Von Carola Mensch
Frau Neumann, Sie promovieren über Moore; was fasziniert Sie daran so?
In Mooren wohnen spannende Lebewesen: Fleischfressende Pflanzen, Spinnen, die übers Wasser laufen oder Moorfrösche, die sich zur Paarungszeit eine Woche im Jahr blau färben. Die Torfschichten im Moor erzählen von längst vergangenen Zeiten – sie erlauben einen Blick in Geschichte der Pflanzenwelt der letzten Jahrtausende.
Inwieweit sind Moore heute gefährdet?
Früher wurde neues Ackerland gewonnen, indem Moore man trockenlegte. Dafür verlegte man mit hohem Aufwand Rohre unter die Erde und legte Gräben an, um das Wasser abzuführen. Moore brauchen aber Wasser, um zu leben. Das Torf der Moore dient zudem als Rohstoff, obwohl es pro Jahr nur um ein bis zwei Millimeter nachwächst. Kommerziell gehandelte Tomaten, Gurken oder Blumen werden oft auf torfhaltigem Substrat angebaut, weil es nährstoffarm ist und man die Nährstoffe dann genau dosiert zuführen kann. Somit entscheidet jeder Konsument mit über den Moorschutz.
Um es nochmal klarer zu verstehen: Wieso müssen wir Moore schützen?
Moore sind ein effizienter Treibhausgasspeicher. Sie bedecken zwar nur drei Prozent der Erdoberfläche, speichern aber 30 Prozent des globalen Kohlenstoffs, sowie große Mengen von Methangas. Moore haben damit eine wichtige Funktion für den Klimaschutz. Sie reinigen zudem das Wasser und regulieren das Klima auf kleinem Raum. Über einem Moor erwärmt sich die Erde nicht so stark, wie zum Beispiel auf einer Ackerfläche. Wenn wir Moore schützen und wieder herstellen, tragen wir damit gleichzeitig zum Natur- und Klimaschutz bei.
Warum interessieren sich wenige Menschen für den Moorschutz?
Die meisten Leute haben keine Verbindung zum Moor, weil sie noch nie eines gesehen haben. Moore bedecken nur etwa vier Prozent der Fläche Deutschlands.Ich habe meine Freunde gefragt, wie sie sich ein Moor vorstellen und den meisten fielen Begriffe ein wie dunkel, trüb, düster, feucht. Nach einem gemeinsamen Ausflug zu einem Moor hat sich das sofort geändert, weil sie gesehen haben, dass es da nur so vor Leben wimmelt.
Wie lassen sich womöglich Leser und Zuschauer für das Thema begeistern?
Zum einen über die Geschichten, die die Bewohner von Mooren transportieren. Da wären zum Beispiel Libellen, die im Grunde fliegende Dinosaurier sind. Auch schöne Fotos sind spannend, um das Thema zu vermitteln. Ein anderer Weg wäre ein Portrait über einen Wissenschaftler, der an dem Thema forscht. Auch ich selbst schaffe es durch meine Arbeit, auf Moore aufmerksam zu machen, weil ich die Leute über eine persönliche Ebene anspreche. Es berührt die Menschen immer mehr, wenn es einen persönlichen Bezug gibt, als wenn das Thema abstrakt bleibt.
Wen haben Sie zum Beispiel erreicht?
Ein befreundeter Banker interessiert sich sehr für sogenannte Moorzertifikate. Mit ihnen werden Projekte finanziert, in denen trockengelegte Moore wieder vernässt, also feuchtgelegt werden. Der Kauf eines Zertifikats erlaubt Unternehmen, Banken oder Privatpersonen eine Tonne Kohlenstoffdioxid-Ausstoß im Jahr zu kompensieren. Er möchte diese sogenannten „Moorfutures“ jetzt zum Beispiel ins Bankensystem integrieren.
Sie beschäftigen sich auch damit, Politikern das Thema Moorschutz nahezubringen. Wie sieht das aus?
Ich untersuche die Kommunikation an der Schnittstelle zwischen Forschern und Politikern. Ich möchte erreichen, dass das Wissen über Moore effektiv eingesetzt wird und in politische Entscheidungen einfließt. Im Moment ist es so, dass wissenschaftliche Publikationen für Politiker oft nicht frei zugänglich sind. Und wenn, dann sind sie kaum verständlich. Es braucht daher Übersetzer, die den Dialog unterstützen und Missverständnisse klären. Alle wichtigen Akteure sollten von Anfang an an einem Tisch sitzen und gemeinsam Forschungsfragen und Ziele erarbeiten.
Gibt es bereits Ansätze, um den Moorschutz zu stärken?
Es gibt zum Beispiel die Ramsar-Konvention, ein internationales Abkommen, um Feuchtgebiete zu schützen. Auch im Kyoto-Folgeprotokoll, das derzeit überarbeitet wird, sollen Moore noch stärker aufgegriffen werden. Um die Ziele umzusetzen müssen die verschiedenen politischen Sektoren noch stärker zusammenarbeiten. Es nutzt nichts, wenn die Umweltfraktion diese internationalen Verpflichtungen unterschreibt, das aber beim Agrar- oder Finanzsektor gar nicht ankommt. Hier muss der Dialog noch in vieler Hinsicht verbessert werden.