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Von außen sieht der Bau mit dem roten Klinkerstein aus wie ein normales Wohnhaus. Am Seiteneingang hängt ein Schild, beleuchtet durch eine weiße Neonröhre: “Nikolaus von Holdt”. Ein eisernes Hoftor, welches keine Blicke hinter das Haus gewährt, befindet sich auf der rechten Seite neben dem Eingang. An diesem Wintermorgen zeigt die Handy-App 3 Grad an, hier draußen im Industriegebiet von Itzehoe. “In der Stadt wollen sie uns nicht haben”, sagt Nikolaus von Holdt, dem das Haus mit der roten Klinkerfassade gehört. Von Holdt lebt dort mit seiner Frau. Unter der Woche sind auch sein Sohn und seine Tochter da. Die beiden sind seine Angestellten – die einzigen beiden. An diesem Tag haben sie bereits die Hälfte ihrer Arbeit geschafft. Die zweite Hälfte steht noch in Eisengittern hinter dem Haus: Sechs braune Rinder.
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“Wir schaffen hier zwischen acht und 16 Schlachtungen am Tag”, sagt Nikolaus von Holdt. Die Familie schlachtet seit 180 Jahren Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Seit fast 20 Jahren als zertifizierter Bio-Betrieb. Noch bis Mitte der Achtziger war der Schlachthof in der Schleswig-Holsteinischen Kleinstadt Wilster. Dann wurde man im Rahmen der Stadtsanierung umgesiedelt in das Industriegebiet von Itzehoe. “Wir mussten raus aus der Stadt, ins Industriegebiet, weil sich sonst die Nachbarn beschweren, wenn nachts der Kühllaster kommt”, sagt von Holdt. Einen Schlachter wolle niemand als Nachbar.
Kleine Schlachterbetriebe, wie der von Nikolaus von Holdt, sucht man in einer Millionenmetropole wie Hamburg vergeblich. Mit der starken Veränderung der Städtestruktur in den letzten drei Jahrzehnten starben auch die Schlachtbetriebe im Stadtgebiet aus. Die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz bestätigt diesen Trend und teilt auf Anfrage mit, „dass es in Hamburg nur einen Schlachthof gibt“, so Behördensprecherin Valerie Landau. Dieser Schlachthof ist die „Heinrich Fricke GmbH“ in Hamburg-Stellingen, doch dort möchte man uns lieber nicht hinter die Tore blicken lassen.
Für den Fleischverkauf in Hamburg bedeutet dies, dass das Fleisch weite Strecken zurücklegen muss und von Schlachthöfen aus ganz Deutschland zu den Hamburger Supermärkten und Metzgereien kommt, um dort schließlich verkauft zu werden. Näher zu beschäftigen scheint dies die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz aber nicht. Man habe zur Herkunft des in Hamburg konsumierten Fleisches keine näheren Informationen und erfasse dazu keine Daten.
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All diese Probleme hat Hans Wagner nicht. Im Hamburger Szeneviertel Eimsbüttel befindet sich seine Metzgerei. Seit 1905 existiert der Familienbetrieb. Der Seniorchef hat sich bereits 1979 auf lokales Fleisch und „kurze Wege“ konzentriert, sagt Wagner. Seit 41 Jahren hat er nun rund vierzig Autominuten nordwestlich von Hamburg seinen eigenen Hof, mit eigenen Tieren. Geschlachtet wird nur zehn Kilometer weiter bei von Holdt.“Der große Vorteil ist, dass unsere Tiere einen kurzen Weg haben: Vom Hof zum Schlachter, vom Schlachter in unsere Metzgerei nach Eimsbüttel”, sagt Wagner. “Nicht drauf auf den großen Transporter und ab nach Süddeutschland”.
