminare wie „Wissenschafts- und Umweltjournalismus“ anbietet und Ergebnisse aus der umfangreichen Erforschung der medialen Klimaberichterstattung, die im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrated Climate System Analysis and Prediction“ (CliSAP) geschieht, in die Lehre einspeist. Auch an der Hochschule Bremen stehen im Studiengang Journalistik die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit schon länger auf der Agenda, derzeit im Rahmen einer Ringvorlesung.

Insgesamt herrscht bei den integrierten Angeboten, die im Rahmen von bestehenden medialen Studiengängen geschehen, eine naturwissenschaftlich-technische Sichtweise vor. Dies gilt auch für die erste explizite Studienmöglichkeit auf Bachelor-Niveau: Die FH Bonn-Rhein-Sieg bietet seit dem Wintersemester 2011/2012 den Studienschwerpunkt „Umweltwissenschaften“ als Wahlmöglichkeit im Studiengang „Technikjournalismus/PR“ an.

 Der Lüneburger Ansatz

Anders gelagert ist der Ansatz des einzigen Studienprogramms, das sich alleine dem Themenfeld „Umwelt und Nachhaltigkeit“ widmet: An der Leuphana Universität Lüneburg läuft seit dem Herbst 2012 das akademische Zertifikatsstudium „Nachhaltigkeit und Journalismus“, in dem sich Journalisten berufsbegleitend über zwei Semester mit Nachhaltigkeitsfragen auseinandersetzen. Ziel ist es, die Perspektiven der verschiedenen Disziplinen der Nachhaltigkeitsforschung aufzuspannen – vom Management über die Ökologie bis hin zur Politik.

Parallel zu dem Zertifikatslehrgang setzt sich das Institut für Umweltkommunikation der Universität forschend mit „grünem Journalismus“ auseinander: Im Rahmen einer für drei Jahre von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Initiative entwickelt ein Team von Wissenschaftlern und Praktikern Qualitätskriterien für guten „Nachhaltigkeitsjournalismus“ (siehe auch Interview), aus denen Anforderungen an Aus- und Weiterbildungsangebote abgeleitet und entsprechende Praxismaterialien entwickelt werden. Entstehen soll auch ein dauerhaftes Netzwerk für Nachhaltigkeitsjournalismus in Deutschland.

Der Beitrag erschien bereits im Journalistik Journal 1/2013. Daniel Fischer koordinierte das Studienprogramm als wissenschaftlicher Mitarbeiter, die Funktion füllt er noch für die Initiative Nachhaltigkeit & Journalismus aus. 

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