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Pro Monat zerlegt, verkauft und verarbeitet die Metzgerei rund 10 Rinder und 25 Schweine. “Wenn ich die alle von meinem Hof nehme, habe ich in einem viertel Jahr keine Tiere mehr”, sagt Wagner. Er schätzt den Anteil an Tieren vom eigenen Hof auf rund 20%. Die restlichen Tiere bekommt der Metzgermeister von befreundeten Bauern aus der Umgebung. “Wenn die schlachtreife Tiere haben, dann bin ich am Wochenende dort unterwegs, schaue mir die Tiere an und dann verhandeln wir den Preis per Handschlag”, sagt Hans Wagner. Und so landet schlussendlich nur lokales Fleisch in der Vitrine: “Rind, Schwein, Lamm oder Kalb haben wir alles aus Schleswig-Holstein”. In den Supermärkten hingegen, wüssten die Verkäufer oft kaum noch etwas über die Tiere. Woher auch? “Das kriegen wir im Karton geliefert”, sei dort die häufigste Antwort auf die Frage nach der Herkunft, so Wagner. Es seien eben keine Schlachter oder Metzger, sondern in erster Linie Fleisch-Verkäufer.
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„Die Kunden wollen wissen, wo das Fleisch herkommt. Das wird immer häufiger nachgefragt“, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Dort ist sie ist Abteilungsleiterin für Lebensmittel und Ernährung. Man könne gleichzeitig nicht pauschalisieren, denn auch aus Argentinien komme sehr gutes Fleisch und ebenso habe man auch in Deutschland Probleme mit der Massentierhaltung. Regional sei also nicht immer gleich gut. Allerdings würde das Interesse der Kunden an der Herkunft der Tiere immer weiter steigen.
Und trotz des größeren Interesses mussten viele Metzgereien rund um Hans Wagners Laden in Eimsbüttel schließen. “Im Umkreis von einem Kilometer könnte ich 15 Metzgereien und Schlachterläden aufzählen, die vor 30 Jahren noch da waren. Da haben alle Leute dort ihr Fleisch aus der Region eingekauft und nicht im Supermarkt. Aber die gibt’s alle nicht mehr. Wir sind der einzige noch”, sagt Wagner. Auch der Fleischatlas des BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung stützt die These des Fleischers: Drei Viertel der Konsumenten kaufen ihr Fleisch nicht mehr im Fachgeschäft, sondern in Supermärkten, Discountern etc. Die Großen bedrohen die Kleinen, da sind sich Metzger Wagner und Schlachter von Holdt einig.
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Zurück auf Nikolaus von Holdts Schlachthof bei Itzehoe. Hier, direkt an der Autobahn 23 im Industriegebiet, bekommt die Bevölkerung wenig mit von der Arbeit des Schlachters. Das Limousin-Rind mit dem rotbraunen Fell, welches auf der Trage des Schlachters liegt, kommt vom Hof von Metzgermeister Hans Wagner. Er hat das Tier bereits am Vorabend von seinem Hof zum Schlachter gebracht, wo es der Tierarzt bereits begutachten konnte. „Wir haben großen Respekt vor den lebenden, aber auch vor den toten Tieren“, sagt Nikolaus von Holdt. Dies sei extrem wichtig und für einen guten Schlachter selbstverständlich. Von Holdt erklärt engagiert die Anatomie des Rindes. Anhand der Kreise an den Hörnern könne man zum Beispiel sehen, wie viele Kälber das Rind im Laufe des Lebens geboren hätte. Dieses Rind hatte 6 Kälber.
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Während das Limousin-Rind in der Mitte des Schlachtraums hängt, sind bereits vier zerteilte und enthäutete Rinder im Vorraum aufgereiht. Die Niere bleibt auch bei den fertig zerteilten Rinderhälften drin, für den Tierarzt zur Nachuntersuchung. Aber auch Kopf, Zunge, Herz und Lunge hängen noch im Schlachtraum zur Untersuchung für den Tierarzt und den späteren Verkauf bereit. Abends wird der Tierarzt ein weiteres Mal kommen, um das Fleisch zu begutachten und um ganz am Schluss seinen Stempel draufzudrücken: Rind. Regional.
Anmerkung der Redaktion:
Wir haben rund ein Dutzend Schlachtereien, Metzgereien in Hamburg und Umgebung angefragt. Niemand war bereit uns einen Einblick in die gesamte Produktionskette des Fleisches zu gewähren. Lediglich über Metzgermeister Hans Wagner kamen wir in Kontakt mit der Schlachterei von Holdt, die uns umfangreiche Einblicke gewährte und die wir beim gesamten Produktionsprozess begleiten konnten.
Fotografie © Lennard Schmeller
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